Die Berliner Grünen-Fraktion hat ein neues Konzept vorgestellt: die „Lizenz zum Vermieten“. Ihr Ziel ist es, den Anstieg der Mieten in Berlin zu bremsen und soziale Standards durchzusetzen. Doch der Vorschlag ruft kontroverse Reaktionen hervor und wirft grundlegende Fragen zur Effektivität und den möglichen Nebenwirkungen auf (welt: 06.08.24).
Werner Graf, Fraktionschef der Grünen, betonte im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur: „Im Herbst bringen wir ein Gesetz ein, das klar festlegt, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um in Berlin vermieten zu dürfen.“ Laut Graf sollen Vermieter, die mindestens 80 oder 100 Wohnungen besitzen, von den neuen Regelungen betroffen sein. „Die genaue Anzahl der Wohnungen ist noch nicht endgültig festgelegt. Wir wollen gestaffelte Vorgaben je nach Größe des Wohnungsbestands“, erklärte er.
Neue Mietregeln: Höhere Mieten und weniger Wohnraum durch „Lizenz zum Vermieten“
Ein zentraler Bestandteil des neuen Gesetzes ist die Bereitstellung von Sozialwohnungen. Graf erläuterte: „Bei einem Bestand von 1.000 bis 3.000 Wohnungen müssen 15 Prozent Sozialwohnungen angeboten werden. Bei mehr als 3.001 Einheiten steigt dieser Anteil auf 25 Prozent. Größere Unternehmen sollen auch mehr leisten können“. Doch diese Vorgaben könnten Vermieter dazu verleiten, ihre Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln, um den neuen Auflagen zu entgehen. Dies würde den Mietmarkt weiter verknappen und die Preise ansteigen lassen.
Zusätzlich sollen Vermieter verpflichtet sein, ihre Wohnungen instand zu halten. Graf erklärte: „Es sollen regelmäßig Mittel in die Instandhaltung fließen, um zu verhindern, dass Vermieter nur Renditen erzielen und die Gebäude verfallen lassen.“ Doch Kritiker argumentieren, dass solche Regelungen den bürokratischen Aufwand erhöhen und die Kosten für Vermieter steigen lassen. Dies könnte letztendlich zu höheren Mieten führen, statt diese zu senken.
Neue Mietregeln: Bringt die „Lizenz zum Vermieten“ wirklich mehr Transparenz oder nur mehr Bürokratie?
Ein weiterer Bestandteil der Grünen-Initiative ist die Einführung von Transparenzvorgaben. Vermieter sollen künftig offenlegen, zu welchen Preisen ihre Wohnungen vermietet werden und ob Eigenbedarfskündigungen geplant sind. „Ein Miet- und Wohnungskataster für Berlin ist längst überfällig und könnte den Mietmarkt dämpfen,“ so Graf. Doch auch hier gibt es Bedenken, ob solche Maßnahmen tatsächlich preisdämpfend wirken oder nur zusätzlichen bürokratischen Aufwand erzeugen.
Zur Überwachung und Durchsetzung der neuen Regelungen schlagen die Grünen die Einrichtung einer neuen Behörde vor. „Wir setzen uns schon lange für ein Landesamt für Wohnungswesen ein, bei dem sich die Vermieter melden müssen,“ erklärte Graf. Doch die Schaffung einer neuen Behörde könnte zu weiteren Verwaltungskosten führen, ohne dass dadurch mehr oder günstigere Wohnungen geschaffen werden.
Heftige Kritik an Grünen-Vorschlag: „Lizenz zum Vermieten“ als realitätsferne Schnapsidee?
Die Reaktionen anderer Fraktionen auf diesen Vorstoß fielen überwiegend negativ aus. CDU-Bau- und Mietenexperte Christian Gräff bezeichnete die Idee als „Unsinn“. Er kritisierte die willkürliche Festlegung der Größe des Wohnungsportfolios und bezweifelte die preisdämpfende Wirkung eines Mietenkatasters. Auch AfD-Politiker Harald Laatsch äußerte sich kritisch: „Die Grünen verabschieden sich mit dieser Schnapsidee endgültig aus der Realität.“ Er hält die Mindestquote an Sozialwohnungen je nach Größe des Wohnungsbestandes für unrealistisch.
Die SPD-Fraktion zeigte sich ebenfalls skeptisch. Sevim Aydin, Sprecherin für Wohnen und Mieten, fragte, ob das Land überhaupt die gesetzliche Kompetenz für solche Regelungen habe. „Es wäre wichtig, hier keine Luftschlösser zu bauen und den Mietern keine falschen Hoffnungen zu machen,“ sagte Aydin. Die Linke hingegen zeigte sich offen für die Idee.
Realitätsferne und fehlender Mieterschutz
Werner Graf kritisierte die derzeitige Koalition von CDU und SPD scharf. „Schwarz-Rot tut nichts, um die Menschen vor steigenden Wohnkosten, Eigenbedarfskündigungen oder fehlenden Sozialwohnungen zu schützen“, meinte er. „Wenn es um den Mieterschutz geht, verlässt sich Schwarz-Rot alleine auf den Markt. In Berlin müssen wir uns wieder ernsthaft um den Mieterschutz bemühen.“
Abschließend betonte Graf die Notwendigkeit verbindlicher Maßnahmen. „Absichtserklärungen im Rahmen des freiwilligen Wohnungsbündnisses sind nicht ausreichend. Das Bündnis war von Anfang an zum Scheitern verurteilt“, kritisierte er. Das Bündnis zwischen Senat, Wohnungsverbänden und Vermietern diente laut Graf nur dazu, „ein, zwei schöne Fotos für Instagram zu posten.“
Doch aktuelle Entwicklungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt zeigen die Dringlichkeit einer anderen Herangehensweise. Kürzlich verschickte Vonovia, der größte private Vermieter Berlins, Tausende Mieterhöhungen. Der Konzern nutzte die gesetzliche Möglichkeit, die Miete innerhalb von drei Jahren um 15 Prozent zu erhöhen. Das 2022 gegründete Berliner Wohnungsbündnis hatte sich jedoch auf eine Kappungsgrenze von 11 Prozent geeinigt.
Graf kritisierte scharf: „Schwarz-Rot liefert die Berliner Mieter der Willkür aus. Ohne Regeln kann das nicht weitergehen. In den meisten Berufen benötigt man eine Ausbildung, um zu arbeiten. Aber vermieten darf jeder ohne jegliche Vorschriften. Das muss sich ändern.“
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