Die Produktion von Ökostrom sinkt trotz mehr installierter Leistung

In Deutschland hat sich die Nutzung von Ökoenergie, also Energie aus umweltfreundlichen Quellen wie Sonne und Wind, erhöht. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres stammten 57,7 Prozent des erzeugten Stroms aus solchen grünen Energiequellen. Das bedeutet, dass es einen Anstieg von fast sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab. Diese Daten stammen aus einer Untersuchung des renommierten Fraunhofer-Instituts. Auf der anderen Seite ist der Beitrag der fossilen Energie zur Stromerzeugung stark gesunken (Bild: 13.07.23).


Das klingt erstmal wie eine positive Nachricht, oder etwa doch nicht?

Trotz des steigenden Anteils der Ökoenergie an der gesamten Stromerzeugung ist die Menge des erzeugten Stroms nicht angestiegen. Tatsächlich wurde von Januar bis Juni in Deutschland insgesamt sogar weniger Strom aus Sonnen- und Windenergie erzeugt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das klingt verwirrend, lässt sich aber erklären, wenn man nicht nur die Anteile, sondern die absoluten Mengen betrachtet.

Warum trotz Ausbau der erneuerbaren Energien im Jahr 2022 weniger Ökostrom erzeugt wurde,  obwohl der Anteil gestiegen ist
Warum trotz Ausbau der erneuerbaren Energien im ersten Halbjahr 2023 Ökostrom erzeugt wurde, obwohl der Anteil gestiegen ist

In absoluten Mengen bedeutet das, dass die Sonne, der Wind und andere erneuerbare Quellen im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 129 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugt haben. Um das in Relation zu setzen: Eine Terawattstunde ist in etwa so viel, wie 80 Windräder in einem Jahr erzeugen können. Das verdeutlicht, dass trotz des erhöhten Anteils an Ökoenergie die absolute Menge an produziertem Ökostrom nicht gewachsen ist.

Im ersten Halbjahr 2022 lieferte Deutschland 130 Terawattstunden (TWh) Ökostrom, und im ersten Halbjahr 2020 waren es 132 TWh.


Griff in die statistische Trickkiste

Wie man aus den Zahlen sehen kann, ist trotz der steigenden Anzahl an Windrädern und Solaranlagen und dem höheren Anteil von Ökostrom, die absolute Menge des erzeugten Ökostroms ein wenig gesunken ist. Die Gesamtmenge an in Deutschland erzeugtem Strom hat im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren stark abgenommen. Von Januar bis Juni 2023 hat Deutschland insgesamt nur 224 TWh Strom produziert, sagt das Fraunhofer-Institut. Im Jahr 2022 waren es 252 TWh und im Jahr 2021 erreichte Deutschland 248 TWh. Daher erhöht sich der Anteil des Ökostroms, obwohl die Produktion insgesamt gleich bleibt und das, obwohl zur Stromproduktion wesentlich mehr installierte Leistung zur Verfügung stand. Diese wurde im Jahr 2022 gegenüber 2021 bei Solaranlagen um rund 7200 MW erhöht (statista) und bei Wind um 2400 MW (Windenergie: 18.01.23). Damit standen im ersten Halbjahr 2023 insgesamt fast 10 GW mehr installierte Leistung zur Verfügung. Die positive Darstellung des gestiegenen Anteils ist also nichts anderes als ein Griff in die statistische Trickkiste.

Warum trotz Ausbau der erneuerbaren Energien weniger Ökostrom erzeugt wurde

Warum ist das so? Professor Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut nennt zwei Hauptgründe. Erstens gibt es viele ältere Anlagen, die einfach nicht mehr so gut arbeiten wie früher. Zweitens spricht Burger von „schlechtem Wetter“. Es gab in diesem Zeitraum einfach weniger Wind und Sonnenschein als sonst.

Trotz des starken Zuwachses an Solaranlagen im ersten Halbjahr 2023 hat Deutschland weniger Strom als im Vorjahr erzeugt. Dies zeigt uns, was sogenannte Dunkelflauten – Perioden ohne ausreichenden Wind und Sonnenschein – in Zukunft für Deutschland bedeuten können.

Holger Lösch, der für Energiefragen zuständige Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), gibt zu bedenken: „Deutschland kann sich als Industrienation nicht darauf verlassen, dass alle Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien (EE) vollständig erfolgreich sind. Insbesondere ein nicht ausreichender Ausbau des Stromnetzes könnte den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern.“

Laut Prof. Burger hat Deutschland auch mehr Strom aus anderen Ländern gekauft. Der Grund dafür ist, dass wir noch nicht genug Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen und sonst auf teure und umweltschädliche Kohle zurückgreifen müssten.


Warum Deutschland immer mehr auf ausländische Energie angewiesen ist

Woher kommt der importierte Strom? Agora Energiewende berichtet, dass im Juni 25 Prozent des importierten Stroms aus Kernenergie und 16 Prozent aus Kohle und Gas stammten. Der restliche Strom kam aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und Wasserkraft.

Mark Helfrich, der Energiebeauftragte der CDU, äußerte seine Besorgnis: „Es ist sehr gefährlich für Deutschland als Standort, wenn der Anteil an Grünstrom nur deshalb steigt, weil in Deutschland weniger Strom erzeugt und vor allem auch weniger verbraucht wird.“

Lösch stellt es unmissverständlich fest: „Wenn die Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien nicht erreicht sind, müssen Kohle und Gas weiterhin die Lücke in der Stromerzeugung füllen.“

Es ist offensichtlich, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus der Kohle nur funktionieren kann, „wenn genug erneuerbare Energien und Gaskraftwerke, die mit Wasserstoff betrieben werden können, vorhanden sind. Um unsere Versorgung sicherzustellen, brauchen wir bis 2030 viele neue Gaskraftwerke, die Wasserstoff nutzen können.“

Das bedeutet: Ohne Kernenergie und Ökostrom müssen wir weiterhin mehr fossile Brennstoffe verwenden!

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