Ein kommunaler Energieversorger aus Ludwigshafen investiert mutig 12,5 Millionen Euro in ein angeschlagenes Unternehmen – und erlebt dabei eine schwere Enttäuschung. Die Pfalzwerke, einer der größten Energieversorger im Südwesten Deutschlands, verfolgen ambitionierte Ziele im Bereich der Elektromobilität. Dabei möchten sie im Markt für Elektro-Ladesäulen eine bedeutende Rolle spielen. Doch dieses Vorhaben gerät ins Straucheln: Erst im März dieses Jahres meldeten die Pfalzwerke stolz ihre Beteiligung am österreichischen Ladesäulenhersteller EnerCharge. Doch nur vier Monate später erklärt das Unternehmen seine Insolvenz (wiwo: 15.08.24).
Pfalzwerke unter Druck: Millionen-Investition in Pleitefirma sorgt für Kritik
Der bisherige Umgang der Pfalzwerke mit dieser missglückten Investition wirft Zweifel auf. Paul Anfang, der zusammen mit Marc Mundschau die Pfalzwerke leitet, scheint das Problem aussitzen zu wollen. Obwohl die Beteiligung an EnerCharge noch auf der Website der Pfalzwerke zu finden ist, fehlt jeder Hinweis auf die Insolvenz des Unternehmens. Auch die regionalen Medien haben bisher nicht über diesen Fehlschlag berichtet. Der Kommunikationschef der Pfalzwerke antwortet auf Nachfragen nur mit einer vorbereiteten Erklärung: „Leider konnte im Kreis der Gesellschafter keine Lösung für EnerCharge gefunden werden, obwohl die Pfalzwerke bereit waren, einen wesentlichen Beitrag zu leisten“. Aus Rücksicht auf das laufende Insolvenzverfahren werden keine weiteren Details bekannt gegeben.
Doch diese Verschwiegenheit stößt auf wenig Verständnis. Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse daran, wie das Management mit den anvertrauten Geldern umgeht. Es stellt sich die Frage, ob die Risiken beim Kauf der Anteile an EnerCharge unterschätzt wurden oder ob entscheidende Fakten übersehen wurden. Der Umgang mit diesen Fragen ist besonders relevant, da die Pfalzwerke überwiegend in öffentlicher Hand sind, unter anderem durch den Bezirksverband Pfalz und die Stadt Ludwigshafen.
Pfalzwerke investieren Millionen in E-Mobilität – doch die Auslastung bleibt alarmierend gering
Trotz dieser Rückschläge treiben die Pfalzwerke ihre Expansion im Bereich der Elektromobilität weiter voran. Die Pfalzwerke erzielen einen Jahresumsatz von rund zwei Milliarden Euro. In ihrem Geschäftsbericht 2023 zeigen sie ambitionierte Pläne und positionieren sich als wachstumsorientierter sowie ökologischer Innovator. Mit den Marken 123energie und ALDI Grüne Energie sind sie nicht nur regional, sondern auch überregional aktiv. Ihr Ladenetzwerk umfasst inzwischen 1.400 öffentliche Ladepunkte, verteilt auf 330 Standorte in Europa. Selbst in Schweden bauen sie ihre Präsenz aus.
Diese Expansion ist jedoch kostspielig und bringt zunächst wenig Rendite. Der Markt für Elektro-Ladesäulen befindet sich in einer schwierigen Phase. Florian Dommel, Bereichsleiter E-Mobility bei den Pfalzwerken, betonte vor wenigen Wochen, dass jährlich Millionensummen in dieses Geschäftsfeld fließen. Doch die erhoffte Rentabilität hängt stark von der weiteren Verbreitung der Elektromobilität ab – eine Entwicklung, die aktuell ins Stocken gerät.
Ein weiteres Problem: Die installierten Ladepunkte werden zu selten genutzt. Experten wie Wulf Schlachter rechnen vor, dass für eine rentable Nutzung der Ladesäulen durchschnittlich 16 bis 18 Ladevorgänge pro Tag erforderlich wären. Doch in Deutschland sind es derzeit nur fünf bis sechs Ladevorgänge pro Säule.
Trotz Marktkrise: Pfalzwerke setzen weiter auf massive Expansion bei E-Ladestationen – Experten warnen
Die Herausforderungen im Markt für Elektromobilität sind offensichtlich. Im letzten Jahr wurden in Deutschland noch 32.733 neue Schnellladestationen errichtet, für 2024 wird jedoch ein Rückgang auf rund 16.000 erwartet. Auch Europas führender Hersteller von Schnellladesäulen, Alpitronic, plant eine Reduzierung seiner Produktion.
Inmitten dieser schwierigen Marktlage entschieden sich die Pfalzwerke dennoch, in EnerCharge zu investieren, einen ihrer bisherigen Lieferanten. Paul Anfang erklärte, das Ziel sei gewesen, die „Wertschöpfungskette in einem zunehmend kompetitiven Umfeld zu erweitern.“ Trotz des Misserfolgs bei EnerCharge betont Anfang, dass die Insolvenz die langfristigen E-Mobilitätspläne der Pfalzwerke nicht beeinträchtigen werde.
Bis 2030 plant Anfang, das Lade-Netzwerk der Pfalzwerke auf 10.000 Ladepunkte auszubauen. Doch Branchenexperten wie Sebastian Henßler vom Portal elektroauto-news äußern Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher großen Investitionen durch einen kommunalen Energieversorger. Der Markt für internationale Elektro-Infrastrukturbetreiber sei hart umkämpft, und es sei fraglich, ob ein kommunaler Anbieter wie die Pfalzwerke hier langfristig bestehen könne.
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