In der letzten Woche hat die Bundesnetzagentur erstmals zwei von fünf Indikatoren für die Gaslage auf den Status „kritisch“ bzw. „angespannt“ hochgestuft. Der Grund ist die einsetzende Kälte, die den Gasverbrauch treibt. Die beiden Indikatoren sind die Temperatur und der Gasverbrauch (Business Insider, 10.12.2022).
Kälte als objektiver Indikator
Die Hochstufung des Temperaturindikators auf „kritisch“ hat nichts damit zu tun, dass allgemein Gas gespart werden muss. Vielmehr fiel die erste Dezemberwoche 2022 gegenüber den Vorjahren deutlich kälter aus. Der Gasverbrauch ist dementsprechend gestiegen. Auch dies ist ein Indikator, den die Behörde nun mit dem Status „angespannt“ bewertet. Dabei hält sie es für nötig, den Gasverbrauch keinesfalls zu stark steigen zu lassen. Er soll vielmehr den Vorjahresverbrauch um 20 % unterschreiten. Nur so lässt sich ein Gasmangel im Winter vermeiden.
Temperatur signifikant unter den Vorjahreswerten
Die Bundesnetzagentur begründete ihre Hochstufung des Temperaturindikators auf „kritisch“ mit der gemessenen und prognostizierten Temperatur für die nächsten beiden Wochen. Letztere liegt gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 um 2,38 °C niedriger. Dies betont die Bundesnetzagentur im vorliegenden Lagebericht. Allein aus dieser Temperaturdifferenz lässt sich ein deutlicher Mehrverbrauch ableiten, für den allerdings noch weitere Faktoren eine Rolle spielen, so etwa das fortgesetzte Einsparverhalten der Bürger und Unternehmen. Immerhin bewertet die Agentur auch den temperaturbereinigten Gasverbrauch mit „angespannt“. Das bedeutet, dass die Einsparungen gegenwärtig nicht genügen, um den Kälteeinbruch ohne einen außergewöhnlichen Mehrverbrauch beim Gas zu kompensieren.
Entspannung in den letzten Wochen
Seit Ende Oktober war in Deutschland Entspannung bei der Gaslage eingetreten. Da die Gasspeicher vorfristig gefüllt wurden und das Überschreiten der anvisierten Füllstände spätestens im Oktober sichtbar wurde, konnte die Bundesnetzagentur Entwarnung geben. Erstaunlich war dieser Erfolg, weil er trotz der ausbleibenden russischen Gaslieferungen gelang. Dazu hatten im Wesentlichen die Fortschritte bei den LNG-Terminals und die Einsparbemühungen beim Gas beigetragen. Die Gefahr eines echten Gasmangels schien damit für den kommenden Winter gebannt zu sein. Allerdings war bei allen Prognosen immer auf den Einfluss des nicht vorhersehbaren Wetters verwiesen worden. Dieses macht nun dem Optimismus vorläufig ein Ende: Die Gesamtlage ist aufgrund der Kälte wieder etwas angespannter.
Die fünf Indikatoren der Bundesnetzagentur für die Gaslage
Die Bewertung der Gaslage und anderer Versorgungsgrundlagen gehört zum Tagesgeschäft der Bundesnetzagentur. Sie ist als Bundesbehörde dafür zuständig und überwacht beispielsweise beim Gas (aber auch beim Strom und bei der Telekommunikation) sämtliche Daten zu Lieferungen und zum Verbrauch, beim Gas auch zur Speicherung. Das ist wichtig, weil sie bei einem eintretenden Gasmangel für die Zuteilung des Gases zuständig ist. Für die Überwachung der Situation beim Gas hat sie schon vor Jahren fünf Indikatoren eingeführt:
- Temperaturprognose
- temperaturbereinigter Gasverbrauch
- Speicherfüllstände
- Beschaffung von Regelenergie
- Situation der Nachbarländer
Jeder Indikator kann nach festen Kriterien den Status „stabil“, „angespannt“ bzw. „kritisch“ erhalten. Daraus leitet die Bundesnetzagentur ihre Beurteilung der Gesamtlage ab. Diese betrachtet sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch als „stabil“. Das liegt daran, dass weder die Speicherfüllstände noch die Situation bei unseren Nachbarn noch die Beschaffung erforderlicher Regelenergie (zum Beispiel durch Einkauf in EU-Nachbarländern) als kritisch zu betrachten sind.
Wie kommt es zur Einschätzung einer „kritischen“ Temperatur?
Solche Einstufungen erfolgen nach festen Vorgaben, wie die Netzagentur klar kommunizierte. Eine „kritische“ Situation bei der Temperatur entsteht automatisch, wenn eine Durchschnittstemperatur für die nächsten Tage prognostiziert wird, die den Durchschnitt der Vorjahre um 2,0 °C unterschreitet. Das hat nichts mit der Gaskrise zu tun. Auch ohne diese könnte eine kritische Temperatur schlimmstenfalls zu Versorgungsengpässen führen, was aber aufgrund der sehr gut ausgebauten Gasinfrastruktur und der bislang zuverlässigen Lieferungen (bis Anfang 2022) nie eingetreten ist. Aus der betreffenden Temperaturdifferenz errechnet sich ein Gasmehrbedarf von zwei Terawattstunden pro Woche. Wenn die Temperatur weiter so niedrig läge, würde das im gesamten Winter 44 TWh Mehrbedarf erzeugen. Das wären ~18 % der gesamten Speicherkapazität. Dies müssten die Versorger durch Mehrimporte und/oder die Verbraucher durch erhöhte Einsparungen ausgleichen.
Vorgaben der Bundesnetzagentur
Die Netzagentur weist darauf hin, dass der Gasverbrauch dauerhaft den Verbrauch der Vorjahre um 20 % unterschreiten muss. Das hat bislang auch funktioniert, denn in den letzten Wochen lag der Verbrauch sogar 30 % unter den Vorjahreswerten. Diese Anstrengungen dürften nun nicht nachlassen, so die Bundesnetzagentur.
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