Kurswechsel in der Energiepolitik – Dänemark erwägt Einstieg in Atomkraft

Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen zeigt sich offen für eine Neubewertung der Atomkraft. Gemeinsam mit den Koalitionspartnern Venstre und den Moderaten denkt sie über eine Lockerung des geltenden Verbots in Dänemark nach. Besonders bemerkenswert: Die Sozialdemokraten galten jahrzehntelang als entschiedene Gegner dieser Technologie (nyheder: 06.05.25).


Wind bleibt Priorität – doch Atomkraft nicht ausgeschlossen

Trotz dieser Öffnung hebt Frederiksen weiterhin die Bedeutung der Windenergie hervor. „Die billigste und die schnellste Lösung für die grüne Wende in Dänemark bleibt die erneuerbare Energie“, betont sie. Dennoch schließt sie eine Reform des Atomgesetzes nicht aus. Das bisherige Verbot aus dem Jahr 1985 untersagt den Einsatz von Atomkraft in der dänischen Energieplanung. Venstre-Vorsitzender Troels Lund Poulsen kündigte an, diesen Passus streichen zu wollen.

Dänemark prüft die Rückkehr zur Atomkraft: Premierministerin Mette Frederiksen zeigt sich offen für eine Neubewertung
Dänemark prüft die Rückkehr zur Atomkraft: Premierministerin Mette Frederiksen zeigt sich offen für eine Neubewertung

Frederiksen verweist auch auf sicherheitspolitische Aspekte. Europa solle sich besser auf Atomkraft stützen, als weiter russisches Gas zu importieren. Diese Haltung unterstreicht eine neue Pragmatik, die sich auch an internationalen Entwicklungen orientiert.

Industrieinteresse trifft auf politische Zurückhaltung

Einige kleine dänische Unternehmen beschäftigen sich inzwischen mit innovativen Atomtechnologien. Frederiksen möchte deren Potenziale nicht von vornherein ausschließen. Atomkraft dürfe nicht mehr als ideologisches Tabu gelten, sondern müsse nüchtern geprüft werden. Sie erklärt: „Ich finde nicht, dass wir im Weg stehen sollten.“

Zwar betont die Regierungschefin, dass der Bau neuer Atomkraftwerke viele Jahre dauere und die Entsorgung des entstehenden Abfalls erhebliche Herausforderungen mit sich bringe. Dennoch sieht sie Handlungsbedarf: Der Ausstieg aus fossilen Energien sei unumgänglich – und Atomkraft könne, insbesondere im europäischen Verbund, dabei helfen.

Tiefe Gräben zwischen den politischen Lagern

Innerhalb des Parlaments spaltet das Thema weiterhin die Lager. Die bürgerlichen Parteien zeigen sich überwiegend aufgeschlossen gegenüber der Kernenergie. Dagegen lehnen SF, die Einheitsliste und die Radikalen Atomkraft strikt ab. Auch die Sozialdemokraten zählen in Dänemark traditionell zu den Gegnern.

Das zeigte sich erst kürzlich, als der sozialdemokratische Abgeordnete Jesper Petersen das Scheitern eines Vorschlags zur heimischen Atomproduktion öffentlich begrüßte. Auf der Plattform X lobte er die Entscheidung und verwies auf „schnellere und günstigere Alternativen“ im Inland.


Neue Dynamik innerhalb der Sozialdemokratie

Frederiksens jüngste Äußerungen stehen im Kontrast zur offiziellen Parteilinie. Ihre Offenheit für Atomkraft markiert eine potenzielle Wende. Dass sie „nichts dagegen hat“, wenn andere europäische Länder auf Atomkraft setzen, verdeutlicht die Distanz zur bisherigen Haltung. Auch ihre Feststellung, dass Dänemark bislang keine Atomkraft nutzt und diese erst langfristig verfügbar wäre, lässt Raum für Entwicklungen in der Zukunft.

Inmitten geopolitischer Krisen und steigender Energiepreise scheint nun selbst das bisher Undenkbare denkbar. Zwar bleibt Windenergie die erklärte Priorität, doch die Tür zur Kernkraft steht erstmals seit Jahrzehnten einen Spalt offen.

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