Niedersachsen warnt vor wirtschaftlichem Fiasko: Dringender Appell an Scholz, Strompreise zu senken

Die rot-grüne Regierung in Niedersachsen, Unternehmergruppen, Arbeitnehmervertretungen und lokale Energieanbieter appellieren an Kanzler Olaf Scholz dringend, die Strompreise zu senken. Andernfalls könnte es überall in Deutschland zu massiven Jobverlusten kommen. Dies könnte auch das Ende der Umstellung auf erneuerbare Energien bedeuten (Welt: 20.07.23).


Alarmstufe Rot-Grün: Niedersachsens dramatischer Appell an die Bundesregierung zur Senkung der Energiepreise

Die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen ist nicht besonders rebellisch. Ganz im Gegenteil. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist nicht zufrieden mit der Dreierkoalition in Berlin. Trotzdem zeigte er sich in den letzten anderthalb Jahren loyal. Auch seine Ministerkollegen taten dies. Sie blieben ihren Parteifreunden in der Bundesregierung und Olaf Scholz treu.

Energiepreis-Krise: Der dramatische Hilferuf von Regierung und Verbänden aus Niedersachsen vor dem wirtschaftlichen Kollaps
Energiepreis-Krise: Der dramatische Hilferuf von Regierung und Verbänden aus Niedersachsen vor dem wirtschaftlichen Kollaps
Bild: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Beim Thema Strompreis kritisierte Weil immer wieder die aus seiner Perspektive nachlässige Passivität der Bundesregierung, ähnlich wie ein Wanderprediger. Aber ohne Erfolg. Stephan Weil warnte oft leise. Seine Warnungen betrafen die Wettbewerbsprobleme energieintensiver Unternehmen. Das Kanzleramt und das Finanzministerium beachteten diese Warnungen jedoch kaum. Lars Klingbeil, der Bundesvorsitzende der SPD, unterstützte Weil. Klingbeil kommt auch aus Niedersachsen. Aber auch seine Unterstützung konnte die ablehnende Haltung der Dreierkoalition nicht verändern.

Niedersachsen versucht es erneut. Diesmal sind die Methoden deutlicher. Die rot-grüne Landesregierung arbeitet mit Wirtschaftsverbänden zusammen. Dazu gehören Niedersachsenmetall und UV Niedersachsen. Auch die Industrie- und Handelskammer ist beteiligt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Verband kommunaler Versorger machen ebenfalls mit. Sie alle senden ein Alarmsignal an die Bundesregierung. Alle zusammen warnen vor erheblichem Arbeitsplatzverlust. Sie warnen auch vor einem Scheitern beim Wechsel zu erneuerbaren Energien. Das könnte passieren, wenn der Bund die Energiepreise nicht senkt. Die Preissenkung sollte bis spätestens 1. Januar 2024 umfassend erfolgen.. Dies betrifft nicht nur energieintensive Betriebe, sondern alle, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen und Endkunden.


Energiepreis-Krise: Der dramatische Hilferuf aus Niedersachsen vor wirtschaftlichem Kollaps

Dies ist ein lauter Hilfeschrei eines breiten Zusammenschlusses aus Politik, Wirtschaft und lokalen Energieanbietern. Es ist eine letzte Warnung vor einem durch zu hohe Energiepreise verursachten wirtschaftlichen Zusammenbruch.

Der Appell fordert dringende Maßnahmen. Sie sollen eine wirtschaftliche Katastrophe verhindern. Die Bundesregierung soll diese Maßnahmen so schnell wie möglich starten. Das sollte definitiv noch in diesem Jahr passieren. Beispielsweise sollte die Stromsteuer, die aktuell 2,05 Cent pro Kilowattstunde beträgt, „auf das europäische Minimum“ reduziert werden. Laut dem Wirtschaftsministerium in Niedersachsen entspricht das ungefähr 0,5 Cent pro Kilowattstunde. Alle Netzgebühren, die momentan über den Strompreis abgerechnet sind, sollten in Zukunft „vollständig aus dem Strompreis entfernt und aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden“.

Auf diese Weise hoffen die Leute in Niedersachsen, ein Ungleichgewicht im deutschen Strompreissystem zu korrigieren. Denn Strom ist in den norddeutschen Bundesländern aufgrund der dort höheren Netzgebühren teurer als beispielsweise in Süddeutschland.

Transformationsstrompreis und Sonderabschreibungen als Rettungsanker für energieintensive Industrien

Das Bündnis aus Niedersachsen hat einen weiteren Vorschlag. Es geht um Unternehmensinvestitionen, die den Energieverbrauch reduzieren. Sie meinen, die Bundesregierung sollte nun handeln. Sie sollte die speziellen Abschreibungsmöglichkeiten aus dem Dreierkoalitionsvertrag umsetzen. Das Bündnis hat auch eine Idee für Investitionen. Diese Investitionen sollten die Produktionsprozesse auf Klimaneutralität umstellen. Sie könnten auch dazu dienen, Unternehmen mit erneuerbaren Energien selbst zu versorgen. Für diese Investitionen sollte eine Prämie von bis zu 25 Prozent angeboten werden.

Sehr energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie und die Produzenten von Grundstoffen und Stahl, die aufgrund der hohen Preise in Deutschland bereits Produktionskapazitäten eingestellt haben, sollten aus Sicht des Bündnisses zusätzliche Unterstützung erhalten. Ministerpräsident Weil hat schon mehrfach einen sogenannten Transformationsstrompreis von sieben Cent pro Kilowattstunde für Großverbraucher vorgeschlagen. Dieser sollte energieintensiven Unternehmen vom Staat garantiert werden, bis der Strompreis durch den Ausbau der erneuerbaren Energien auf dem Markt auf ein für die betroffenen Branchen akzeptables Niveau fällt. Aktuell zahlen energieintensive Betriebe wie Stahl- und Chemiewerke etwa 13 Cent pro Kilowattstunde Strom.

Ein Preis, der nach Meinung des Industrieverbands Niedersachsenmetall eine „weitere Abkehr von der Industrie an unserem Standort“ bewirken könnte – mit all den dazugehörigen Konsequenzen. „Die gesamte Wertschöpfung und Beschäftigung könnten grundlegend betroffen sein“, fasst der Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt die Situation zusammen. Er mahnt die Bundesregierung, nicht einfach nur zuzuschauen, wie das industrielle Vermögen schwindet. Betriebsverlagerungen an Orte, wo die Produktionskosten niedriger sind, sind schon jetzt „eine reale Größe, keine hypothetische Bedrohung“.


Ohne rasche Handlungen riskiert Deutschland massiven Jobverlust und ein Scheitern der Energiewende

Noch dringlicher drückt es Andreas Philippi, der Arbeitsminister von Niedersachsen (SPD), aus: „Falls die Bundesregierung nicht rasch handelt, könnten in der energieintensiven Industrie massiv Arbeitsplätze verloren gehen. Eine Welle von Abwanderungen wäre eine Katastrophe für die Arbeitskräfte und für den Wirtschaftsstandort.“

Olaf Lies, Niedersachsens Wirtschaftsminister und Mitglied der SPD, betont neben dem möglichen Stellenabbau eine weitere Bedrohung, die mit konstant hohen Energiepreisen verbunden ist: Beide, die Energiewende und die Verkehrswende, könnten seiner Meinung nach an den „extrem hohen“ deutschen Strompreisen scheitern. Einerseits, weil Unternehmen aufgrund der hohen Stromkosten zögern könnten, in umweltfreundlichere Produktionsmethoden zu investieren. Andererseits, weil Verbraucher den notwendigen Umstieg auf Elektromobilität und Wärmepumpen vermeiden könnten, wenn die Strompreise zu hoch sind. „Wer auf Elektromobilität umsteigen möchte“, so Lies, ‚braucht verlässliche Strompreise‘.

Niedersachsens Wirtschaftsminister, der die Initiative von Politik, Unternehmen und Gewerkschaften koordiniert hat, rechnet damit, dass die notwendigen Strompreis-Subventionen den Bund etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr kosten könnten. Obwohl das viel Geld ist, meint Lies gegenüber WELT, sollte man „nicht nur darauf schauen, was es kostet, sondern auch darauf, was passiert, wenn wir es nicht machen“.

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