Feste Industriestrompreise könnten den Vormarsch von grüner Energie stoppen. Ein festgesetzter Preis für Industriestrom macht grüne Energie weniger attraktiv. Manche Investoren in erneuerbaren Energie-Projekte zögern bereits. Ein subventionierter Preis könnte den Anstieg von grünen Energien verlangsamen. Der feste Preis macht Investitionen in Wind- und Solaranlagen unprofitabel, so eine Untersuchung des Handelsblatts bei Anlagenbesitzern (handelsblatt 10.09.23).
Grüne Zukunft auf der Kippe: Wie Industriestrompreise Solarpark-Projekte gefährden
Im Münsterland plant der Landwirt Bernd Kortmann, auf 4 Hektar einen Solarpark mit 3,3 Megawatt (MW) zu bauen. Doch Diskussionen über den Industriestrompreis bedrohen das Vorhaben. Trotz vorhandener Baugenehmigung und einer Leitungsverbindung zum Netz neben dem Gelände meint Kortmann: „Der Acker ist bereit für den Bau.“ Aber das Projekt scheint immer unwahrscheinlicher zu werden. Er rechnet mit einem Preis von 8 Cent pro Kilowattstunde, also 80 Euro pro Megawattstunde, um die Investition rentabel zu machen. Ein lokales Unternehmen möchte den Strom kaufen.
Steigendes Interesse an langfristigen Stromverträgen. Kortmann betont, dass man auf Entscheidungen aus Berlin warte. Kein Unternehmen zahlt 8 Cent, wenn es subventionierten Strom für 6 Cent erhält. Kortmann meint, dass das verständlich ist. Aber wenn das so weitergeht, zieht er sich zurück. Sein Fazit: „Mit dem subventionierten Preis untergräbt Bundeswirtschaftsminister Habeck seine eigenen Vorhaben für grüne Energie.“ Viele Firmen sichern ihre grüne Energiezukunft mit sogenannten Power Purchase Agreements (PPA). Solche Verträge kann man direkt mit Wind- und Solarparkbetreibern oder über Energieanbieter abschließen. Kürzlich hat Shell 600 Megawatt Solarstrom aus einem ostdeutschen Park gekauft. Die Hälfte verkauft Shell an Microsoft, den Rest nutzt das Unternehmen. Dieser Vertrag läuft über 15 Jahre.
PPAs sind besonders bei neuen Wind- und Solarprojekten wichtig. Wer keine Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bekommt, braucht andere Garantien für den verkauften Strom. Der große Vorteil von PPAs? Sie bieten vorhersehbare Preise.
Industriestrompreis-Debatte: Bedroht günstiger Strom die grüne Energiezukunft?
Direktstromverträge schützen gegen Preisschwankungen für fünf bis zehn Jahre, erklärt Stefan-Jörg Göbel, Deutschlandchef von Statkraft. Doch seit die Strompreise stark schwanken, zögern Kunden mit neuen Verträgen. Sie warten auf mögliche Entscheidungen zu Industriestrompreisen.
Viele Menschen diskutieren aktuell über die Höhe des Strompreises für Industrien. Es gibt Überlegungen, den Preis auf 50 bis 60 Euro pro Megawattstunde zu fixieren. Energieintensive Firmen könnten so von günstigeren Preisen profitieren. Doch das wirft Fragen auf: Ist das für den Mittelstand gerecht? Bundesfinanzminister Christian Lindner lehnt diese Pläne ab und betont, der Mittelstand hätte nichts davon. Bundeskanzler Olaf Scholz ist seiner Meinung.
Die mögliche Einführung eines festen Industriestrompreises hat bereits Auswirkungen. Unternehmen zögern mit dem Abschluss neuer Direktstromverträge, bekannt als PPAs. Diese Verträge kosten oft zwischen 70 und 100 Euro pro Megawattstunde. Ein Brancheninsider ist sicher: Ein fester Industriestrompreis könnte den Bau neuer Wind- und Solarparks behindern. Wer will schon in teure grüne Energie investieren, wenn man Strom billiger bekommen kann?
Mittelständler zögern: Industriestrompreis und grüne Energie im Konflikt
Giganten wie Volkswagen investieren bereits massiv in erneuerbare Energie. Bei kleinen und mittleren Firmen sieht die Sache aber anders aus. Für sie zählt vor allem, wie teuer der Strom ist. Ein spezieller Strompreis für Industrie könnte hier eine Lösung sein.
Ein Vorschlag ist, diesen speziellen Industriestrompreis nur für Strom zu nutzen, den Firmen täglich frisch einkaufen. So könnten Firmen weiterhin grünen Strom über langfristige Verträge, sogenannte PPAs, beziehen. „Die Preise für langfristige PPAs sind … auf hohem Niveau geblieben“, erklärt Daniel Parsons, Europachef für das PPA-Geschäft von Baywa Re.
Direktstromverträge, oder PPAs, sind vor allem in den USA und Europa beliebt. Die Nachfrage steigt, und 2022 war ein Rekordjahr mit 37 Gigawattstunden an verkaufter grüner Energie. Bis zum Jahr 2030 könnten diese Verträge sogar acht Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland abdecken.
Große Industrieunternehmen wie BASF planen, ihren CO₂-Ausstoß massiv zu reduzieren. Das erfordert eine Menge grünen Strom. Prozesse, die jetzt noch mit Kohle oder Gas laufen, müssen auf Elektrizität umgestellt werden. Das bedeutet: Der Bedarf an Strom steigt, und das erhöht die Nachfrage nach grünen Energien.
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