Das Genfer Startup Transmutex hat eine Technologie entwickelt, die den Atommüll erheblich reduzieren könnte. Während die Nagra die Berechnungen als plausibel einstuft, bleibt sie dennoch beim Endlager. Franz Strohmer, Leiter Brennstoff und Wiederaufbereitung bei Transmutex, präsentiert das Konzept im gut besuchten Gemeindesaal von Stadel ZH. Drei Kilometer entfernt soll ein Endlager für radioaktive Abfälle entstehen, was die Anwohner besonders interessiert. Strohmer erklärt, dass das Unternehmen den Atommüll nicht vergraben, sondern in einem neuartigen Reaktor rezyklieren und verbrennen möchte (nzz: 24.05.24).
Revolutionäre Technologie: Wie ein Genfer Startup Transmutex den Atommüll um 80 % reduzieren könnte
Gegründet 2019 und privat finanziert, beschäftigt Transmutex 38 Mitarbeiter aus 16 Nationen. Der Reaktor basiert auf einem Konzept des Physik-Nobelpreisträgers Carlo Rubbia, der eine Technologie entwickelte, die eine Kernschmelze wie in Tschernobyl oder Fukushima ausschließt. Dieser Reaktor nutzt vorhandenen Atommüll als Brennstoff und reduziert dessen Menge drastisch. Dieser Prozess wird als „Transmutation“ bezeichnet. Laut Transmutex könnte die Technologie den nuklearen Abfall in der Schweiz um über 80 Prozent verringern und die notwendige Strahlungsabklingzeit um das Tausendfache verkürzen. Nach 500 Jahren wäre der verbleibende Abfall ungefährlich.
Diese Berechnungen basieren auf Daten der Nagra, die für die Entsorgung radioaktiver Abfälle zuständig ist. Tim Vietor von der Nagra bestätigt die Plausibilität der Berechnungen und ergänzt: „Liesse sich die Transmutation anwenden, hätten wir weniger hochaktive Abfälle, jedoch mehr schwach- und mittelaktive Abfälle.“ Trotzdem bleibt die Nagra bei ihrer Planung für ein Tiefenlager.
Milliardenprojekt: Genfer Startup will Atommüll mit Mini-Reaktoren umwandeln – Gesetzesänderungen nötig
Laut Strohmer benötige man zur Umsetzung sechs Kleinreaktoren und eine Anlage zur Aufbereitung von 12.500 abgebrannten Brennelementen. Die Reaktoren hätten eine Leistung ähnlich der des Kernkraftwerks Leibstadt. Ein Prototyp würde etwa 1,5 Milliarden Euro kosten, während sich der Preis in Serienproduktion auf etwa 700 Millionen Euro reduzieren würde. Für die gesamte Umsetzung rechnet man mit Kosten von rund 6 Milliarden Euro. Neben der Stromproduktion könnten die Anlagen auch Spaltprodukte wie Cäsium-137 liefern, das bereits in der Tumorbehandlung verwendet wird.
In der Schweiz müssten jedoch zwei Gesetzesänderungen vorgenommen werden, da der Bau neuer Kernkraftwerke und die Aufarbeitung von Abfällen aktuell nicht erlaubt sind. Eine Volksinitiative zur Aufhebung des Neubauverbots für Kernkraftwerke wurde im Februar eingereicht.
Transmutex strebt auch international an, bis 2035 eine Zulassung der US-Nuklearbehörde zu erhalten und in weiteren Ländern Genehmigungen zu erlangen. Das Interesse an der Technologie ist groß, und es gibt Angebote zur Finanzierung. Eine ursprünglich geplante Zusammenarbeit mit Russland wurde nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine aufgegeben.
Die Zukunft des Endlagers
Die Nagra plant, im November ein Rahmenbewilligungsgesuch für das Endlager bei Stadel einzureichen. Der Beginn der Einlagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle ist ab 2050 und hochaktiver Abfälle ab 2060 geplant. Bis dahin bleibt Transmutex Zeit, um zu beweisen, dass ihr Konzept funktioniert. Die Abfälle wären nach der Einlagerung noch längere Zeit rückholbar, da das Lager nicht sofort vollständig verschlossen wird.
Nach Strohmers Vortrag im Gemeindesaal von Stadel äußern sich zahlreiche Anwohner. Ein Dorfbewohner lehnt die Idee einer Aufbereitungsanlage in seinem Dorf ab, während andere applaudieren. Die anwesenden Vertreter der Nagra verzichten jedoch auf ein gemeinsames Bild mit Transmutex.
Insgesamt zeigt sich, dass die Technologie von Transmutex das Potenzial hat, die Atommüllproblematik erheblich zu entschärfen, auch wenn noch einige Herausforderungen überwunden werden müssen.
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