Comeback der Kernenergie – Industrie drängt auf Reaktivierung deutscher Atomkraftwerke

Das Comeback der Kernenergie gewinnt an Dynamik. Führende Unternehmen der europäischen Nukleartechnik sehen realistische Chancen für eine Rückkehr deutscher Atomkraftwerke ans Netz. Sechs Reaktoren ließen sich technisch kurzfristig reaktivieren. Die Anbieter betonen den Nutzen für Klimaschutz, Versorgungssicherheit und sinkende Strompreise. Trotz politischer Differenzen erscheint ein Comeback der Technologie erstmals wieder greifbar (welt: 26.03.25).


Comeback der Reaktoren technisch realisierbar

Framatome, Nachfolger der Siemens-Kerntechnik und mit den deutschen Anlagen bestens vertraut, sieht keine Hürden bei der Wiederinbetriebnahme. Geschäftsführer Carsten Haferkamp unterstreicht: „Strom aus Kernkraftwerken ist eine wichtige Säule, um kurzfristig CO₂-Emissionen zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft durch günstige Stromkosten zu stärken.“

Führende Unternehmen drängen auf Comeback deutscher AKWs - Vorteile für Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Strompreise
Führende Unternehmen drängen auf Comeback deutscher AKWs – Vorteile für Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Strompreise

Auch Westinghouse Electric Germany bringt sich in Stellung. „Der Neustart von Kernkraftwerken ist bereits vor 2030 möglich – ohne Abstriche bei der nuklearen Sicherheit“, betont Geschäftsführer Martin Pache. Das Unternehmen verweist auf globale Erfahrung und kündigt an, alle nötigen Komponenten und Dienstleistungen bereitstellen zu können.

Jörg Harren von Urenco Deutschland sieht ebenfalls keine Hindernisse bei der Brennstoffversorgung. Die Reaktivierung sei sinnvoll – sowohl mit Blick auf den Klimaschutz als auch für die Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen. Unterstützung kommt auch von der kerntechnischen Gesellschaft, die auf breite Fachkompetenz in Deutschland verweist.

Politik uneins, Fachleute warnen vor Kompetenzverlust

Während CDU und CSU eine wissenschaftlich fundierte Prüfung fordern, sperrt sich die SPD gegen eine Neubewertung. Ein Entwurf des Koalitionsvertrags zeigt, dass das Kapitel zur Kernkraft vollständig in eckigen Klammern steht – ein Zeichen für politische Ablehnung. Dennoch fordert die Union, den Rückbau gestoppter Reaktoren vorerst auszusetzen.

Aus der Forschung kommen klare Empfehlungen. Thomas Walter Tromm vom KIT hält eine Reaktivierung für wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll. „Die Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken in Deutschland bringt wirtschaftlichen Nutzen sowie Vorteile für die Umwelt und wird die Kompetenzerhaltung und -entwicklung wesentlich und effektiv fördern.“ Auch Professor Marco K. Koch von der Ruhr-Universität Bochum verweist auf vorhandenes Know-how und die Einsatzbereitschaft akademischer Einrichtungen.

AKW-Betreiber skeptisch – neue Modelle denkbar

Die deutschen Energieversorger RWE, E.on, EnBW und Vattenfall zeigen kaum Interesse an einer Rückkehr zur Kernkraft. Politische Unsicherheiten und wirtschaftliche Rückschläge prägten die Vergangenheit. Die Einführung einer Brennelementesteuer und der konsequente Atomausstieg unter grüner Regierungsbeteiligung schufen Misstrauen.

Behörden setzten häufig auf eine atomkritische Auslegung von Regeln. Parallel beeinflussten NGOs und staatlich finanzierte Studien die öffentliche Meinung. Der Rückhalt für ein Comeback aus der Politik fiel entsprechend schwach aus. Doch nun stehen alternative Betreiber-Modelle zur Debatte: Staatlich kontrollierte Gesellschaften könnten einspringen, wie es in Belgien bereits geschah.

Auch eine Beteiligung der kerntechnischen Industrie erscheint denkbar. Framatome, Westinghouse oder Urenco verfügen über internationale Verbindungen und technische Ressourcen. Eine Rückkehr auf Betreiberseite könnte so auch ohne die klassischen Energieversorger gelingen.


CO₂-Reduktion und Versorgungssicherheit im Fokus

KernD, das Kompetenznetzwerk der Branche, verweist auf konkrete Potenziale: Bis zu 65 Millionen Tonnen CO₂ ließen sich jährlich einsparen, wenn Kernkraftwerke Kohle ersetzen. Im Vergleich zu Gaskraftwerken wären es 30 Millionen Tonnen. Die sechs Reaktoren könnten bis 2050 betrieben werden.

„Der Strom kommt bedarfsgerecht und planbar, da die Kraftwerke schon Teil der deutschen Strominfrastruktur waren“, argumentiert der Lobbyverband. Teure Stromimporte ließen sich verringern. „Unabhängiger und wettbewerbsfähiger Industriestrom ist damit in Greifweite, schädliche Preisschwankungen am Strommarkt nehmen ab.“

Bereits in einer Studie unter Leitung von Veronika Grimm belegten Ökonomen den preisdämpfenden Effekt der Kernkraft. Auch die Boston Consulting Group gelangte jüngst zu ähnlichen Ergebnissen. Damit wächst der Druck auf die Politik, dem Comeback der Kernenergie eine sachliche Grundlage zu geben – fern ideologischer Blockaden.

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Zuletzt aktualisiert am Januar 14, 2025 um 21:39 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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