Trotz der Abschaltung der letzten deutschen Atommeiler knallt es bei den Grünen aufgrund eines gewaltigen internen Streits über den Ausbau der Solarkraft. Warum Robert Habeck mit seinem Ausbauplan für Solaranlagen in der eigenen Partei auf Widerstand stößt (fr: 24.04.23).
Grüne intern im Konflikt: Streit um Habecks Ausbauplan für erneuerbare Energie in Deutschland
Mit der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland haben die Grünen eines ihrer Hauptziele erreicht. Außerdem besetzen sie jetzt drei Bundesministerien – Landwirtschaft mit Cem Özdemir, Umwelt mit Steffi Lemke und Wirtschaft und Klima mit Robert Habeck – und haben damit die Möglichkeit, den Klimaschutz aktiv mitzugestalten. Doch der Gestaltungsprozess gestaltet sich mehr und mehr als schwer umsetzbar und führt nun innerhalb der Partei zum Konflikt.
Aktuell entbrennt bei den Grünen ein intensiver interner Streit über den konkreten Ausbau der erneuerbaren Energien, wie er nicht alltäglich ist. Robert Habeck setzt mit seinem Ausbauplan hohe Ziele für den Neubau von Photovoltaik-Anlagen und benötigt dringend Erfolgserlebnisse in diesem Bereich. Derzeit werden in Deutschland etwa neun Gigawatt an neuen Installationen pro Jahr hinzugefügt, doch ab 2026 sollen es 22 Gigawatt sein – dies ist ein entscheidender Eckpfeiler für die Energiewende. Derzeit kommen nur elf Prozent des deutschen Stroms aus Solarkraft stammen und diesen Anteil will Habeck mit seinem Ausbauplan bis zum Jahr 2030 verdoppeln.
Habecks Flächenplan sorgt für Spannungen in der Regierung
Um dieses Ziel zu erreichen, ist für Habeck vor allem eines von entscheidender Bedeutung: Flächen. Mit seinem Ausbauplan sieht er vor, jede zweite neue Photovoltaik-Anlage auf sogenannten Freiflächen zu errichten. Allerdings handelt es sich dabei genau um die Felder und Wiesen, die dem Landwirtschaftsminister Özdemir und der Umweltschützerin Lemke besonders am Herzen liegen. Ihre Bewertung der Vorschläge aus Habecks Haus ist daher äußerst problematisch.
Nun warten alle gespannt auf Habecks detaillierte Pläne zur Solarenergie, die er im Mai vorstellen will. Spätestens wenn diese Pläne zu Gesetzen werden, müssen die anderen Ministerien zustimmen. Angesichts des internen Streits dürfte dieser Prozess jedoch äußerst spannend werden.
Bauern versus Energieerzeuger – Grüner Konflikt um Solaranlagen
Das Landwirtschaftsministerium betont: Solaranlagen sind willkommen, jedoch nur auf „bereits versiegelten Flächen und wieder vernässten Mooren“. Das Bundesumweltministerium äußert Skepsis aufgrund der „ohnehin hohen Flächenkonkurrenz“. Mit anderen Worten: Habecks Ausbaupläne gehen zulasten der Landwirtschaft. Tatsächlich entspricht das Bild von Schafen, die unter PV-Anlagen im Schatten grasen, nicht unbedingt der Realität.
Der Wettbewerb um Flächen führt zu einer Konkurrenz zwischen Bauern und Energieerzeugern, wobei letztere in der Regel über mehr finanzielle Ressourcen verfügen. Dies liegt unter anderem daran, dass sich mit Solaranlagen auf derselben Fläche deutlich mehr Geld verdienen lässt als mit Landwirtschaft – der Unterschied beträgt mehrere Tausend Euro pro Hektar im Vergleich zu 500 Euro. Bereits jetzt treibt der Ansturm auf Ackerland die Preise in die Höhe, mit einem Anstieg von etwa 60 Prozent in den letzten zehn Jahren.
Habecks Ausbauplan für Solaranlagen im Spannungsfeld von Landwirtschaft und Umweltschutz
Darüber hinaus verweisen Beamte aus dem Umwelt- und Landwirtschaftsministerium auf die Probleme beim Ausbau der Windkraft, der bekanntlich oft am Widerstand von Bürgern und Kommunen scheitert. Die Befürchtung ist, dass Habecks Pläne zur Photovoltaik diese Bedenken verstärken könnten, wenn Wiesen und Felder mit Solaranlagen überzogen werden und dadurch der Ausbau sogar gebremst wird. Schließlich empfinden nicht alle Menschen Solaranlagen als ästhetisch ansprechend.
Laut Berechnungen des Deutschen Bauernverbandes werden in Deutschland jeden Tag 55 Hektar Land mit Gebäuden oder Straßen überbaut – das entspricht etwa 74 Fußballfeldern. Habecks Plan sieht vor, weitere 22 Hektar für Solaranlagen zu nutzen. Das bedeutet Abschied von Gänseblümchen und Willkommen zur Energiewende. Doch wo soll dann der Bio-Weizen herkommen?
„Das ist für uns nicht akzeptabel“, betont Udo Hemmerling, Vizegeneralsekretär des Bauernverbandes. „Wir sind ernsthaft besorgt, dass durch einen unkontrollierten Ausbau der Photovoltaik insbesondere ertragreiche Acker- und Grünlandflächen überbaut werden.“
Das Bundeswirtschaftsministerium erwidert: „Der Anteil von PV-Freiflächenanlagen an der landwirtschaftlich genutzten Fläche wird weiterhin minimal sein.“ Ein weiteres Argument lautet: Derzeit werden 14 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für Energiepflanzen wie Raps verwendet. Wenn mehr grüner Strom verfügbar ist, würde dieser Bedarf entfallen. Das Motto lautet also: Mehr Elektroautos, weniger Raps für E10-Sprit.
Potential von Dach- und Fassadenanlagen als Alternative zu Freiflächen
Das klingt zunächst überzeugend. Als Gegenargument führen Habecks Kritiker jedoch auf, dass im Notfall Flächen für E-Auto-Raps schnell für Nahrungsmittelanbau umgewidmet werden könnten. Sobald jedoch PV-Anlagen auf diesen Flächen stehen, ist dies nicht mehr möglich.
Die entscheidende Frage lautet also: Könnte Habeck seine Ausbauziele auch ohne die Nutzung solcher Freiflächen erreichen? Theoretisch ja, sagt das Umweltbundesamt: Es gibt ausreichend Potential für PV-Anlagen auf Dächern und Fassaden.
Das Umweltbundesamt räumt ein, dass es lange dauern würde – ein Tempo, das für Habeck viel zu langsam ist. Denn es gibt Probleme mit der Anbindung ans Stromnetz und der Bau von Solaranlagen auf Dächern und Fassaden ist deutlich teurer im Vergleich zu Freiflächen. Für das Wirtschaftsministerium spielen die Kosten eine wichtige Rolle. Ein anderer Faktor ist die Geschwindigkeit, da Investoren in der Regel wesentlich schnellere Genehmigungen für Freiflächen erhalten, insbesondere wenn sie in der Nähe von Autobahnen oder Bahngleisen liegen.
Die drei grünen Ministerien ringen derzeit um einen Kompromiss. Insider vermuten, dass es letztendlich auf eine Begrenzung des Flächenverlusts für Agrarflächen hinauslaufen wird.
Naturschutzorganisation fordert Begrenzung, alternative Lösungen in Diskussion
Die eine Naturschutzorganisation „Der BUND“, fordert beispielsweise, dass „maximal ein Drittel“ der neuen PV-Anlagen auf Freiflächen installiert werden sollte. Bisher war das Bundeswirtschaftsministerium jedoch nicht bereit, dieser Forderung nachzukommen. Eine alternative oder ergänzende Lösung könnte sein, das sogenannte Grundstücksverkehrsrecht zu überarbeiten, um es effektiver zu gestalten als die aktuelle Version. Dieses Gesetz gewährt Bauern unter anderem ein Vorkaufsrecht gegenüber Investoren.
Allerdings ist das Grundstücksverkehrsrecht in Deutschland Ländersache, und nicht alle Länder werden von den Grünen regiert. Daher scheint weiterer Streit vorprogrammiert zu sein.