Europas Windkraftmarkt steht vor einem potenziellen Umbruch: Chinesische Windkrafthersteller drängen immer stärker auf den Kontinent und könnten die Kosten für Windprojekte deutlich reduzieren. Dies könnte jedoch auch eine gefährliche Abhängigkeit Europas von China nach sich ziehen. Thomas Kusterer, Finanzvorstand der EnBW, erklärte kürzlich in einer Telefonkonferenz, dass das Unternehmen künftig möglicherweise auch chinesische Windturbinenhersteller in Betracht ziehen könnte. Dabei betonte er, dass wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen (montelnews: 12.08.24).
Chinesische Turbinenhersteller auf dem Weg zur Marktführerschaft in Europa
Aktuell stehen europäische und amerikanische Hersteller bei EnBW im Fokus, doch die Situation könnte sich schnell ändern. Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE), äußerte ihre Bedenken: „Wenn Europa jetzt nicht handelt, könnten chinesische Hersteller in zehn Jahren den Markt übernommen haben“. Chinesische Turbinen werden zu deutlich günstigeren Preisen angeboten – rund 50 % günstiger als europäische Anlagen, wie eine Mitteilung der EU-Kommission im April feststellte. Hinzu kommen attraktivere Zahlungsbedingungen.
Laut dem BWE müssen Projektentwickler chinesische Lieferanten oft erst nach Installation der Anlagen bezahlen. Im Gegensatz dazu fordern europäische Hersteller Anzahlungen bereits zu Beginn der Realisierungsphase, was oft mit dem Zuschlag in der Ausschreibung einhergeht. Diese vorteilhaften Konditionen werden durch staatliche Subventionen der chinesischen Regierung ermöglicht. Die EU-Kommission und verschiedene Branchenverbände, darunter Wind Europe und VDMA Power Systems, sind sich einig: Diese Subventionen haben chinesische Hersteller zu starken Wettbewerbern gemacht.
EU-Gegenmaßnahmen und Zukunftsperspektiven
Brüssel hat bereits reagiert. Der im Juni verabschiedete Net Zero Industry Act zielt darauf ab, bis 2030 mindestens 40 % des jährlichen Bedarfs an Netto-Null-Technologien innerhalb der EU zu produzieren. Nun kommt es auf die konkrete Umsetzung an. Bislang dominieren europäische Anbieter den Markt. Doch Heidebroek weist darauf hin: „Sobald chinesische Hersteller Service und Wartung ihrer Anlagen in Europa anbieten, werden sie eine ernsthafte Option für Projektentwickler.“
Für Europa stellt dies ein ernsthaftes Risiko dar. Die wachsende Abhängigkeit von China könnte gefährliche Folgen haben. „Jede Anlage ist prinzipiell vom Hersteller aus der Ferne steuerbar, was als Druckmittel eingesetzt werden könnte“, so Heidebroek. Diese Bedenken erinnern an ähnliche Warnungen aus der Solarindustrie, wo chinesische Komponenten ebenfalls weit verbreitet sind.
Lehren aus der Solarindustrie
Die Steuerungsmöglichkeiten der Hersteller aus der Ferne ermöglichen es ihnen, ihre Pflichten bei Wartung und Service zu erfüllen. Gleichzeitig können sie jedoch auch genutzt werden, um die Anlagen in kritischen Momenten abzuschalten. Der Niedergang der europäischen Windkraftindustrie wäre eine Katastrophe. Er könnte dem Schicksal der europäischen Solarindustrie ähneln, die stark durch chinesische Konkurrenz geschwächt wurde. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mahnte: „Die EU darf nicht dieselben Fehler wiederholen, die sie beim Niedergang ihrer Solarindustrie gemacht hat.“
Der europäische Windkraftmarkt steht somit an einem Scheideweg. Es ist ungewiss, ob die EU und ihre Mitgliedstaaten rechtzeitig handeln. Es steht infrage, ob sie Maßnahmen ergreifen, um die heimische Industrie zu schützen. Gleichzeitig müssen sie ihre Dominanz in einem globalisierten Markt sichern. Die kommenden Entscheidungen sind entscheidend. Die Entscheidungen, die in den kommenden Jahren getroffen werden, könnten die Zukunft der europäischen Windkraftindustrie maßgeblich beeinflussen.
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