Der Zustand der deutschen Industrie gibt Anlass zur Sorge. Insolvenzen und Stellenabbau nehmen zu, während große Unternehmen wie Volkswagen Sparprogramme ankündigen. Immer mehr Betriebe verlagern ihre Produktion ins Ausland, da dies wirtschaftlich attraktiver erscheint. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), äußerte sich dazu deutlich: „Die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland hat schon begonnen. Die Großunternehmen verlagern, der Mittelstand leidet oder macht dicht. Das ist eine Bankrott-Erklärung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Neue Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass der Industrie wichtige Aufträge fehlen (merkur: 09.01.25).
Auftragsrückgänge und die Rolle von Großaufträgen
Aktuelle Zahlen von Destatis belegen einen Rückgang der Bestellungen im Verarbeitenden Gewerbe. Im November sank der Auftragseingang im Monatsvergleich um 5,4 Prozent. Ein entscheidender Faktor dabei: Großaufträge. Ohne diese hätte das Ergebnis lediglich ein Minus von 0,2 Prozent gezeigt. Im Jahresvergleich schrumpften die Aufträge im November um 1,7 Prozent. Der Oktober zeigte ein gemischtes Bild: Zwar ging der Auftragseingang im Monatsvergleich um 1,5 Prozent zurück, doch im Vergleich zum Vorjahr gab es ein Plus von 5,7 Prozent.
Langfristig betrachtet, zeigt sich eine leichte Erholung. Zwischen September und November 2024 stieg der Auftragseingang um 1,7 Prozent im Vergleich zu den vorherigen drei Monaten. Ohne Berücksichtigung der Großaufträge betrug der Anstieg immerhin 0,5 Prozent.
Branchen unter Druck: Wo die Verluste am größten sind
Besonders stark betroffen ist der Sonstige Fahrzeugbau, zu dem Flugzeuge, Schiffe und Züge gehören. Im November brach der Auftragseingang hier um 58,4 Prozent ein, nachdem es im Oktober deutlich höhere Bestellungen gegeben hatte. Auch die Pharmaindustrie verzeichnete einen Rückgang von 7,2 Prozent, während die Metallerzeugung ein Minus von 1,2 Prozent hinnehmen musste.
Es gibt jedoch auch positive Signale. Der Maschinenbau legte um 1,2 Prozent zu, und die Chemieindustrie verzeichnete ein Plus von 1,7 Prozent. Trotz dieser Lichtblicke bleiben die Herausforderungen groß. Die Zahlen verdeutlichen, dass die deutsche Industrie massiv unter Druck steht, sowohl durch internationale Konkurrenz als auch durch hohe Kosten und bürokratische Hürden.
Internationale Konkurrenz und fehlende Wettbewerbsfähigkeit
Die neuen Daten zeigen einen alarmierenden Trend: Die Nachfrage aus dem Ausland sank im November um 10,8 Prozent im Vergleich zum Oktober. Gleichzeitig stieg die Nachfrage im Inland um 3,8 Prozent. Jupp Zenzen, Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer, führte die Entwicklungen auf hohe Steuern, Energiekosten und bürokratische Belastungen zurück. Diese Faktoren machen Deutschland für Investoren und Unternehmen zunehmend unattraktiv.
Der Bund der Deutschen Industrie (BDI) warnt vor weiteren Einbrüchen. Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des BDI, erklärte: „Die deutsche Industrie steht massiv unter Druck. Nach dem Rückgang der Industrieproduktion im Jahr 2024 ist auch 2025 keine Erholung zu erwarten.“ Besonders problematisch seien die Schwierigkeiten in den Leitbranchen, die weiterhin starke Rückgänge verzeichneten.
Forderungen nach Reformen
Die deutsche Wirtschaft benötigt dringend politische Reformen, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Tanja Gönner fordert eine handlungsfähige Regierung, die mit Mut und Entschlossenheit Reformen umsetzt. Nur so ließe sich eine nachhaltige Wachstumsdynamik schaffen. Ohne eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik droht Deutschland, seinen Status als Industrienation langfristig zu verlieren. Die Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit eines strategischen Umdenkens.
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