Europas LNG-Importe bringen Länder in Asien in Not

Seit die russischen Gaslieferungen über die Ostseepipelines ausbleiben, kauft Europa am internationalen Markt Flüssiggas zu jedem Preis. Europa hat seine LNG-Importe um 65 Prozent gegenüber den Vorjahren erhöht. Damit steigen nicht nur die Gaspreise in Europa, sondern weltweit drastisch an. Dies hat erhebliche Folgen für viele Schwellen- und Entwicklungsländer in Asien (Zeit: 24.10.22).


Flüssiggas-Tanker stauen sich vor Europas Küsten

Mehr als 35 Tanker stauen sich vor der Küste Spaniens und warten darauf, ihr Flüssiggas an den LNG-Terminals entladen zu können. Die Wartezeit beträgt mittlerweile mehr als eine Woche, denn die europäischen Speicher sind randvoll. Im 9000 Kilometer entfernten Bangladesch, warten die Menschen vergeblich darauf, dass ein solcher Tanker wieder ein wenig Flüssiggas bringt. Dort sind die Gasspeicher mittlerweile nahezu leer und das hat bereits gravierende Auswirkungen. In Bangladesch fällt immer wieder der Strom aus. Anfang Oktober waren bereits 130 Millionen Menschen ohne Strom.

Europa kauft asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern das Gas weg.  LNG-Importe werden im Frühjahr nächsten Jahres noch weiter zulegen
Europa kauft asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern das Gas weg. LNG-Importe werden im Frühjahr nächsten Jahres noch weiter zulegen
Bild: LNG – 150 Millionen Dollar Gewinn pro Tanker

Europa kauft asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern das Gas weg

Die vollen Speicher in Europa und die leeren Speicher in Bangladesch hängen unmittelbar zusammen, denn das Gas welches nach Europa fließt, kaufen europäische Energieunternehmen als Flüssiggas im großen Stil auf dem Weltmarkt ein. Sie bezahlen nahezu jeden Preis, der dafür verlangt wird und überbieten damit die Einkäufer ärmer Länder in Asien, wie Bangladesch. Steve Hill, Vizechef des Mineralöl- und Erdgaskonzerns Shell, weist bereits seit längerem darauf hin. „Europa saugt das LNG aus den Weltmärkten. Das bedeutet, dass weniger in die Entwicklungsländer fließen wird.“

Dies bestätigt auch der neuste Bericht der internationalen Energiebehörde (IEA). Demnach haben europäische LNG-Importe in den ersten acht Monaten dieses Jahres ein Volumen von 43 Milliarden Kubikmetern mehr als im Vorjahreszeitraum erreicht. Dies entspricht einer Steigerung von 65 Prozent. Im gleichen Zeitraum sanken die LNG-Importe im asiatisch-pazifischen Raum um etwa 18 Milliarden Kubikmeter. Damit wurde in den klassischen Ländern für Flüssiggas mehr als sieben Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum importiert.

Besonders betroffen sind die südasiatischen Schwellen- und Entwicklungsländer. So gingen in Bangladesch die Flüssiggasimporte um zehn Prozent, in Indien um 14 Prozent und in Pakistan sogar um 19 Prozent zurück. Dort fehlen jetzt große Gasmengen, die sie im letzten Jahr noch zur Verfügung hatten.


Handelbares Weltmarktvolumen bei Flüssiggas ist stark eingeschränkt

Der Grund für die Entwicklung ist einfach, denn: „Das LNG-Volumen auf dem Weltmarkt ist relativ begrenzt. Kurzfristig lässt sich das Angebot nicht wahnsinnig stark steigern, weil Produktionskapazitäten im Flüssiggassektor dafür noch fehlen und auch die Frachterkapazitäten begrenzt sind“, erklärt der Energie-Ökonom, Andreas Fischer, vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Dazu kommt, dass 70 Prozent des weltweit verfügbaren LNG durch langfristige Verträge gebunden ist. Lediglich 30 Prozent werden noch frei gehandelt. Europa kauft praktisch den größten Teil davon weg und treibt damit die Preise immer weiter nach oben. Wirtschaftlich schwache Länder können bei den aktuellen Preisen einfach nicht mehr mithalten.

In Asien steigt die Wut über europäische Gaskäufe

In Bangladesch wächst deswegen die Wut auf Europa. „Wenn es hart auf hart kommt, ist es der globale Süden, der als Erstes im Dunkeln tappt und von den reichsten Ländern der Welt überboten wird. Wir werden aus der Energieversorgung herausgepreist“, schreibt Khondaker Moazzem vom Centre for Policy Dialogue in Dhaka.

Pakistan trifft der LNG-Mangel dagegen noch härter. Das Land hat nach einem katastrophalen Sommer mit Hitzewellen und einer Flutkatastrophe jetzt auch noch Probleme bei der Energieunsicherheit. Pakistan produziert ein Viertel des Stroms mit Flüssiggas, hat aber die gleichen Probleme wie Bangladesch an frei verfügbares LNG zu kommen. „Wegen des Ukraine-Krieges wurde jedes einzelne Molekül, das in unserer Region verfügbar war, von Europa aufgekauft“, sagte der pakistanische Erdölminister Musadik Malik dem Wall Street Journal. Pakistan musste deshalb bereits zwei Kraftwerke vom Netz nehmen.


Situation wird sich für asiatische Staaten im Frühjahr noch weiter verschärfen

Die Situation wird sich im Frühjahr nächsten Jahres für die betroffenen Staaten weiter verschärfen, denn nach dem Winter müssen die Europäer die Speicher wieder neu füllen. Diesmal ohne russisches Gas, welches in diesem Jahr noch bis zum September zu Verfügung stand. Deshalb muss Europa seine LNG-Importe noch weiter steigern. Auf der Angebotsseite wird sich die Verfügbarkeit bis dahin nicht steigern lassen. Die nächsten Rekordpreise bei Flüssiggas sind deshalb bereits vorprogrammiert.

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