Ein Pflichtdienst für Senioren soll angeblich die Generationengerechtigkeit sichern. Doch was als solidarischer Ausgleich verkauft wird, könnte in Wahrheit ein gefährlicher Tabubruch sein. Während junge Menschen tatsächlich vor enormen Herausforderungen stehen, droht nun eine pauschale Belastung der Älteren – unabhängig von Lebensleistung, Einkommen oder individueller Situation. Statt gesellschaftlichem Ausgleich droht ein neuer Spaltpilz (telepolis: 20.07.25).
Pflichtdienst als Generalverdacht gegen Rentner?
Die Forderung nach einem Pflichtdienst stammt vom Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Er unterstellt fitten Rentnern einen Rückzug ins Private und fordert, sie müssten sich nach dem Berufsleben verpflichtend in soziale Aufgaben einbringen. Doch dieser Vorschlag ignoriert grundlegende Unterschiede im Gesundheitszustand, in der Biografie und in den Lebensumständen älterer Menschen. Nicht jeder, der Rentner ist, lebt im Luxus – und nicht jeder Ruhestand ist freiwillig.

Viele Senioren engagieren sich längst ehrenamtlich, pflegen Angehörige oder unterstützen ihre Familien. Die Vorstellung, man müsse sie zu zusätzlichem Dienst verpflichten, stellt ihre Lebensleistung infrage und lässt die soziale Realität vieler Älterer außer Acht.
Zwischen Boomer-Soli und Zwangsdienst – die falschen Antworten auf reale Probleme
Zuvor wurde bereits der „Boomer-Soli“ ins Gespräch gebracht – eine Sonderabgabe auf Alterseinkünfte, um die Rentenkassen zu stützen. Nun folgt der Ruf nach einem Pflichtdienst. Beide Vorschläge haben eines gemeinsam: Sie fokussieren auf die Älteren als Verursacher eines gesellschaftlichen Ungleichgewichts. Doch statt die strukturellen Probleme zu lösen, wird ein Generationenkonflikt bewusst verschärft.
Die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme steht zweifellos unter Druck. Doch es bleibt fraglich, ob ein Pflichtdienst die richtige Antwort ist – oder nur ein Symbol populistischer Umverteilung. Solidarität lässt sich nicht erzwingen. Wer Menschen zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet, setzt nicht auf Zusammenhalt, sondern auf Misstrauen.
Pflichtdienst als politischer Irrweg
Die Forderung nach verpflichtender Arbeit im Alter klingt nach einem Rückfall in alte Denkweisen. Wer in jungen Jahren jahrzehntelang in das Sozialsystem eingezahlt hat, verdient Respekt – nicht neue Pflichten. Ein Pflichtdienst rüttelt an den Grundfesten der Freiwilligkeit und stellt den Wert des Ruhestands infrage.
Zudem trifft ein solcher Zwang nicht alle gleich. Wer körperlich hart gearbeitet hat, ist mit 65 oft nicht mehr belastbar. Wer gut ausgebildet und privilegiert lebt, könnte sich leichter arrangieren. So droht ein sozial unausgewogenes Modell, das neue Ungerechtigkeiten schafft.
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