Die Bundesregierung plant, täglich vier bis fünf neue Windräder in Deutschland zu errichten. Allerdings produzieren die Windkraftanlagen bereits heute zu viel Strom, wenn der Wind kräftig bläst. Diese schalten die Netzbetreiber dann ab, da es keine Speichermöglichkeiten gibt und die Netze nicht in der Lage sind, den Strom zu transportieren. Für die Betreiber ist das kein Problem, denn sie erhalten trotzdem eine Vergütung für den Strom, den „Geisterstrom“. Das ist der Strom, den sie in der Abschaltphase hätten erzeugen können. Bezahlen müssen dies die Verbraucher über den Strompreis. Ein solches System ist vollkommen absurd und die Kosten für nicht produzierten Strom werden mit jedem weiteren Zubau weiter steigen (wirtschaftskurier: 07.02.23).
„Geisterstrom“: Hindernis beim Ausbau der Windenergie trotz Vorhaben des Bundeskanzlers Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Ausbau der Windkraft zu einer seiner Prioritäten gemacht und drängt auf beschleunigte Fortschritte. Er hat den täglichen Bau von vier bis fünf Windräder an Land bis zum Jahr 2030 angekündigt. Am 1. Februar trat das „Wind-an-Land-Gesetz“ in Kraft. Es beschleunigt die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windräder und zwingt die Länder, in den kommenden neun Jahren 2 % ihrer Bundesfläche für die Windenergie bereitzustellen. Eine gesamthafte Planung, die auch die Einspeisung des Stroms in die Übertragungsnetze berücksichtigt, gibt es allerdings nicht.
Windenergie-Ausbau: Herausforderung „Geisterstrom“ lässt FDP Zweifel an Plänen von Scholz und Habeck hegen
Der Ausbau der Windenergie ist noch immer von einer entscheidenden Herausforderung behindert, die weder Scholz noch Minister Habeck öffentlich ansprechen. Es handelt sich um das Problem des „Geisterstroms“. Dieser Begriff ist seit einer Dekade ein Bestandteil der Diskussion über die Windkraft und wurde jetzt wieder von der FDP in Bezug auf die Ausbaupläne von Scholz und Habeck ins Rampenlicht gerückt.
Der Energieexperte der FDP, Michael Kruse, betont die Notwendigkeit von Speichern und Netzausbau bei neuen Windrädern. Laut Kruse kostet der „Geisterstrom“ die Verbraucher große Summen. Selbst wenn die Windräder bei Stromüberproduktion am Netz bleiben, wird der Strom oftmals zu Negativpreisen ins Ausland geleitet. Daher halten die Liberalen die Pläne von Scholz und Habeck für überteuert und einseitig. Bundestags-Vize Wolfgang Kubicki (FDP) ergänzt, dass ohne Speicher ein massiver Ausbau von Windkrafträdern nur bestehende Probleme verschlimmern würde, statt sie zu lösen.
Was bedeutet „Geisterstrom“?
Die Stromnetzbetreiber bezeichnen es als „Einspeisemanagement“, wenn sie Strom aus erneuerbaren Energien zwangsweise ausgeschalten, um einzelne Abschnitte des Übertragungsnetzes vor Überlastung zu schützen.
Dabei werden Windkraftanlagen oder die Wechselrichter von Solaranlagen abgeschaltet. Die dadurch nicht produzierte Energie wird in der Branche als „Ausfallarbeit“ bezeichnet. Der Ausdruck „Ausfallarbeit“ verdeutlicht das nächste Problem, denn die nicht produzierte Energiemenge muss bezahlt werden. Die Betreiber von Anlagen erhalten für die zwangsweise nicht produzierte Energiemenge eine finanzielle Entschädigung. Diese Entschädigung ist so hoch wie die Einnahmen für den Strom, die sie bei einem regulären Netzbetrieb erzielt hätten. Daher ist „Geisterstrom“ ein angemessener Ausdruck für dieses Phänomen.
Kosten für verschenkte Energie: Verbraucher zahlen Millionen für nicht erzeugten Strom
Die Menge an „Geisterstrom“ hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Besonders in Gebieten, in denen der Ausbau erneuerbarer Energien schnell vorangeschritten ist, wie zum Beispiel an der Küste, hinken die Netzkapazitäten bei der Übertragung oder Speicherung des produzierten Stroms deutlich hinterher. Alleine im Jahr 2022 betrug die Abregelung bei Windkraftanlagen nach Schätzungen des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft rund drei Milliarden Kilowattstunden.
Diese „Geisterstrom“-Situation verursacht nicht nur Kosten, die im Jahr 2021 bereits über 800 Millionen Euro betrugen, sondern sie ist auch ein verschenktes Potenzial. Mit dieser Energiemenge hätte man tausende Haushalte mit Strom versorgen können.
Lösung für das „Geisterstrom“-Problem: Experten fordern neue Ansätze und Gesetzgebung
Um die Problematik von „Geisterstrom“ zu bekämpfen, plädiert Kerstin Andreae, die Chefin des Bundesverbands der Energiewirtschaft, für ein Wasserstoffgesetz, das klären soll, wann Überschussstrom für die Wasserstoffproduktion genutzt werden kann. Tobias Goldschmidt, grüner Umweltminister im windreichen Schleswig-Holstein, fordert eine weitsichtigere Herangehensweise und legt den Fokus auf den Ausbau großer Stromautobahnen. Da der Zubau erneuerbarer Energiequellen weiter zunimmt, ist ein erneuter Anstieg des „Geisterstroms“ in den kommenden Jahren wahrscheinlich.
Die einfachste Lösung wäre es, den überschüssigen „Geisterstrom“ nicht mehr zu vergüten. Doch dann wird die Regierung nicht mehr genug Investoren finden, die ihr Geld in Windkraftanlagen anlegen, da sich diese zu einem großen Teil nicht mehr rentieren. Währenddessen steigt der Strompreis für die Verbraucher von einem Rekord zum nächsten.
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