Mogelpackung Fernwärme – Wärmenetze grüner darstellt als sie wirklich sind

Die Fernwärme in Baden-Württemberg entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Mogelpackung, denn es steckt ein gewaltiger Widerspruch zwischen grüner Rhetorik und fossiler Realität. Noch stammen zwei Drittel der Energie in den Wärmenetzen aus Gas, Kohle und Öl – trotzdem wirbt EnBW mit CO₂-neutraler Wärme. Diese angebliche Klimaneutralität existiert bislang vor allem auf dem Papier. Der Weg zu echter Nachhaltigkeit verlangt milliardenschwere Investitionen und konsequente politische Entscheidungen (swr: 08.10.25).


Fernwärme als Mogelpackung

EnBW präsentierte ihre Fernwärme in Stuttgart mit dem Versprechen „Null CO₂-Emissionen“. Doch laut dem Wärmeplan der Stadt stammt der Großteil der Energie weiterhin aus fossilen Quellen. Eine Analyse von SWR zeigt, dass landesweit etwa zwei Drittel der Wärmenetze mit Gas, Kohle oder Müllkraftwerken betrieben sind. Die Technische Universität Dresden hat die CO₂-Neutralität der Netze zwar zertifiziert – jedoch auf Basis der Stromgutschriftmethode, die Emissionen rechnerisch auf null setzt. Eine solche Bilanzierung wirkt wie eine Mogelpackung, denn sie verschleiert den fossilen Anteil der Energie.

Mogelpackung Fernwärme: Baden-Württemberg verkauft Wärmenetze als klimaneutral – die Realität sieht allerdings anders aus
Mogelpackung Fernwärme: Baden-Württemberg verkauft Wärmenetze als klimaneutral – die Realität sieht allerdings anders aus

EnBW verweist auf Investitionen und betont Fortschritte beim Umbau. Dennoch bleibt die Klimaneutralität bislang ein theoretisches Ziel. Die Diskrepanz zwischen Marketing und Realität gefährdet das Vertrauen der Verbraucher und lenkt von den eigentlichen Herausforderungen ab.

Der Weg zur echten Nachhaltigkeit

Bis 2040 soll die Wärmeversorgung landesweit umgestellt sein. Wärmenetze gelten als Hoffnungsträger, weil sie ganze Stadtviertel effizient mit Energie versorgen können. Der Anteil liegt derzeit bei zwölf Prozent, bis 2040 sollen es 40 Prozent sein. Das erfordert massive Bauarbeiten, neue Leitungen und hohe Investitionen.

Stuttgart will bereits 2035 klimaneutral sein und setzt auf Nachhaltigkeit durch erneuerbare Quellen. Doch ohne klare Vorgaben und ausreichende Finanzierung droht der Umbau zur nächsten Mogelpackung. Kommunen klagen über fehlende Fördermittel, während Energieversorger über steigende Kosten berichten.

Milliardenkosten und technologische Grenzen

Laut einer Studie von Agora Energiewende kostet der Umbau der Wärmenetze bundesweit über 100 Milliarden Euro. Energieversorger stoßen an finanzielle und personelle Grenzen. Die KEA-BW fordert daher stabile Rahmenbedingungen. Ohne langfristige Planung gerät das Ziel echter Klimaneutralität in Gefahr.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist Wasserstoff. Stuttgart und EnBW setzen stark darauf, doch Experten warnen vor überzogenen Erwartungen. Matthias Neumeier von der KEA-BW betont, die Nutzung hänge „von Preis und Verfügbarkeit“ ab. Fachleute empfehlen stattdessen Nachhaltigkeit durch Biomasse und industrielle Abwärme. Überzogene Hoffnungen auf Wasserstoff könnten die Wärmewende erneut zur Mogelpackung machen.


Ambitionierte Pläne – unklare Ergebnisse

Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) hält die Pläne vieler Kommunen für „sehr ambitioniert“. Der aktuelle Anteil erneuerbarer Energien liegt bei rund einem Drittel, Abwärme macht nur fünf Prozent aus. Die Regierungspräsidien prüfen die Pläne, betrachten sie aber nicht als verbindlich.

Das Wärmeplanungsgesetz schreibt vor, dass bis 2040 mindestens 80 Prozent der Energie in den Wärmenetzen aus erneuerbaren Quellen oder Abwärme stammen müssen. Eine regelmäßige Überprüfung soll Fortschritte sichern – doch ohne solide Finanzierung droht auch dieses Vorhaben zur Mogelpackung zu werden.

Ulm und Karlsruhe als positive Beispiele

Einige Städte beweisen, dass Nachhaltigkeit möglich ist. Ulm deckt bereits 63 Prozent seiner Fernwärme aus erneuerbaren Quellen, Karlsruhe nutzt fast die Hälfte der Wärme aus industrieller Abwärme. Diese Städte zeigen, dass echte Klimaneutralität erreichbar ist, wenn konsequent geplant und umgesetzt wird.

Während Ulm und Karlsruhe auf Transparenz und Effizienz setzen, täuscht Baden-Württemberg vielerorts mit einer Mogelpackung über den tatsächlichen Fortschritt hinweg. Nur mit ehrlicher Bilanzierung, technologischem Mut und nachhaltiger Finanzierung kann aus der grünen Illusion endlich Realität entstehen.

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