Baustellen im deutsch-französischen Verhältnis

Es gibt Themen, die Deutschland und Frankreich in ihren bilateralen Beziehungen lange Zeit ausgeklammert haben. Durch den Ukraine-Krieg sind Verteidigungs- und Energiepolitik allerdings in den Vordergrund gerückt. Und das US-Subventionspaket lässt Berlin und Paris bei der Industriepolitik näher zusammen stehen. Allerdings gibt es nach wie vor viele Konfliktpunkte. Eine Übersicht:


Europäischer Raketenabwehrschirm

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in seiner Grundsatzrede in Prag für den Aufbau einer europäischen Luftverteidigung geworben. Seit dem Ukraine-Krieg war eine Lücke im europäischen Verteidigungssystem deutlich geworden. Mitte Oktober unterzeichneten 15 Staaten eine entsprechende Absichtserklärung.

Frankreich war eingeladen gewesen, wollte sich aber nicht beteiligen. Staatschef Emmanuel Macron betont, dass er die nukleare Abschreckung seines Landes für ausreichend halte. Frankreich entwickelt zudem gemeinsam mit Italien eine eigene Raketenabwehr.

Einige Themen sorgen für Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich. Lesen Sie hier eine Übersicht der Konfliktpunkte.
Baustellen im deutsch-französischen Verhältnis

Zudem stört sich Frankreich daran, dass Deutschland auch israelische und US-Technik nutzen will. „Wir sähen es lieber, dass Europa auf seine strategische Autonomie setzt“, heißt es im Elysée-Palast. Berlin hält dem entgegen, dass die Systeme genutzt werden müssten, die derzeit verfügbar seien, und dass es zu lange dauern würde, eine eigene Lösung zu entwickeln.


Energiepolitik

Als Anfang des Winters der Strom knapp zu werden drohte, warfen Frankreich und Deutschland sich gegenseitig vor, bei der Energiepolitik jeweils den falschen Weg eingeschlagen zu haben: Auf der einen Seite des Rheins gab es Probleme mit Atomkraftwerken, auf der anderen mit der Gasversorgung.

Mittlerweile haben sich beide Länder innerhalb der EU auf gemeinsame Gaseinkäufe geeinigt und beliefern sich außerdem gegenseitig mit Gas und Strom. Einig sind sich die Partner auch darin, dass der Strommarkt reformiert werden soll, da der Strompreis sich derzeit am Gaspreis orientiert. Wie genau das aussehen soll, wird allerdings noch debattiert. Deutschland ist daran gelegen, Investitionen in erneuerbare Energien abzusichern.

Auch beim Thema Wasserstoff zeichnen sich Konfliktlinien ab. Ein deutsch-französisches Joint-Venture will sich in der Normandie am Aufbau einer großen Anlage zur Wasserstoffproduktion beteiligen. Frankreich will für das energieintensive Verfahren Atomstrom nutzen. Damit wäre es für Deutschland allerdings kein „grüner“ Wasserstoff mehr.

Antwort auf US-Subventionen

Deutschland und Frankreich sind sich einig, dass das US-Subventionspaket IRA (Inflation Reduction Act) der europäischen Wirtschaft schaden kann. Es besteht Sorge, dass europäische Unternehmen benachteiligt werden oder gar abwandern. Deutschland setzt in erster Linie auf Verhandlungen mit den USA, um Ausnahmeregeln durchzusetzen. Außerdem sollen europäische Subventionen schneller bewilligt und bestehende Mittel besser ausgeschöpft werden.

Frankreich denkt darüber hinaus an einen neuen Fonds, von dem auch ärmere EU-Staaten profitieren könnten. Dieser könne auch durch Schulden finanziert werden, meint Macron unter Verweis auf den Corona-Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro. Diese Idee stößt in Deutschland derzeit auf taube Ohren.


Sprachunterricht

In beiden Staaten sinkt das Interesse an der Sprache des Nachbarlandes, trotz zahlreicher Bemühungen der deutsch-französischen Institutionen. In Frankreich sind die Zahlen besonders drastisch zurückgegangen. Tatsächlich gibt es eine Abwärtsspirale: Je weniger Kinder Deutsch lernen, desto weniger studieren Germanistik und desto weniger Lehrpersonal gibt es.

Da Lehrer in Frankreich jeweils nur ein Fach unterrichten, sind Deutschlehrer oft an mehreren Schulen im Einsatz. Das lässt ihnen weniger Zeit, Austausche zu organisieren. Im aktuellen Schuljahr wurden 70 Prozent der Deutschlehrer-Stellen nicht besetzt.

Beide Länder haben eine Sprachstrategie verabschiedet, um das Erlernen der Nachbarsprache besser zu fördern. Allerdings hat Frankreich sich gerade erst in einem Freundschaftsvertrag mit Spanien dazu verpflichtet, auch das Spanischlernen zu fördern. Da die meisten französischen Schüler nach Englisch nur noch eine weitere lebende Fremdsprache lernen, dürfte das auf Kosten des Deutschunterrichts gehen.

© Agence France-Presse

Zuletzt aktualisiert am September 25, 2024 um 11:30 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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