Abregelung von 40 % der Windstromproduktion in Schottland kostet Verbraucher über 138 Mio. Euro

In der ersten Jahreshälfte mussten schottische Windparks wegen Überproduktion fast 40 Prozent ihrer potenziellen Stromerzeugung abregeln. Diese Abregelung erfolgte, weil der Strom weder lokal genutzt noch in andere Regionen transportiert werden konnte. Die Betreiber erhielten dennoch hohe Ausgleichszahlungen. Nach Berechnungen der Energieanalysefirma Montel hätte die ungenutzte Strommenge aus dem Norden Schottlands sämtliche Haushalte des Landes für ein halbes Jahr vollständig versorgen können (montel: 11.08.25).


Wachsende Abregelung im Norden Schottlands

Von den insgesamt 4,6 Terawattstunden abgeregelten Stroms in Großbritannien entfielen 86 Prozent auf den Norden Schottlands – ein Anstieg um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Experten sehen darin ein deutliches Zeichen für strukturelle Defizite im britischen Stromnetz, dessen Umbau alle Verbraucher finanziell belastet.

Abregelung von Windstrom wegen Überproduktion und zu schwachen Netzen kostet Schottland über 138 Mio. Euro und treibt Strompreise
Abregelung von Windstrom wegen Überproduktion und zu schwachen Netzen kostet Schottland über 138 Mio. Euro und treibt Strompreise

Montel-Analyst Fintan Devenney erklärte: „Abgeregelte Strommengen steigen im Mittel und könnten weiter anwachsen, sobald zusätzliche erneuerbare Kapazitäten ans Netz gehen.“ Er forderte ein abgestimmtes Handeln von Politik und Wirtschaft, um praktikable Lösungen zu entwickeln.

Abgelegene Standorte verschärfen Netzengpässe

Viele Windparks befinden sich in dünn besiedelten Regionen wie dem Moray Firth vor der Nordostküste. Dort ist die Stromnachfrage gering, und die Kabelverbindungen reichen nicht aus, um den Überschuss nach Süden zu leiten. Betreiber speisen ihr Angebot zwar standortunabhängig in den Großhandelsmarkt ein, doch Netzengpässe verhindern häufig die geplante Einspeisung.

Der staatliche Netzbetreiber Neso steuert kontinuierlich die Stromflüsse, um Produktion und Verbrauch im Gleichgewicht zu halten. In der Praxis führt dies dazu, dass Windparks im Norden für Stillstand entschädigt werden, während im Süden Gaskraftwerke zusätzlich hochfahren.

Jahrzehnte fehlender Netzmodernisierung

Ein Branchenvertreter betonte: „Chronische Unterinvestitionen ins Netz haben diese Abregelungszahlungen verursacht.“ Der Ausbau der Leitungsinfrastruktur könne die Transportkapazitäten deutlich erhöhen. Doch Pläne für neue Hochspannungsleitungen stoßen auf Widerstand in ländlichen Gemeinden, die zusätzlichen Netzausbau für überflüssig halten.

Allein in den ersten sechs Monaten gab Neso rund 117 Millionen Pfund (etwa 138 Millionen Euro) für Abschaltungen in Nordschottland aus. Diese Beträge ersetzen meist entgangene Subventionen. Da die Kosten für Netzstabilität auf alle Stromrechnungen verteilt werden, trifft dies sämtliche Verbraucher.


Zunehmende Belastung in Sicht

Neso betonte, man wolle die Ausgaben für Netzstabilisierung möglichst gering halten und habe in den vergangenen zwei Jahren „mindestens 1,2 Milliarden Pfund innerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs“ eingespart. Dennoch könnte sich die Problematik der Abregelung verschärfen: Nach der ScotWind-Auktion 2022 sollen fast 30 Gigawatt zusätzliche Offshore-Windkapazität in schottischen Gewässern entstehen.

Angepasste Subventionsregelungen sollen künftig Betreiber dazu bewegen, bei Stromüberschuss eigenständig vom Netz zu gehen. Das britische Energieministerium verweist darauf, dass trotz Abregelungskosten bis 2030 eine saubere und günstigere Stromversorgung möglich sei.

Systemkritik aus Schottland

Die Regierung in London kündigt das größte Modernisierungsprogramm des Stromnetzes seit Jahrzehnten an, um Engpässe zu reduzieren. Dennoch äußerte die schottische Energieministerin Gillian Martin deutliche Kritik: „Ich habe klar gemacht, dass das aktuelle UK-Energiesystem nicht zweckdienlich ist. Es bedarf erheblicher Investitionen, um ein sauberes Stromsystem zu schaffen.“

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