Deutschland kappt die bisherigen Speicherziele – künftig genügt es, wenn die Füllstände der Speicheranlagen bis zum 1. November bei 80 Prozent liegen. Zuvor galt die Marke von 90 Prozent als unverzichtbar für eine stabile Versorgung. Die Lockerung betrifft zentrale Elemente der Energiepolitik und erfolgt in einer Phase hoher Gasnachfrage und unsicherer Preisentwicklung in Europa (berliner-zeitung: (06.05.25).
Geringere Füllstände – mehr Marktverantwortung
Die Entscheidung aus dem Bundeswirtschaftsministerium folgt auf einen ungewöhnlich hohen Verbrauch zu Beginn des Jahres. Kalte Temperaturen, fehlender Ukraine-Transit und schwache Stromerzeugung aus Windkraft trieben die Speicherstände ungewöhnlich schnell nach unten. Die Regierung zieht daraus nun Konsequenzen und passt die rechtlichen Rahmenbedingungen an. Das Ziel: mehr Flexibilität für Speicherbetreiber und eine Entlastung der Märkte.

Laut BMWK bleibt die Versorgung dennoch auf „hohem Niveau“ gesichert. In einer offiziellen Mitteilung erklärt das Ministerium, dass schnelle Kavernenspeicher und träge Porenspeicher unterschiedlich bewertet wurden. Für erstere gilt künftig die 80-Prozent-Marke, für letztere nur noch 45 Prozent. Nur vier Standorte nahe der Alpen bleiben bei den höheren Zielwerten, da sie auch Österreich und die Schweiz mitversorgen.
Marktkräfte sollen dominieren
Durchschnittlich wären die deutschen Speicher mit den neuen Vorgaben am 1. November zu etwa 70 Prozent gefüllt. Diese Lockerung entlastet insbesondere den staatlichen Speicherbefüller Trading Hub Europe. Laut Ministerium existiert aktuell kein Anlass mehr für staatliche Eingriffe, da die Gasversorgung stabil genug erscheint. Höhere Befüllungsquoten hätten letztlich nur die Kosten für Endkunden unnötig gesteigert.
Ein Sprecher des BMWK hebt hervor: „Die Verordnung nimmt den Markt nunmehr wieder deutlich stärker in die Pflicht – unter Beibehaltung eines hohen Maßes an Versorgungssicherheit.“ Diese Rückkehr zur Marktlogik markiert eine Trendwende gegenüber den Krisenjahren ab 2022.
Gaswirtschaft lobt, aber warnt vor Rückschritten
Auch der Verband der Gasimporteure unterstützt die Entscheidung. Die Anpassung helfe, Marktverzerrungen abzubauen und die Versorgung kosteneffizienter sicherzustellen. Die hohen Speicherziele im Jahr 2022 bezeichnet der Verband rückblickend als notwendige Notmaßnahme, doch inzwischen hätten sich die Rahmenbedingungen deutlich verbessert. Insbesondere durch LNG-Terminals und mehr Pipelinegas aus Norwegen sei die Abhängigkeit von einzelnen Lieferwegen reduziert worden.
Vor diesem Hintergrund hält der Verband eine pauschale Fortschreibung der alten Ziele für nicht mehr zeitgemäß. Sie stünden weder in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis noch entsprächen sie der aktuellen Lage auf dem Energiemarkt.
EU streitet über eigene Speicherziele
Trotz stabilisierter Preise bleibt die Lage angespannt. Der hohe Verbrauch im vergangenen Winter trieb die Preise erneut nach oben. Auch die geplanten Subventionen zur Speicherbefüllung wirkten sich preistreibend aus. Marktteilnehmer spekulierten auf steigende Preise, während gleichzeitig das Geschäft mit der Gasspeicherung an Attraktivität verlor.
Der Handelskonflikt mit den USA unter Donald Trump führte zeitweise zu weiteren Unsicherheiten. Zwar sanken die Preise in der Folge wieder, doch das Misstrauen gegenüber einer rein marktbasierten Steuerung bleibt bestehen. Auch deshalb prüft das EU-Parlament derzeit eine eigene Lockerung der Speicherziele – von 90 auf 83 Prozent. Eine Abstimmung darüber ist bereits für die kommende Woche angesetzt.
Fazit: Mehr Freiheit, aber nicht weniger Risiko
Die neue Regelung bringt mehr Spielraum für Speicherbetreiber und setzt stärker auf Marktmechanismen. Doch das Vertrauen in deren Funktionieren bleibt begrenzt. Angesichts geopolitischer Spannungen und möglicher Kälteeinbrüche bleibt fraglich, ob die neuen Füllstände ausreichen, um künftige Krisen abzufedern. Die Bundesregierung muss zeigen, dass Versorgungssicherheit auch mit geringerer Reserve gewährleistet bleibt.
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