Deutschland plant erstmals, Erdgas direkt aus Nigeria zu importieren – ein Vorhaben, das vom Hamburger Unternehmer und langjährigen Klimaschützer Frank Otto initiiert wurde (tagesschau: 24.04.24). Diese Entscheidung sorgt für Irritationen, insbesondere da die deutsche Regierung gleichzeitig Gasbohrungen im eigenen Land aufgrund von Umweltbedenken ablehnt. Während Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das Projekt der Gasförderung vor Borkum in der Nordsee als „nicht nötig“ bezeichnet und auf den Schutz des Wattenmeeres verweist, wird das Gasprojekt in Nigeria vorangetrieben, obwohl es erhebliche Umweltschäden vor Ort verursachen könnte (tagesschau: 16.08.24). Diese offensichtliche Doppelmoral, bei der der Naturschutz in Deutschland Priorität genießt, während die Umweltzerstörung in einem fernen Land stillschweigend akzeptiert wird, steht im Mittelpunkt der Kritik.
Scholz unterstützt Gasimport aus Nigeria, während Habeck Nordsee-Bohrungen stoppt
Das geplante Geschäft umfasst ein Handelsvolumen von etwa fünf Milliarden Euro. Frank Otto betonte, dass Bundeskanzler Olaf Scholz bereits in Gespräche über die Gaslieferungen involviert sei. Während einer Nigeria-Reise im Herbst 2023 thematisierte Scholz den Import von Gas und Wasserstoff aus dem westafrikanischen Land. Obwohl das Kanzleramt erklärt, die Bundesregierung unterstütze das Projekt der Schütze AG aktuell nicht finanziell, äußerte sich Johannes Schütze, Geschäftsführer der Schütze AG, zufrieden: „Wenn Herr Scholz nach Nigeria fliegt und nach Gas sucht, dann ist das auch politisch gewollt.“
Interessanterweise zeigt sich die Bundesregierung hingegen äußerst zurückhaltend, wenn es um Gasbohrungen im eigenen Land geht. So sprach sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck klar gegen die geplanten Gasbohrungen in der Nordsee vor Borkum aus. Für die deutsche Energieversorgung sei das Projekt „nicht nötig“, erklärte der Grünen-Politiker. Das niederländische Unternehmen One-Dyas plant, Gas auf einer Plattform im Wattenmeer zu fördern, was bei Umweltschützern und Inselbewohnern auf scharfe Kritik stößt. Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke verweisen auf die Risiken für das fragile Ökosystem der Nordsee und betonen den Vorrang des Naturschutzes.
Gasprojekt in Nigeria: Unverzichtbar oder Umweltproblem? Kritik an deutscher Doppelmoral wächst
Die Frage nach der Notwendigkeit und Nachhaltigkeit der Gasförderung spaltet die Meinungen. Das Gasprojekt in Nigeria gilt als unverzichtbar für die Energieversorgung Deutschlands. Dennoch lehnt die Bundesregierung ein ähnliches Vorhaben im eigenen Land ab. Die Begründung, dass das nigerianische Projekt durch die Nutzung von Begleitgas umweltschonend sei, wirkt daher fragwürdig. Besonders im Hinblick auf die Ablehnung der Gasbohrungen vor Borkum ist diese Argumentation problematisch. Zudem stammt ein Großteil des nigerianischen Gases aus neu erschlossenen Feldern. Das erfordert zusätzliche Infrastruktur und führt zu einer erhöhten Umweltbelastung. Frank Otto verteidigt das Vorhaben mit der Zusammenarbeit lokaler Partner, die die Bedürfnisse der Bevölkerung kennen und berücksichtigen.
Doch Kritiker wie Nnimmo Bassey sehen hierin eine Fortsetzung des „Ressourcenfluchs“, der Nigeria seit Jahrzehnten prägt. Statt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, werden neue Abhängigkeiten geschaffen. Dies könnte langfristig die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes beeinträchtigen. Auch Franziska Holz vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung warnt davor, dass das Gasgeschäft der Schütze AG die strukturellen Probleme Nigerias weiter verschärfen könnte.
Umweltrisiko Methan: Warum Deutschland Gasprojekte im Ausland fördert und zu Hause stoppt
Die Umweltfolgen der Gasförderung sind nicht zu unterschätzen. Satellitenaufnahmen belegen, dass in Ländern wie Nigeria und Russland erhebliche Mengen Methan, ein besonders klimaschädliches Gas, aus den Förderanlagen entweichen. Ein bedrückendes Beispiel ist Sibirien. Dort entwich Methan aus einem Förderfeld und verursachte so einen immensen Umweltschaden. Die Kosten für diesen Schaden beliefen sich auf 756 Millionen Euro. Dies könnte auch in Nigeria passieren, einem Land, in dem Umweltgesetze oft nur unzureichend durchgesetzt werden.
Vor diesem Hintergrund erscheint die ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber den Gasbohrungen vor Borkum in einem neuen Licht. Wenn es um den Schutz des Wattenmeeres geht, stehen Umwelt- und Naturschutz plötzlich an erster Stelle. Doch in Nigeria, weit entfernt von den deutschen Küsten, scheinen wirtschaftliche Interessen und die Notwendigkeit einer stabilen Energieversorgung zu überwiegen.
Diese Doppelmoral wird zunehmend kritisiert. Die Bundesregierung stoppt Projekte im eigenen Land aus ökologischen Gründen. Gleichzeitig unterstützt sie im Ausland ähnliche Vorhaben, die ebenso große Umweltprobleme verursachen könnten. Dies wirft die Frage auf, ob es wirklich nachhaltig ist, weiter auf fossile Brennstoffe zu setzen – unabhängig davon, ob diese aus Nigeria oder der Nordsee kommen. Die künftige Energieversorgung sollte in jedem Fall die globalen Klimaziele und die soziale Gerechtigkeit im Blick behalten.
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