Energiewende: Grazer Unternehmen will Mini-AKW bauen

Die Atomkraft hat in Österreich keinen besonders guten Stand. Dennoch will das Unternehmen Emerald Horizon aus Graz nun eine Mini-AKW mit Thoriumreaktoren bauen, mit denen sich der Atomstrom nach derzeitigem Erkenntnisstand relativ sicher produzieren lässt (Der Standard, 18.10.2022).


Nächste Atomkraftgeneration: Mini-AKW mit Thoriumreaktoren

Emerald Horizon behauptet, über ein sicheres Konzept der Kernkraftnutzung zu verfügen. Die Steirer setzen dabei nicht auf klassische Atomkraftwerke, sondern auf kleine, mit Thorium betriebene Reaktoren. Diese liefern nicht nur sicherer, sondern auch effizienter den Atomstrom gegenüber der Kernspaltung mit Uran. Der neue Reaktortyp wird nicht mit Brennstäben, sondern mit einem flüssigen Thoriumkern betrieben. Dieser ist in geschmolzenem Flüssigsalz gelöst. Das soll eine Kernschmelze zuverlässig verhindern.

Ein Szenario wie in Tschernobyl sei daher unmöglich, so ein Sprecher des Unternehmens. Sollte der Reaktorkern durch den Ausfall des Kühlungssystems zu heiß werden, dehnt sich das flüssige Salz aus. Dies verlangsamt die Kettenreaktion. Atommüll produziert der Thoriumreaktor zwar ebenfalls, jedoch in deutlich kleinerer Menge als ein konventioneller Reaktor. Der größte Vorteil besteht wohl darin, dass das Thorium nur einige Hundert anstatt viele Hunderttausend Jahre strahlt.

Grazer Unternehmen Emerald Horizon will Mini-AKW mit Thoriumreaktoren bauen und zur Serienreife entwickeln
Grazer Unternehmen Emerald Horizon will Mini-AKW mit Thoriumreaktoren bauen und zur Serienreife entwickeln
Bild: ORNL, Public domain, via Wikimedia Commons

Neue Generation von Thoriumreaktoren

Es ist keine grundsätzlich neue Idee, Kernkraft mit Thorium zu nutzen. Entsprechende Versuche gab es schon in der Mitte des 20. Jahrhunderts. In den 1980er Jahren konnte sogar ein deutscher Thoriumreakter kurzzeitig Strom ins Netz einspeisen. Allerdings wurde das Projekt nach wenigen Jahren aus technischen Gründen eingestellt. Inzwischen gibt neuere Thoriumkraftwerke, welche die Energiewende vorantreiben sollen. Ein Vorreiter ist Bill Gates, der mit seinem Unternehmen Terrapower neue Kerntechnikverfahren etablieren will. Dazu gehören auch Thoriumreaktoren. Gates hat inzwischen mehr als eine halbe Milliarde Dollar in solche Projekte investiert.

Auch Indien und China setzen auf Thorium. Ein chinesisches Thoriumprogramm startete 2011, im laufenden Jahr 2022 soll ein Versuchsreaktor in Betrieb gehen. China plant, spätestens 2030 Thoriumstrom ins Netz zu schicken. Das erste Kraftwerk dieser Art soll immerhin 370 Megawatt liefern, was mehrere Hunderttausend Haushalte mit Strom versorgen könnte. Indien plant sogar, langfristig sämtliche Atomkraftwerke im Land auf Thorium umzustellen.


Was macht das Thorium so interessant?

Neben der höheren Sicherheit und geringeren Problemen bei der Endlagerung sprechen geopolitische Argumente für Thoriumreaktoren. Indien hat beispielsweise kaum Uran, jedoch die weltweit größten Thoriumvorkommen. Diese könnten laut indischer Atomagentur die Stromversorgung auf dem Subkontinent für Jahrhunderte sichern. Ganz ohne Uran funktioniert ein Thoriumreaktor bislang jedoch nicht. Damit in ihm eine Kettenreaktion in Gang kommt, wird das Thorium zuerst mit Neutronen beschossen, die zerfallendes Uran liefert. Das war jedenfalls bis dato der Stand der Technik. Vielleicht geht es aber auch anders, und hier erweist sich nun das Konzept von Emerald Horizon als sehr innovativ. Die Österreicher wollen das Thorium-Salz-Gemisch mit Neutronen beschießen, die aus konventionellen Teilchenbeschleunigern stammen, wie sie etwa die Medizintechnik verwendet.

Der Reaktor wird dadurch deutlich besser steuerbar. Der Entwicklungschef von Emerald Horizon Mario Müller weist darauf hin, dass bei klassischen AKWs das größte Problem darin besteht, die Kettenreaktion permanent zu bändigen. Bei Thorium sei es hingegen umgekehrt: Die Reaktion müsse dauernd angestoßen werden, damit sie weiterläuft. Am besten sei dies mit konventionellen Teilchenbeschleunigern steuerbar, denn ihr Teilchenfluss lässt sich im Gegensatz zu dem aus zerfallendem Uran präzise skalieren. Der Physiker Müller hat seine Expertise am Kernforschungszentrum Cern erworben. Er kennt die Risiken den konventionellen Kernkraft und hat in seinen jungen Jahren selbst dagegen demonstriert. Heute ist er ein Verfechter der Kernkraft, die aber sicher sein soll.


Marktreife in Sicht

Der Gründer von Emerald Horizon, Florian Wagner, teilte vor wenigen Tagen mit, dass der Prototyp inzwischen finanziert sei. Er sammelt nun neues Geld von Investoren ein. Für den nötigen Demonstrator benötigt er rund 250 Millionen Euro. Wenn dieser läuft, kann der Thoriumreaktor zur Marktreife entwickelt werden. Er liefert dann Kernkraft im Kleinformat, denn das Mini-AKW findet in einem Standardschiffscontainer Platz. Dann ist noch ein zweiter Container nötig, in dem die Reaktorhitze in Strom, Fern- oder Prozesswärme sowie Wasserstoff umgewandelt wird.

Solche Module lassen sich in einer Fabrik in großen Stückzahlen produzieren, was im Vergleich zum klassischen Anlagenbau von Großkraftwerken viel Geld spart. Die Anwender der Thoriumenergie können dann die Container pachten. Sie zahlen nicht für die Technik, sondern für den Strom. Das Modell heißt Energy Contracting, es ist schon länger beim Strombezug aus größeren Photovoltaikanlagen gängig. Emerald Horizon betreibt solche Anlagen und verkauft den Strom auf diese Weise. Erwähnt werden muss, dass es auch Kritiker aus Fachkreisen gibt, die eine schnelle Marktreife von Thoriumreaktoren anzweifeln. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob das Mini-AKW-Konzept hält, was es verspricht.

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