Habecks Plan für dauerhaft günstigen Industrie-Strom

Wirtschaftsminister Habeck beabsichtigt, den Strompreis für die Industrie dauerhaft auf 6 Cent zu stabilisieren (Handelsblatt: 05.05.23). Der Wirtschaftsminister steht massiv unter Druck. Mit dem Atomausstieg und dem vorgezogenen Kohleausstieg ist Strom in Deutschland mittlerweile knapp und deshalb teuer. Die Strategie, die Kosten mit Gaskraftwerken in Grenzen zu halten, ist mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs krachend gescheitert. Auch die mantraartige Behauptung, mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien würden die Strompreise sinken, hat sich bis heute nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, Deutschland hat einen der höchsten Strompreise der Welt und erste Industriezweige verlegen ihre Produktion bereits ins Ausland (Blackout-News: 04.05.23). Um weitere Abwanderungen zu verhindern, will Habeck den Strompreis für die Industrie staatlich subventionieren. Die Kosten von 25, 30 oder gar50 Milliarden spielen für ihn kaum eine Rolle.


Industriestrom-Preis: Sensibles Thema für Deutschland

Der Strompreis für die Industrie ist ein sensibles Thema. Billiger Strom für die Industrie wird seit Langem von Unternehmensverbänden, der energieintensiven Industrie und den Gewerkschaften gefordert. Der politische Druck ist hoch, den erste energieintensive Unternehmen verlegen ihre Produktion bereits in die USA oder nach China.

Habecks Plan für günstigen Industrie-Strom: Kurzfristige Maßnahmen sind notwendig, selbst wenn sie teuer sind
Habecks Plan für günstigen Industrie-Strom: Kurzfristige Maßnahmen sind notwendig, selbst wenn sie teuer sind

Nicht nur Branchen, die direkt mit Strom produzieren, wie Aluhütten, sind betroffen. Auch jene, die indirekt davon abhängen, wie die Stahlindustrie – Thyssenkrupp Steel Europe oder die Salzgitter AG – planen, bald zumindest teilweise auf die emissionsfreie Direktreduktion umzustellen. Hierfür benötigen die Stahlhersteller grünen Wasserstoff. Um diesen zu produzieren, ist sehr viel Strom erforderlich. Ein subventionierter Preis scheint daher logisch und unvermeidlich. Doch er ist heikel, weil Ökonomen davor warnen, Energie über Jahre hinweg zu subventionieren, Preissignale zu verfälschen und Sparanreize wegfallen zu lassen. Langfristig sollen günstige, erneuerbare Energien die Lösung sein. Doch langfristig hat die Industrie den Standort Deutschland längst verlassen.

Habecks Industriestrom-Plan: Kurzfristige Maßnahmen sind notwendig, selbst wenn sie teuer sind

Das ist nun offenbar auch die Einsicht, die Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck bei seinem Vorschlag für einen Industriestrom-Preis zugrunde gelegt hat: Wir müssen kurzfristig etwas tun, selbst wenn es teuer ist – und wir möglicherweise in Konflikt mit EU-Beihilferecht geraten. Das Risiko ist schlicht zu hoch, dass andernfalls für die Zukunft kritische Wirtschaftszweige wegbrechen.

Habecks 6-seitige „Arbeitspapier“ geht davon aus, dass der Strompreis im Großhandel in den kommenden Jahren zwischen 100 und 150 Euro pro Megawattstunde liegen wird, was etwa doppelt so hoch ist wie vor dem Krieg in der Ukraine. Für die energieintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, stellt dies eine „potentiell existenzbedrohende Herausforderung“ dar. Um diesem Problem zu begegnen, schlägt Habeck einen Industriestrom-Preis in zwei Schritten vor.


Langfristig günstiger Strom aus erneuerbaren Energien für Unternehmen ab 2030 geplant

Langfristig ab 2030 sollen Unternehmen auf Strom aus erneuerbaren Energien zugreifen können, der zu besonders günstigen Konditionen angeboten wird. Die Grundidee, die in den letzten Monaten bereits aufkam, betrifft Offshore-Windparks. Deren Finanzierung soll durch sogenannte Klimaschutzverträge, auch bekannt als Contracts for Difference (CfDs), erfolgen, um den Strom dann zu Gestehungskosten an die industriellen Verbraucher weiterzugeben. Die Möglichkeit solcher Ausschreibungen ist bereits im Windenergie-auf-See-Gesetz vorgesehen. Konkret bedeutet dies, dass in naher Zukunft ausgeschriebene Windparks Strom zu einem Preis von beispielsweise 6 Cent an die Industrie liefern müssen und durch Klimaschutzverträge entsprechende staatliche Förderung erhalten.

Das Papier besagt, dass Ähnliches demnächst für Windkraft an Land und Photovoltaik durch Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erfolgen soll. Das Wirtschaftsministerium gibt zu verstehen, dass dies noch Zukunftsmusik ist. Betroffene Unternehmen sind grundsätzlich aufgeschlossen, haben aber Bedenken, dass dieser Strom nicht grundlastfähig ist, was bedeutet, dass man nicht jederzeit sicher mit ihm rechnen kann. Um sich abzusichern, müssten sie dann Sicherungsmechanismen einbauen, die den Preis letztendlich wieder auf das Marktniveau treiben würden.

Wirtschaftsministerium plant Brückenstrompreis für energieintensive Industrie

Das Wirtschaftsministerium plant langfristig einen zweiten Mechanismus: Die Förderung von Power Purchase Agreements (PPAs) für die Industrie. PPAs sind Verträge zwischen einem Stromerzeuger und einem industriellen Abnehmer, in denen der Erzeuger die Zusage gibt, eine bestimmte Menge Strom zu einem festgelegten Preis zu liefern, meistens aus einer bestimmten Anlage wie beispielsweise einem Offshore-Windpark. Habeck schlägt vor, solche Verträge mit Bürgschaften abzusichern. Auch wenn dies eine gute Idee ist, ist sie kurzfristig jedoch nicht umsetzbar.

Das Wesentliche von Habecks Vorschlag steht auf Seite 4 seines Arbeitspapiers. Um die „Zwischenphase“ bis 2030 zu überbrücken und eine „intakte Grundstoffindustrie und neue Zukunftsunternehmen“ zu schaffen, soll ein „Brückenstrompreis“ von 6 Cent pro Kilowattstunde für einen „klar definierten Empfängerkreis“ gelten. Die Finanzierung dafür soll aus öffentlichen Mitteln erfolgen. Dies bedeutet, dass alles, was in den vorherigen drei Absätzen stand, vorerst vergessen werden kann. Der durchschnittliche Strompreis in Deutschland lag zuletzt laut EU-Statistiken bei über 19 Cent, während er in den USA für unter 5 Cent zu haben ist. In der Praxis liegt der Preis für energieintensive Unternehmen wahrscheinlich irgendwo zwischen 8 und 15 Cent.

Habecks Plan für eine befristete Strompreis-Senkung für energieintensive Unternehmen bis 2030

Habecks Plan konzentriert sich auf eine spezifische Gruppe von Empfängern, nämlich energieintensive Industrieunternehmen und neue energieintensive Transformationsindustrien wie beispielsweise Firmen, die Batterierecycling betreiben. Die Anzahl der Unternehmen, die infrage kommen, wird im Papier nicht genannt, jedoch dürften die 341 deutschen Unternehmen, die im Jahr 2021 Anspruch auf Strompreiskompensationen durch die EU hatten, eine Rolle spielen. Der Brückenstrompreis soll bis 2030 befristet und automatisch auslaufen. Er soll nur für 80 Prozent des verbrauchten Stroms gezahlt werden und sich am durchschnittlichen Börsenpreis des jeweiligen Jahres orientieren. Die Unternehmen sollen außerdem eine Transformationsverpflichtung, eine langfristige Standortgarantie und eine Selbstverpflichtung zur Tariftreue eingehen. Das Ministerium schätzt die Kosten bis 2030 auf etwa 25 bis 30 Milliarden Euro. Die Finanzierung soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erfolgen.

Die Pläne von Habeck ähneln sehr den Vorschlägen, die von den Sozialdemokraten kürzlich vorgelegt wurden. Bereits vor wenigen Tagen hatte Bernd Westphal, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ähnliche Pläne vorgestellt. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hatte letzte Woche ähnliche Vorschläge gemacht, wobei sein Schwerpunkt eher auf der Industrie lag und höhere Ausgaben vorgesehen waren. Weil hatte Ausgaben von etwa 7,5 bis 11,7 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt, was von 2024 bis 2030 Subventionen in Höhe von insgesamt mindestens 50 Milliarden Euro bedeuten würde – etwa das Doppelte des Habeckschen Vorschlags. Westphal hatte den Mittelstand in seinen Plänen stärker berücksichtigt.


Kann die Berliner Ampelkoalition den Strompreis massiv subventionieren?

Der Betrag von 25 oder 50 Milliarden Euro, der auf das Papier geschrieben wird, ist fast nebensächlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Berliner Ampelkoalition sich dazu durchringen kann, den Strompreis massiv zu subventionieren. Der Kanzler Olaf Scholz hatte sich bisher eher skeptisch gezeigt, obwohl er der Industrie vor zwei Jahren einen Industriestrom-Preis in Höhe von 4 Cent pro Kilowattstunde versprochen hatte. Auch Finanzminister Christian Lindner hat vergangene Woche deutlich gemacht, dass er kein Freund des Strompreises ist. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, warf Habeck vor, dass die Abschaltung der Atomkraftwerke das Angebot an günstigem Strom in Deutschland vermindert habe und dass Habecks Arbeitspapier den Eindruck vermittele, dass neue Dauerabhängigkeiten vom Staat geschaffen werden sollten. Die zuständige EU-Kommissarin hatte schon vor einigen Monaten deutlich gemacht, dass sie sehr wenig von der Idee eines Industriestrom-Preises hält und die EU-Kommission muss eine entsprechende Subventionierung beihilferechtlich genehmigen. Habecks Plan könnte dann, wie bereits seine geplante Gasumlage, als Luftnummer enden.

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