Die dunklen Folgen des Batterie-Booms in Ungarn

Ungarns Premierminister Viktor Orbán hat ein ambitioniertes Ziel: Er möchte das Land bis 2030 zum drittgrößten Produzenten von E-Auto-Batterien weltweit machen. Dabei soll Ungarn nur hinter China und Deutschland liegen. Diese ehrgeizige Vision treibt Orbáns Regierung mit Nachdruck voran, ungeachtet der Konsequenzen für Umwelt und Gesellschaft. Kritiker zweifeln jedoch daran, ob dieses Ziel realisierbar ist, und warnen vor den bereits spürbaren negativen Auswirkungen auf Anwohner und Natur (derstandard: 21.08.24).


Der Fall Göd: Ein Symbol für Rücksichtslosigkeit

Ein exemplarisches Beispiel für die Vorgehensweise der ungarischen Regierung ist die Stadt Göd, nördlich von Budapest. Hier befindet sich eine große Batteriefabrik des südkoreanischen Konzerns Samsung. Zsuzsa Bodnár, eine engagierte Anwohnerin, beschreibt den Spielplatz am Stadtrand als Ort, an dem „die üblichen Regeln und Gesetze nicht gelten“. Die Fabrik, die Batteriezellen für namhafte Automobilhersteller wie BMW und VW produziert, bringt eine Vielzahl von Problemen mit sich. Anwohner berichten von unerträglichem Lärm, besonders während der Nachtschichten, der selbst durch eine Lärmschutzwand kaum gemindert wird.

Gefährliche Chemikalien, wirtschaftliche und geopolitische Abhängigkeit - Die düstere Wahrheit hinter Ungarns Batterie-Boom
Gefährliche Chemikalien, wirtschaftliche und geopolitische Abhängigkeit – Die düstere Wahrheit hinter Ungarns Batterie-Boom
Bild: KI-generiert

Der ungarische Premierminister hat 2020 die Stadt Göd durch ein Dekret ihrer Kontrollrechte über das Fabrikgelände beraubt und es zur Sonderwirtschaftszone erklärt. Diese Maßnahme entzog der Stadtverwaltung, die zuvor unter der Führung eines oppositionellen Bürgermeisters stand, jegliche Entscheidungsgewalt. Die Konsequenzen für die Stadt waren schwerwiegend: Wichtige Steuereinnahmen fließen seither nicht mehr in die Gemeindekasse, sondern werden anderweitig verwendet. Die Macht über das Gebiet liegt nun ausschließlich bei Samsung, das laut Bodnár „nach Belieben schalten und walten“ kann.

Gefährliche Chemikalien und ignorierte Warnungen: Die düstere Wahrheit hinter Ungarns Batterieproduktion

Neben den sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind es vor allem die ökologischen und gesundheitlichen Risiken, die Sorgen bereiten. Bodnár berichtet von mehreren Skandalen, bei denen es um die Missachtung von Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen ging. Angestellte kamen wiederholt in Kontakt mit krebserregenden Substanzen. Zudem wurde die Fabrik jahrelang ohne gültige Umweltzulassung betrieben, was zu erheblichen Umweltproblemen führte. Im Jahr 2022 wurde beispielsweise die gesundheitsschädliche Chemikalie NMP in Brunnen der Stadt gefunden. Die Behörden reagierten jedoch nicht, sondern forderten zunächst Beweise, dass die Substanz aus der Fabrik stamme.

Die Kritik an der ungarischen Batteriestrategie reißt nicht ab. Experten wie Gergely Simon von Greenpeace Ungarn weisen darauf hin, dass der Einsatz der besten verfügbaren Sicherheitstechnik aus Kostengründen oft vermieden wird. Dies führe dazu, dass Batteriefabriken in Deutschland deutlich sicherer seien als die in Ungarn, obwohl der Großteil der Produktion mittlerweile in Ungarn stattfindet.


Ungarns Batterie-Boom: Der riskante Weg in wirtschaftliche und geopolitische Abhängigkeit

Die massiven Investitionen in den Batterie-Sektor birgen nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Risiken. Andrea Éltető, Ökonomin am Institut für Weltwirtschaft in Budapest, warnt davor, dass das Land mit dieser Strategie in die „Falle mittlerer Einkommen“ geraten könnte. Die Mehrheit der Arbeitsplätze, die für die Einheimischen geschaffen würden, bringe nur geringe Wertschöpfung und kaum Technologietransfer. Zudem wachse die Abhängigkeit Ungarns von der Autoindustrie, was das Land in eine wirtschaftliche Schieflage bringen könnte.

Dóra Győrffy, Wirtschaftsprofessorin an der Corvinus-Universität in Budapest, sieht auch geopolitische Gefahren. Die enge Bindung an China durch den Aufbau der Batteriewirtschaft schaffe eine „geopolitisch riskante Abhängigkeit“. Sie argumentiert, dass es sinnvoller wäre, in Bildung zu investieren, statt die Elektromobilitätsindustrie massiv zu subventionieren, zumal viele der Subventionen direkt wieder ins Ausland abflössen.

Zusammengefasst birgt Ungarns Batteriewette, geprägt von Orbáns autoritärer Führung, erhebliche Risiken. Sie gefährdet nicht nur die Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung, sondern bedroht auch die wirtschaftliche und geopolitische Stabilität des Landes. Dies macht die Strategie nicht nur riskant, sondern auch umstritten, sowohl innerhalb des Landes als auch international.

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