Julia Verlinden von den Grünen läuft Sturm gegen den Koalitionsvertrag von CDU und SPD – obwohl dieser zahlreiche grüne Projekte fortführt. Die Kritik richtet sich gegen Gaskraftwerke, fossile Heizungen und Mietrechtspläne. Doch viele dieser Maßnahmen basieren auf Konzepten, die unter grüner Verantwortung entstanden. Was jetzt als Gefahr beschrieben wird, stellt in weiten Teilen eine Fortsetzung früherer grüner Politik dar.
Fortsetzung grüner Projekte als Angriffspunkt
Im Zentrum der Kritik steht der geplante Ausbau neuer Gaskraftwerke. CDU und SPD wollen an bestehenden Standorten 20.000 Megawatt zusätzliche Kapazität schaffen. Diese sollen Versorgungslücken füllen und gleichzeitig den Strompreis stabilisieren. Verlinden sieht darin eine „verstörende Obsession für klimaschädliches Erdgas“ und warnt vor einem Wiederaufleben der Fossillobby.

Was sie jedoch verschweigt: Der Einsatz von Gaskraftwerken als Brückentechnologie war Teil der Energiepolitik, die unter grüner Beteiligung entstand. Auch dort galt Gas als notwendig, um den Ausstieg aus der Kohle abzufedern. Der Unterschied: CDU und SPD verzichten nun auf einen verpflichtenden Umstieg auf Wasserstoff – ein Ziel, das die Grünen bislang selbst nicht verbindlich verankern konnten.
Heizkosten und CO₂-Preis: Warnung vor bekannten Effekten
Verlinden spricht von einer Kostenfalle für Haushalte. Der steigende CO₂-Preis mache fossile Heizungen bald unbezahlbar. Dennoch war es die grüne Klimapolitik, die diese Preisdynamik mit angestoßen hat – als Mittel, um klimaschädliche Technologien unattraktiv zu machen.
Auch die Aufhebung des Heizungsgesetzes durch CDU und SPD trifft auf scharfe Ablehnung. Verlinden erkennt darin eine Einladung, weiter auf Gasheizungen zu setzen. Gleichzeitig bleiben klare Alternativen auf breiter Ebene Mangelware. Die Forderung nach klimafreundlichem Heizen kommt also ohne belastbares Konzept zur Umsetzung.
Mietrecht ohne Richtung: Kritik trotz politischer Kontinuität
In der Wohnungspolitik zeigt sich ein ähnliches Muster. Verlinden spricht von „schlechten Nachrichten für alle, die eine Wohnung suchen“. Die Mietpreisbremse werde zwar verlängert, bleibe jedoch ineffektiv. Doch auch unter grüner Regierungsbeteiligung geschah nichts, um Ausnahmen und Umgehungstatbestände zu schließen.
Die Verschiebung weiterer Reformen in eine Expertenkommission kritisiert Verlinden als politisches Versagen. Allerdings hatte ihre Partei selbst ähnliche Projekte ausgebremst oder vertagt. Die aktuelle Aufregung erscheint daher weniger als konsequente Opposition – und mehr als nachträglicher Versuch, sich von eigenen Schwächen abzusetzen.
Soziale Projekte ohne Umsetzung
Besonders deutlich zeigt sich dieser Widerspruch beim Thema sozialer Wohnungsbau. Verlinden fordert zusätzliche Mittel aus dem Sondervermögen und eine neue Wohngemeinnützigkeit. Unternehmen sollen dauerhaft günstig vermieten und steuerlich entlastet werden. Diese Projekte zählen seit Jahren zu den zentralen Versprechen grüner Wohnungspolitik – umgesetzt wurden sie bislang kaum.
Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt, die Investitionen reichen nicht aus. Trotzdem präsentieren die Grünen sich nun als Mahner, während andere Parteien genau die Versäumnisse übernehmen, die sie selbst zu verantworten haben. Wer jetzt lautstark warnt, sollte zuvor auch gehandelt haben.
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