Die Kohlerepublik Deutschland

Der Präsident des ifo-Instituts Clemens Fuest warnt davor, dass sich Deutschland zurück in eine schmutzigere Republik verwandelt. Der Grund: Die Kohleverstromung nimmt deutlich zu. Fuest fordert ein Umdenken in der Energiepolitik und neue Strategien, mit denen sich Deutschlands Wohlstand retten lässt (Süddeutsche Zeitung, 06.12.2022).


Düstere Aussichten in der Energiepolitik

Die Aussichten in der deutschen Energiepolitik sind wahrlich nicht sehr rosig. Die Atomkraftwerke sollen zwar noch über einen sehr kurzen Zeitraum weiterlaufen, doch dann werden sie doch abgeschaltet. Gas aus Russland gibt es nicht mehr, die Pipelines sind explodiert. LNG, das per Schiff geliefert wird, ist knapp und teuer. Es bleiben die erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind und Biomasse, doch diese sind noch längst nicht ausreichend ausgebaut. Die deutsche Industrie jedoch braucht dringend Energie. Daher bleibt wohl keine andere Möglichkeit: Der Strom muss einstweilen von Kohlekraftwerken kommen.

Deutschland kann sich nicht so schnell von der Kohleverstromung lösen. Keine große Hoffnung auf erneuerbare Energien?
Deutschland kann sich nicht so schnell von der Kohleverstromung lösen. Keine große Hoffnung auf erneuerbare Energien?
Bild: Ikar.us, CC BY 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Deutschland kann sich nicht so schnell von der Kohleverstromung lösen

Der Ökonom Fuest weist nun auf die Gefahr hin, dass sich Deutschland in der nahen Zukunft nicht so schnell von der Kohle verabschieden wird. Diese Auffassung äußerte der angesehene Experte auf den Munich Economic Debates. Dabei widerspräche dies dem Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Regierung. In diesem ist festgeschrieben, dass Deutschland bis 2030 komplett aus der Kohleverstromung aussteigt. Allerdings haben sich die Koalitionäre eine Hintertür offengelassen, die aus einem einzigen Wort besteht: Der Passus in ihrem Koalitionsvertrag lautet wörtlich, dass Deutschland bis 2030 „idealerweise“ aus der Kohle aussteigt. Darauf kann sich nun die krisengebeutelte Regierung zurückziehen. Fuest schätzt, dass dieses Datum nicht mehr zu halten ist.


Keine große Hoffnung auf erneuerbare Energien?

Der Chef des ifo-Instituts unterstreicht, dass es natürlich richtig ist, die erneuerbaren Energien auszubauen. Man solle jedoch in diese Technologien keine überzogenen Hoffnungen auf einen schnellen Wandel investieren. Dieser sei ein langwieriger und schwieriger Prozess. Immerhin habe Deutschland 30 Jahre gebraucht, bis 15 % des Energiebedarfs von erneuerbaren Energieträgern kamen. Ein zu großer Optimismus für die kommenden Jahre sei daher nicht angebracht. Da aber der Übergang nicht sehr schnell zu schaffen sei, brauche die Industrie Brückentechnologien für die Energieversorgung.

Die wichtigste Brückentechnologie waren bis Anfang 2022 die Gaskraftwerke. Sie sollten so lange vergleichsweise sauberen Strom (gegenüber dem Kohlestrom) liefern, bis der Übergang hin zu klimaneutralen Energien geschafft ist. Mit billigem russischem Gas schien das machbar, doch das LNG, auf das Deutschland nun setzen muss, ist sehr teuer. Damit wurde der alte Übergangsplan obsolet.

Planungssicherheit für die Industrie schaffen

Fuest mahnte an, den Unternehmen Planungssicherheit zu verschaffen. Diese müssten sich darauf verlassen können, dass sie an bezahlbare Energie kommen. Es drohe sonst eine Abwanderung wichtiger Schlüsselindustrien in Staaten, in denen es Energie zuverlässig und vergleichsweise günstig gibt. Die Regierung müsse nun einen konkreten Plan für die Energieversorgung der kommenden Jahre vorlegen, so Fuest. Die Investoren mit der Hoffnung auf gutes Gelingen zu vertrösten, reiche ganz eindeutig nicht aus. Der ifo-Chef erkennt ein Problem in einem grundsätzlich falschen Paradigma der gegenwärtigen Ampelkoalition: Diese schalte Energieträger begeistert ab (Atomkraft, vorher die Kohlekraftwerke), bevor sie Alternativen angeschaltet habe. Doch das Motto müsse heißen: Erst müssen wir etwas anschalten, dann können wir den Vorgänger abschalten.


Jeder Haushalt, der sich einen neuen Kühlschrank kaufe, gehe so vor, so Fuest. Man kauft erst das neue Gerät, dann entsorgt man das alte. Er sorge sich um die Abschaltbegeisterung der Ampelregierung, so der Ökonom. Dabei sei die Energieversorgung ein so sensibles Thema, dass man sich gerade hier keine ideologisch getriebenen Paradigmen leisten könne. Der deutsche Staat müsse sich in seiner Energieversorgung wieder möglichst breit aufstellen. Hierzu hat Fuest in seinem Institut ein neues Grundsatzpapier ausarbeiten lassen. Es schlägt eine neue Strategie der Energiepolitik vor, um den Wohlstand hierzulande nicht zu gefährden.

Technische Vorschläge vom ifo-Präsidenten

Clemens Fuest verweist zudem darauf, dass man viel mehr auf Technik setzen solle. So sei die CO₂-Abscheidung (Carbon Capture) wohl eine lohnenswerte Technologie, auf die Deutschland nicht verzichten solle. Damit wird klimaschädliches Gas eingefangen, anschließend presst man es in die Erde. Zwar sei die Technologie in Deutschland nicht sonderlich beliebt, doch das basiere auf Vorurteilen, so der Ifo-Präsident. Auch eine deutlich stärkere Öffnung der Strommärkte schlägt er vor. Europa müsse sich viel mehr vernetzen. Es sei eine Energieplattform erforderlich, auf der sich Anbieter und Kunden digital treffen. Immerhin seien bei Sonnenschein und Wind die erneuerbaren Energien unglaublich günstig. Um sie effizient zu verteilen, müsse der Strommarkt der Zukunft als smarte Plattformökonomie organisiert werden.

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