Europas Autobauer haben jahrelang ambitionierte Ausstiegspläne für Verbrennerfahrzeuge präsentiert. Diese Pläne folgten einer politischen Vorgabe, die die Hersteller zum Umstieg auf Elektroantriebe zwang. Doch die Realität sieht anders aus. Die Verkaufszahlen hinken hinterher, die Strategie muss angepasst werden. Einige Konzerne rudern bereits zurück. Sollte das Verbrenner-Aus kippen, hätte das tiefgreifende Folgen für die gesamte Branche (welt: 19.02.25).
Verlängerung für den Verbrennungsmotor
Die letzten neuen Benzinmodelle sind bereits im Handel. Opel bringt Grandland, Frontera und Mokka in verschiedenen Varianten auf den Markt. Neben reinem Elektroantrieb gibt es Hybrid- und Benzinversionen. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass ab 2028 keine Benziner mehr verkauft werden. Opel-Chef Florian Huettl hatte diesen Kurs noch im vergangenen Jahr bekräftigt. Doch inzwischen vermeidet er eine klare Festlegung. Die Verbrenner bleiben vorerst im Programm.

Viele Automanager hatten das Ende der fossilen Antriebstechnologie fest im Blick. Stellantis-Chef Carlos Tavares, Audi, Porsche und Mercedes-Benz kündigten ehrgeizige Ziele an. Porsche plante, bis 2030 einen Elektroanteil von 80 Prozent zu erreichen. Mercedes-Benz strebte denselben Wert an. Doch mittlerweile erkennen die Verantwortlichen, dass diese Vorgaben nicht realistisch sind. Der Übergang zur Elektromobilität dauert länger als erwartet, während sich auch der politische Kurs verändert.
Politische Unsicherheiten nehmen zu
Die EU hatte beschlossen, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden. Doch das Verbrenner-Aus steht inzwischen zur Diskussion. In Brüssel wird über eine Anpassung der Vorgaben beraten. Ein neuer Aktionsplan der EU-Kommission könnte bereits im März vorgestellt werden. Industrievertreter verhandeln intensiv über mögliche Änderungen. Umweltorganisationen sind beteiligt, haben aber nur begrenzten Einfluss.
Die CDU positioniert sich klar gegen das Verbot. In ihrem Wahlprogramm fordert sie, den Beschluss zu revidieren. Die SPD schlägt eine pragmatische Anpassung der Übergangsphase vor. Lediglich die Grünen sprechen sich für die bestehende Regelung aus. Demnach dürften ab 2035 nur noch Autos zugelassen werden, die kein CO₂ ausstoßen. Eine Ausnahme ist für Fahrzeuge mit synthetischen Kraftstoffen vorgesehen. Verkehrsminister Volker Wissing hatte diese Regelung auf EU-Ebene durchgesetzt.
Der angerichtete Schaden
Die vorschnellen Entscheidungen der Politik haben bereits wirtschaftliche Schäden angerichtet. Viele Autohersteller setzten frühzeitig auf die Elektrostrategie, investierten Milliarden in neue Produktionslinien und entließen Mitarbeiter in Bereichen der Verbrennerproduktion. Lieferketten wurden umgestellt, Zulieferbetriebe gerieten in Schwierigkeiten. Unternehmen, die stark vom Verbrennungsmotor abhängig waren, mussten drastische Sparmaßnahmen einleiten oder Insolvenz anmelden.
Besonders betroffen sind kleine und mittelständische Zulieferer, die nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, um schnell auf Elektromobilität umzusteigen. Einige Standorte wurden geschlossen, Arbeitsplätze gingen verloren. Auch bei den Verbrauchern zeigt sich Ernüchterung: Viele potenzielle Käufer sind aufgrund hoher Preise und fehlender Ladeinfrastruktur skeptisch gegenüber E-Autos. Gleichzeitig leiden Händler unter sinkenden Verkaufszahlen, weil Kunden aufgrund der unsicheren Lage abwarten.
Industriekonzerne überdenken ihre Strategie
Die Union fordert eine grundlegende Neubewertung der Flottengrenzwerte. Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, betont: „Wir wollen unsere Klimaziele mit marktwirtschaftlichen Anreizen und Technologieoffenheit erreichen.“ Statt strikter Vorgaben soll der Markt über die Zukunft der Antriebsarten entscheiden.
Für die Automobilbranche bedeutet das eine Anpassung der Planungen. Viele Hersteller gingen bisher davon aus, dass der E-Auto-Anteil in Europa bis 2027 stark ansteigen würde. Doch laut Prognosen von S&P Global Mobility könnte dieser Wert niedriger ausfallen als erwartet. Die Analysten rechnen nun mit einem Verbrennerverbot frühestens 2040. Demnach dürfte der Elektroanteil bis 2027 nur etwa ein Viertel des Gesamtmarkts erreichen.
Porsche gerät in Bedrängnis
Besonders Porsche trifft diese Entwicklung. Konzernchef Oliver Blume hatte auf eine schnelle Elektrifizierung gesetzt. Der Macan wird in Europa nur noch als E-Modell angeboten. Auch der Porsche 718 und der Cayenne sollen bald rein elektrisch verkauft werden. Doch die Verkaufszahlen der E-Autos bleiben hinter den Erwartungen zurück. Das Unternehmen investiert nun 800 Millionen Euro, um zusätzliche Verbrennervarianten zu ermöglichen. Neue Modelle könnten folgen. Audi-Plattformen bieten die technische Basis dafür.
Volkswagen und Audi reagieren gelassener. Beide Hersteller bringen parallel neue Verbrenner und Elektroautos auf den Markt. Geplant war, die Verbrenner bis 2033 auslaufen zu lassen. Durch Modellaktualisierungen könnten sie aber länger verfügbar bleiben. Möglich ist eine doppelte Modellüberarbeitung, um Fahrzeuge bis 2035 im Angebot zu halten.
Ungewisse Zukunft für die Autobranche
Innerhalb der Industrie gibt es weiter keine Einigkeit über den richtigen Weg. Befürworter des Verbrennerverbots rechneten damit, dass sich der Markt bis 2035 weitgehend auf Elektroautos umstellen würde. Doch nun wachsen die Zweifel. E-Autos müssen günstiger werden, gleichzeitig fehlen Ladesäulen, ein stabileres Stromnetz und ausreichend erneuerbare Energiequellen. Während die Automobilbranche intensiv in Brüssel verhandelt, bleibt die Energieindustrie weitgehend außen vor.
Einflussreiche Branchenvertreter sehen düstere Szenarien. Sollte das Verbot bestehen bleiben, könnte 2034 ein massiver Run auf die letzten Verbrenner einsetzen. Käufer würden sich noch schnell mit Fahrzeugen eindecken. 2035 drohten dann starke Einbrüche bei den Verkaufszahlen, die sich über Jahre nicht erholen könnten. Die Autobauer wollen diesen Schock vermeiden.
Möglicherweise bringt der März mehr Klarheit über den künftigen Kurs. In den USA ist unter Donald Trump eine Drosselung der Elektromobilitätsförderung wahrscheinlich. Auch in China bleibt die Lage für europäische Hersteller unsicher. Ob Opel und seine Konzernschwestern langfristig auf Elektro umsteigen, wird sich nach der Bundestagswahl zeigen. Klar ist bereits, dass Alfa Romeo den geplanten Verbrennerausstieg für 2027 verschiebt. Auch Fiat, Citroën und Peugeot überdenken ihre Elektro-Strategie.
Der frühere Stellantis-Chef Tavares hatte den Wandel stets vorangetrieben. Doch inzwischen ist er entlassen worden. Sein Nachfolger John Elkann kündigt eine größere Modellvielfalt an: „Kundinnen und Kunden sollen eine noch größere Auswahl an großartigen Verbrennungs-, Hybrid- und Elektrofahrzeugen erhalten.“ Das klingt nach einer deutlich längeren Übergangsphase als ursprünglich geplant.
Lesen Sie auch:
- Das Verbrenner-Aus steht auf der Kippe
- Verbrenner-Aus in Umfrage unbeliebteste Klimaschutzmaßnahme
- Verbrenner-Streit wird vor EU-Gipfel zur Zitterpartie
- E-Fuel-Hersteller klagt gegen Verbrenner-Aus auf EU-Ebene




