Die strategische Bedeutung von Lithium für die deutsche Industrie manifestiert sich in einer besorgniserregenden Abhängigkeitssituation. Der Import von Lithiumcarbonat hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch entwickelt, mit einer Wertsteigerung von 22 Millionen auf 131 Millionen Euro.
Besonders alarmierend ist die extreme Konzentration der Bezugsquellen, denn Deutschland erhält mehr als 70 Prozent seiner Lithiumcarbonat-Importe aus nur zwei Ländern – Chile und China. Die Tatsache, dass wenige Länder die globale Bergwerksförderung dominieren, verschärft diese Abhängigkeit, wobei Australien 48 Prozent und Chile 27 Prozent der Weltproduktion kontrollieren. (BDI: 11.11.2024)
Die wirtschaftliche Dimension dieser Abhängigkeit wird durch folgende Kennzahlen verdeutlicht:
- Rund 480.000 Beschäftigte (6% der Erwerbstätigen im Verarbeitenden Gewerbe) sind in der Produktion lithiumhaltiger Produkte tätig
- Die Bruttowertschöpfung in diesem Bereich beträgt 69 Milliarden Euro
- Der Kraftfahrzeugbau macht mit 45 Prozent den größten Anteil der lithiumabhängigen Wertschöpfung aus
Die Situation wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen: Nach Prognosen der EU könnte die Nachfrage nach Lithium bis 2030 um das Achtzehnfache steigen. Diese beispiellose Nachfragesteigerung wird durch Bevölkerungswachstum, Industrialisierung und die Dekarbonisierung des Verkehrssektors getrieben.
Die Situation bei Lithium-Ionen-Akkumulatoren ist besonders kritisch. Der Importwert hat sich in den letzten zehn Jahren vervierzigfacht. Er stieg von 514 Millionen auf 21 Milliarden Euro. Dabei ist die Abhängigkeit von China ist besonders deutlich. 58 Prozent der als gefährdet eingestuften lithiumhaltigen Importe stammen aus der Volksrepublik.
Diese Entwicklung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und sie stellt auch ein erhebliches Risiko für die E-Mobilitäts-Transformation dar. Die Bundesregierung will bis 2030 rund 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen bringen. Das unterstreicht die strategische Bedeutung einer gesicherten Lithiumversorgung.
Technische Innovation durch Heat4Landau
Das innovative Heat4LANDAU-Projekt markiert einen technologischen Durchbruch in der deutschen Lithiumgewinnung. Mit einer staatlichen Förderung von bis zu 100 Millionen Euro wird die Infrastruktur zur Erzeugung von 255 MW Erdwärme errichtet, wobei die Auszahlung in zwei Tranchen erfolgt: 22 Millionen Euro im Jahr 2026 und weitere 78 Millionen Euro im Jahr 2027. (Berliner Zeitung: 12.11.2024)
Der technische Prozess verwendet ein revolutionäres Kreislaufsystem. Hochtemperatur-Lithium-reiche Sole wird aus einem tiefen Erdreservoir gefördert. Diese Sole dient der Stromerzeugung. Gleichzeitig gewinnt eine fortschrittliche direkte Lithiumextraktionstechnologie (DLE) das Lithium. Anschließend wird die Sole wieder in das unterirdische Reservoir zurückgeführt, wo sie sich erneut erhitzt und Lithium aufnimmt.
Die technischen Innovationen des Projekts zeichnen sich durch folgende Vorteile aus:
- Kohlenstofffreie Produktion durch Nutzung geothermischer Energie
- Geschlossener Wasserkreislauf ohne Verdunstungsteiche
- Hohe Lithiumkonzentration und Reinheit der gewonnenen Lösung
- Deutlich reduzierter Wasser- und Energiebedarf
Die Pilotanlage in Landau demonstriert bereits die praktische Umsetzbarkeit. Ab Februar soll so viel Lithiumchlorid aus der Sole gewonnen werden, dass daraus jährlich etwa 45 Tonnen batteriefähiges Lithium erzeugt werden können. Das Gesamtinvestitionsvolumen für die erste Projektphase beläuft sich auf etwa 1,4 Milliarden Euro.
Das Potenzial dieser Technologie ist besonders bemerkenswert. Allein die Ausstattung bestehender Geothermieanlagen in Deutschland mit Lithiumextraktionsanlagen könnte große Mengen Lithium liefern. So wäre es sogar möglich zwischen zwei und 13 Prozent des für die Batteriefertigung benötigten Lithiums zu gewinnen. Diese Innovation könnte damit einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung der Abhängigkeit von traditionellen Lithiumimporten leisten.
Die technische Umsetzung erfolgt durch ein Netzwerk von fünf neuen Bohrplätzen mit insgesamt 24 Brunnen, die nicht nur erneuerbare Wärme für das lokale Fernwärmenetz bereitstellen, sondern auch die Lithiumgewinnung ermöglichen. Darüber hinaus demonstriert das Projekt eindrucksvoll die Synergie zwischen Energiegewinnung und Rohstoffextraktion.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Der deutsche Batteriemarkt verzeichnet eine bemerkenswerte Entwicklung mit einem Wachstum von 32 Prozent auf 23,2 Milliarden Euro im Jahr 2023. Dabei zeigt sich besonders der Lithium-Ionen-Sektor als Wachstumstreiber mit einem Umsatzplus von 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr. (ZVEI: 02.07.2024)
Die wirtschaftlichen Auswirkungen manifestieren sich in folgenden Kennzahlen:
- Lithium-Ionen-Batterien dominieren mit 18,9 Milliarden Euro Umsatz
- Die Lithiumbatterieproduktion stieg um 16 Prozent
- Das Importvolumen erreichte einen Rekordwert von 23,7 Milliarden Euro
Trotz dieser positiven Entwicklung zeigen sich erhebliche Herausforderungen. Europa könnte derzeit weniger als die Hälfte (47%) der bis 2030 erwarteten Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien decken. Besorgniserregend ist, dass für 53% der angekündigten Produktionskapazitäten ein mittleres bis hohes Risiko besteht, verzögert oder gestrichen zu werden.
Die Verlagerung der Elektrofahrzeuglieferkette aus China nach Europa könnte die Emissionen bei der Batterieherstellung um 37% senken. Bei Nutzung erneuerbarer Energien steigt das Einsparpotenzial sogar auf über 60%. Dies unterstreicht die wirtschaftliche und ökologische Bedeutung einer europäischen Batterieproduktion.
China bleibt mit einem Importvolumen von 9,3 Milliarden Euro der wichtigste Batterielieferant für Deutschland, was die anhaltende Abhängigkeit vom asiatischen Markt verdeutlicht. Diese Situation erfordert dringend strategische Maßnahmen zur Stärkung der europäischen Produktionskapazitäten.
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