Der Schraubenriese Würth feiert 80 Jahre Unternehmensgeschichte und den 90. Geburtstag seines Gründers Reinhold Würth. Die Bühne gehörte zuletzt dem visionären Unternehmer, der aus einem kleinen Laden ein Imperium mit 88.000 Beschäftigten formte. Doch der Glanz dieser Erfolgsgeschichte wird durch aktuelle Zahlen deutlich getrübt: Der Nettogewinn des Konzerns bricht um über 40 Prozent ein – ein Einschnitt, der selbst Würth nicht kaltlässt (wiwo: 07.05.25).
Schmerzhafte Rückgänge in Ertrag und Rendite
Die Zahlen offenbaren einen tiefen Einschnitt. Das Betriebsergebnis fällt um mehr als ein Drittel. Der Gewinn sinkt von 1,14 Milliarden Euro auf nur noch 673 Millionen. Besonders auffällig ist der Rückgang der Rendite: Statt 7,1 Prozent bleiben nur noch 4,6 Prozent.

Der Umsatz selbst zeigt mit einem Minus von 0,9 Prozent auf 20,21 Milliarden Euro zwar nur leichte Einbußen. Doch für ein Unternehmen, das jahrzehntelang zweistelliges Wachstum forderte – und meist auch lieferte –, bedeutet das einen Paradigmenwechsel. Die wirtschaftlichen Ziele geraten spürbar unter Druck.
Konjunktur schwach, Kosten hoch, Politik instabil
Würth gerät in einen Strudel aus externen Belastungen. Robert Friedmann, Sprecher der Konzernleitung, nennt eine Kombination aus schwacher Baukonjunktur, Rückgängen in der Industrie und geopolitischen Spannungen als Hauptursachen.
„Ein Rechtsruck geht durch unser Land“, kommentiert er die innenpolitische Lage. Die Aufrüstung in Europa, Handelskonflikte mit den USA und Zölle auf chinesische Produkte belasten zusätzlich. Besonders hart trifft Würth der US-Markt – zweitgrößter Absatzmarkt nach Deutschland – wegen der Abhängigkeit von Importen aus China.
Preisexplosionen treiben Kosten massiv nach oben
Hinzu kommen drastische Kostensteigerungen. Rohstoffe wie Aceton kosten heute viermal so viel wie Ende 2020. Nickelpreise haben sich verdoppelt, Erdgas verteuerte sich um 150 Prozent. Verpackung, Transport und Personal schlagen ebenfalls stärker zu Buche.
Laut Schaich, Mitglied der Konzernführung, liege die Ursache des Gewinneinbruchs klar in diesen externen Faktoren: „Was uns fehlt, ist der konjunkturelle Rückenwind.“ Die Ertragslage verschlechtert sich nicht aus eigener Schwäche, sondern aus einem von außen verursachten Druck auf Margen und Struktur.
Deutschland schwächelt, Ausland hält stabil
Im Inland verliert Würth deutlich an Boden. Der Umsatz sinkt um 3,9 Prozent auf 8 Milliarden Euro. Dagegen wächst das Geschäft im Ausland um 1,2 Prozent. Besonders Südeuropa entwickelt sich erfreulich.
Im Chemiebereich, zu dem auch Liqui Moly gehört, steigen die Umsätze weiter. Investiert wurde trotzdem umfangreich: Eine halbe Milliarde Euro flossen in Übernahmen, unter anderem in Polen und Italien. Doch selbst diese strategischen Zukäufe konnten den Rückgang beim Gewinn nicht kompensieren.
Keine Panik – aber der Druck steigt
Trotz aller Rückschläge gibt man sich in Künzelsau kämpferisch. Die Eigenkapitalquote liegt bei stabilen 48 Prozent. Über 1.000 neue Beschäftigte kamen hinzu. Der Konzern versucht, offene Stellen intern zu besetzen und betont, dass Stellenabbau nicht geplant sei.
Langfristig setzt Würth auf Stabilisierung. Ein Sondervermögen der Bundesregierung ab 2027 könnte Impulse liefern. Im Vertrieb bleibt der Leistungsdruck hoch: Quartalsweise Bewertungen, variable Vergütung, materielle Anreize – all das soll die Verkäufe ankurbeln.
Generationenwechsel und Zuversicht
Reinhold Würth hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Dennoch prägt seine Philosophie den Konzern weiterhin. Die neue Führung übernimmt – mit Enkeln in Schlüsselpositionen.
Friedmann zeigt sich trotz Krise optimistisch: Im ersten Quartal 2025 stiegen die Umsätze wieder um vier Prozent. Doch angesichts des massiven Gewinneinbruchs steht fest: Der Mythos vom unaufhaltsamen Wachstum wankt. Die kommenden Monate entscheiden, ob sich Würth neu erfindet – oder mit der Krise ringen muss.
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