Die Bundeswehr verfolgt den Aufbau eines unabhängigen Satelliten-Systems im All. Ziel ist eine Konstellation aus Hunderten Satelliten, die Kommunikation, Aufklärung und Erdbeobachtung ermöglichen. Erste Einheiten könnten ab 2029 starten. Die neue Ausrichtung stellt einen Bruch mit bisherigen europäischen Projekten dar. Fachkreise schätzen die Investitionen auf bis zu zehn Milliarden Euro (handelsblatt: 08.04.25).
Satelliten-System soll Abhängigkeiten verringern
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte, dass die Bundeswehr mehrere Varianten prüft, um den steigenden Bedarf an raumgestützter Aufklärung aus eigener Kraft zu decken. Aus Gründen der Sicherheit blieben technische Einzelheiten offen. Derzeit nutzt die Bundeswehr lediglich eine Handvoll Satelliten, obwohl eine effektive Konstellation ein Vielfaches davon voraussetzt.
Lange war Deutschland auf amerikanische Systeme angewiesen. Doch geopolitische Unsicherheiten haben das Vertrauen geschwächt. So verlor die Ukraine zeitweise den Zugang zu Starlink – eine Folge diplomatischer Spannungen mit den USA. Auch der massive Einfluss von SpaceX bei Raketenstarts gilt als kritischer Faktor.

Neue Impulse für deutsche Raumfahrt
Die deutsche Industrie erkennt eine historische Chance. Zahlreiche Raumfahrtunternehmen hoffen auf langfristige Verträge und staatliche Förderung. Der BDLI betont, das Projekt könne einen Aufschwung für die gesamte europäische Branche einleiten. Nach Angaben mehrerer Insider möchte die Bundeswehr vor allem auf inländische Anbieter setzen.
Die politischen Weichen dafür werden derzeit gestellt. Noch im Herbst existierten laut einer Anfrage der Unionsfraktion keine Pläne für ein militärisches Satelliten-System. Inzwischen laufen intensive Gespräche über eine feste Verankerung im Bundeshaushalt. Auch eine Zusammenarbeit mit einzelnen europäischen Staaten bleibt denkbar – aktuell handelt es sich jedoch um ein nationales Vorhaben. Marco Fuchs von OHB verweist darauf, dass auch andere Länder wie Italien oder Großbritannien an eigenen Projekten arbeiten.
EU-Projekt Iris2 verliert an Relevanz
Das europäische System Iris2 entwickelt sich langsamer als erhofft. Frühestens ab 2030 könnte es eingeschränkt militärisch nutzbar sein. Auf einer Konferenz in München erklärte Generalmajor Jürgen Setzer: „Dann machen wir unsere eigene Konstellation.“ Die Bundeswehr verfolgt mit dem Zielbild einer „resilienten Weltraumarchitektur 2029“ eine ambitionierte Strategie.
Die künftige Bundesregierung hat das Thema ebenfalls auf der Agenda. In den Koalitionsgesprächen kündigten die Arbeitsgruppen Digitales und Verteidigung an, souveräne Kapazitäten für Raketenstarts aufzubauen. Ziel ist eine robuste Infrastruktur für Krisenkommunikation und Internetkonnektivität. Die Raumfahrt rückt damit in den Mittelpunkt der Sicherheitspolitik.
Start-ups übernehmen Schlüsselrollen
Deutsche Microlauncher wie Isar Aerospace, RFA und HyImpulse gelten als zentrale Partner. Ihre kompakten Raketen mit rund einer Tonne Nutzlast ermöglichen flexible Satellitenstarts. Gerade im Krisenfall, wenn beschädigte Einheiten rasch ersetzt werden müssen, spielen sie eine entscheidende Rolle.
Derzeit laufen laut mehreren Brancheninsidern Gespräche zwischen den Firmen und dem Verteidigungsministerium. Professor Andreas Knopp von der Universität der Bundeswehr hält das Ziel für ambitioniert: „Bis 2029 könnte so oder so nur eine übersichtliche Zahl von 100 bis 150 Satelliten in den Orbit gebracht werden.“
Laserkommunikation soll verwundbare Infrastruktur vermeiden
Um die Abhängigkeit von Bodenstationen zu verringern, setzt die Bundeswehr auf moderne Kommunikationstechnologien im All. Laser gelten hier als besonders leistungsfähig. Sie übertragen Daten mit hoher Geschwindigkeit und benötigen kaum Infrastruktur auf der Erde. Deutsche Anbieter wie Mynaric verfügen über entsprechende Systeme. Allerdings droht durch den geplanten Verkauf an Rocket Lab Know-how ins Ausland zu wandern.
Die Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie betont, dass Raumfahrttechnologien in Deutschland erhalten bleiben sollen. Versorgungssicherheit gilt als nationales Interesse. Raumfahrtexperte Chripunow warnt: „Wir drohen in der Raumfahrt international abgehängt zu werden.“ Er fordert umfassende Investitionen – nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für zivile Anwendungen.
Satelliten-System als Standortfaktor
Die CDU/CSU sieht in der Raumfahrt einen Schlüssel zur Souveränität. In einem Positionspapier heißt es, Deutschland müsse gemeinsam mit Partnern jederzeit in der Lage sein, die Nutzung des Weltraums zu sichern. Dazu zählen nicht nur Starts, sondern auch Schutz und Betrieb eigener Infrastrukturen.
Für viele Start-ups kommt das geplante Satelliten-System zur rechten Zeit. Der kommerzielle Markt stagniert, Investitionen fehlen. Langfristige Verträge mit der Bundeswehr könnten für Stabilität sorgen. Auch der Standort Deutschland würde dadurch gestärkt. Die Chance, Raumfahrt strategisch neu zu denken, liegt auf dem Tisch.
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