Erneuerbare Energien verzeichnen weltweit einen Anstieg. Doch der Begriff „Energiewende“ kann leicht missverstanden werden. Er vermittelt das Bild, dass eine Energieform die andere vollständig ablöst. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch ein anderes Bild. Neue Energiequellen ersetzen alte nicht komplett, sondern ergänzen sie. So verdrängte Kohle um 1900 das Holz als dominierende Energiequelle, trotzdem wird heute mehr Holz verbrannt als je zuvor. Ebenso verhielt es sich mit Erdöl, das in den 1950er Jahren die Kohle als Hauptenergieträger ablöste. Dennoch blieb der Kohleverbrauch hoch. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass die Energieversorgung sich eher erweitert als grundlegend verändert (nzz: 02.08.24).
Die Herausforderung einer einseitigen Lösung
Der Begriff „Energiewende“ impliziert oft, dass es eine einzige, große Lösung für die Energieprobleme der Zukunft geben könnte. Dies verengt die Diskussion auf wenige Ansätze. Selbst Befürworter technologischer Offenheit konzentrieren sich oft auf ihre bevorzugte Lösung. Doch die Nachfrage richtet sich nicht nach einer spezifischen Energieform, sondern nach grundlegenden Bedürfnissen wie Mobilität, beheizten oder gekühlten Räumen und Beleuchtung. Die Lösungen müssen diese Bedürfnisse befriedigen und gleichzeitig den Wohlstand fördern, ohne dabei die Umwelt zu belasten.
Was die aktuelle Energiewende besonders herausfordernd macht, ist der Anspruch, fossile Brennstoffe vollständig zu ersetzen. Diese machen immer noch über 80 Prozent der weltweiten Primärenergie aus. Ein solch radikaler Wandel erfordert immense Investitionen, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Früher wurden Energiewenden vor allem aus ökonomischen Gründen vorangetrieben. Neue Energieformen setzten sich durch, weil sie effizienter waren. Heute ist die Energiewende jedoch stark politisch geprägt, mit klaren Präferenzen für bestimmte Technologien, die durch Subventionen und Regulierungen gefördert werden. Dies kann zu Verzerrungen und Fehlanreizen führen.
Politische Steuerung und ihre Risiken
Ein Beispiel für die politische Steuerung der Energiewende ist die Diskussion um das Verbot von Verbrennungsmotoren. Diese Debatte hat fast religiöse Züge angenommen. Dabei ist klar, dass E-Fuels und Biotreibstoffe allein das Klima nicht retten können. Dennoch bieten sie insbesondere in Entwicklungsländern ohne ausreichende Ladeinfrastruktur und für bestehende Fahrzeugflotten eine sinnvolle Übergangslösung. Anstatt auf Verbote und Subventionen zu setzen, wäre ein einheitlicher CO2-Preis das bessere Mittel, um den Umstieg auf kohlenstofffreie Energieformen wie Wind, Wasser, Sonne und Kernkraft zu fördern. Ein globaler CO2-Preis könnte zudem faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.
Ein erster Schritt in diese Richtung wäre die Abschaffung der immer noch hohen Subventionen für fossile Brennstoffe. Die aktuellen Energiestatistiken zeigen, dass die Welt noch weit von einer echten Energiewende entfernt ist. Die Herausforderungen sind komplexer, als es der Begriff „Energiewende“ suggeriert. Unterschiedliche Ansätze sind notwendig, um die Energiezukunft nachhaltig und effizient zu gestalten.
Die Energiewende erfordert daher nicht nur technologische Innovation, sondern auch eine kluge und ausgewogene politische Steuerung. Dabei dürfen Fehlanreize vermieden und die langfristigen ökonomischen und ökologischen Auswirkungen berücksichtigt werden. Nur so kann der Wandel erfolgreich gelingen.
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