Der Bundesrat plant eine Änderung der aktuellen Gesetzeslage, um den Neubau von Atomkraftwerken wieder zu ermöglichen. Dies ist bemerkenswert, da das Schweizer Volk im Jahr 2017 im Rahmen der Energiestrategie 2050 ein Verbot für den Bau solcher Anlagen ausgesprochen hatte. Nun zeigt eine Umfrage, dass mehr als die Hälfte der befragten Schweizer– 53 Prozent – diesen Vorstoß unterstützt. Vor allem Wählende der SVP befürworten den Bau neuer Atomkraftwerke, während Anhänger der Grünen die Risiken betonen und vor einem Rückschritt warnen. Die Debatte gewinnt erneut an Dynamik, und die Meinungen in der Bevölkerung sind geteilt (20min: 29.09.24).
Unterstützung in verschiedenen Bevölkerungsgruppen
Die Umfrage von 20 Minuten zeigt, dass es insbesondere Männer und SVP-Wählende sind, die den Bau neuer Atomkraftwerke unterstützen. So befürworten 63 Prozent der Männer das Vorhaben, während bei den Frauen nur 44 Prozent zustimmen.
In Bezug auf Parteisympathien zeigen sich besonders starke Unterschiede: 82 Prozent der SVP-Anhänger unterstützen den Bau, während nur 18 Prozent der Grünen-Wähler derselben Meinung sind. Auch Wählener der FDP (77 Prozent) und der Mitte (52 Prozent) befürworten mehrheitlich neue Atomkraftwerke. Auf der Gegenseite lehnen 81 Prozent der Grünen und 73 Prozent der SP-Wähler den Bau ab. An der Umfrage nahmen 19.552 Personen aus der gesamten Schweiz teil.
Argumente der Befürworter
Vanessa Meury, Präsidentin des Energie Clubs Schweiz, sieht in den Umfrageergebnissen eine Bestätigung für die Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle». Sie betont, dass die Schweizer Bevölkerung erkannt habe, wie wichtig eine sichere und saubere Energieversorgung sei. Laut Meury sei die Nachfrage nach Strom in Zukunft doppelt so hoch wie heute, weshalb der Ausbau der heimischen Energieproduktion unumgänglich sei. Sie verweist auch darauf, dass sich die Bevölkerung bisher nie explizit gegen Kernenergie ausgesprochen habe: «Das bestehende Technologieverbot ist ein Ergebnis der Energiestrategie 2050 und nicht direkt vom Volk beschlossen worden.» Für Meury ist klar, dass der Bundesrat die Zeichen der Zeit erkannt hat und die Stromversorgung sicherstellen möchte.
Kritik der Atomkraftgegner
Auf der anderen Seite äußern sich Vertreter der Grünen kritisch. Lisa Mazzone, Präsidentin der Grünen Partei, warnt vor einer „Rückkehr ins Atomzeitalter“. Für Mazzone ist die öffentliche Diskussion noch nicht ausreichend geführt worden. Sie fordert eine breite Debatte, die alle Aspekte beleuchtet, statt nur auf die Argumente von Bundesrat Rösti zu setzen. Insbesondere die Themen Finanzierung, Sicherheit und die Entsorgung des gefährlichen Atommülls stehen für die Grünen im Vordergrund. Deswegen plant die Partei, in der nächsten Session eine außerordentliche Debatte zum Thema Atomkraftwerke zu fordern.
Politische Lage und weitere Entwicklungen
Bereits in der Herbstsession kam das Thema Atomkraft im Nationalrat zur Sprache. Eine von der SVP eingebrachte Motion, die den Bau neuer Atomkraftwerke ermöglichen sollte, wurde mit 99 zu 85 Stimmen abgelehnt. Doch die Diskussion ist damit nicht beendet. In den kommenden Monaten dürfte das Thema weiter an Bedeutung gewinnen. Die Umfrage, durchgeführt von 20 Minuten und Tamedia, basiert auf den Antworten von 19’552 Personen aus der gesamten Schweiz, die vom 19. bis 22. September 2024 befragt wurden. Der statistische Fehlerbereich liegt bei 1,7 Prozentpunkten.
Diese Ergebnisse zeigen, dass die Frage der zukünftigen Energieversorgung die Schweiz weiter spaltet. Während die einen auf eine sichere Stromproduktion durch Atomkraft setzen, warnen die anderen vor den Risiken dieser Technologie. Klar ist, dass die Debatte noch lange nicht abgeschlossen ist.
Lesen Sie auch:
- In Italien ist Atomkraft wieder in Mode: Insbesondere junge Menschen sind dafür
- Schweizer Atompolitik vor Umbruch: Regierung plant Rückkehr zur Kernkraft
- Wachsende Unterstützung: Steuert die Schweiz auf ein Atomkraft-Comeback zu?
- Enteignung spanischer Bauern für Solarpark: Schweizer Energiekonzern Axpo unter Druck