Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt vor hohen Stromkosten in Deutschland

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm, die zum Expertenrat der sogenannten „Wirtschaftsweisen“ gehört, warnt eindringlich vor den Stromkosten hierzulande: Deutschland dürfte aus diesem Grund den Anschluss gegenüber den USA und China verlieren.


Stromkosten als Krisentreiber

Die deutsche Wirtschaft schrumpft seit 2023, inzwischen steckt sie in einer handfesten Rezession. Die Krise ist nach allgemeiner Expertenmeinung hausgemacht: Unter anderem tragen die hohen Strompreise dazu bei. Darauf weist aktuell die Expertin Veronika Grimm hin. Gleichzeitig warnt sie vor unrealistischen Erwartungen bezüglich einer Erholung der Wirtschaft.

Deutschlands Wirtschaft verliert laut Veronika Grimm wegen hoher Stromkosten an Wettbewerbsfähigkeit. Die Ökonomin fordert kalkulierbare Energiepreise, schnelleren Netzausbau und strukturelle Reformen.
Deutschlands Wirtschaft verliert laut Veronika Grimm wegen hoher Stromkosten an Wettbewerbsfähigkeit. Die Ökonomin fordert kalkulierbare Energiepreise, schnelleren Netzausbau und strukturelle Reformen.

Die derzeitige Krise sei immerhin eine der größten seit den 1950er Jahren. Zu den bekannten Gründen gehören auch die überbordende Bürokratie und hohe Steuersätze, doch noch mehr belasten „strukturelle Standortfaktoren“ die Unternehmen hierzulande, so die Ökonomin. Zu diesen zählt sie die im internationalen Vergleich extrem hohen Stromkosten. Noch spielt Deutschland in der obersten Liga der größten Wirtschaftsnationen gleich nach den USA und China, doch den Anschluss an diese Player dürfte die deutsche Ökonomie wohl bald verlieren, wenn die strukturellen Standortfaktoren nicht verbessert werden. Grimm schlägt unter anderem einen unbegrenzten Zugang zu den günstigsten Primärenergien vor, der aktuell durch Gesetze und Verordnungen limitiert ist. Darauf wies die 53-jährige Expertin in einem Interview hin, das sie mit „The European“ führte.

Kalkulierbarer Strompreis gefordert

In Deutschland können die Strompreise stark schwanken. Das hängt mit dem Einfluss der erneuerbaren Energien und dem europäischen Verbundnetz zusammen. Industrieunternehmen stellen sich mit ihrer Produktion teilweise darauf ein, was einen erheblichen logistischen Aufwand bedeutet und an Grenzen stößt. Hier sieht Veronika Grimm eine entscheidende Schwäche der einheimischen Energieversorgung. Die Firmen sollten nicht ständig nach dem billigsten Strompreis schauen müssen. Als Ziel müsse vielmehr „ein a) kalkulierbarer und b) auf lange Sicht tragfähiger Strompreis“ angestrebt werden, so die Ökonomin. Erreichen könne das die hiesige Politik nur, wenn sie strukturelle Kostenfaktoren anpasse. Stattdessen setze man hierzulande immer noch dauerhaft auf Subventionen. Doch diese können von Nachfolgeregierungen wieder kassiert werden. Das erhöht die Unsicherheit und erschwert erheblich die Investitionsentscheidungen der Unternehmen.

Netzausbau als Schlüsselfaktor

Die Wirtschaftsweise Grimm verweist zudem auf das zentrale Problem der unzulänglichen Energieinfrastruktur, die immer noch nur schleppend ausgebaut werde. Zwar gebe es für den Netzausbau ambitionierte Planungen, doch die Realität hinke diesen deutlich hinterher, so ihre Kritik. Die Expertin fordert daher dringend eine Kombination aus massiven Investitionen, Kosteneffizienz und schnellen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Auch sollte der Ausbau der einzelnen Energienetze stärker abgestimmt werden. Selbst eine Harmonisierung mit weiteren Infrastrukturen sei nötig. Die Ökonomin Grimm zählt im Interview diese Netze und sonstigen Infrastrukturen auf:

  • Strom
  • Gas
  • Wasserstoff
  • Fernwärme
  • CO₂-Transport
  • Glasfaser
  • Mobilität (Straße, Schiene, Wasserstraßen, Luftfracht)

Eine Harmonisierung würde Synergien schaffen. Gleichzeitig können die Baukosten enorm sinken. Ein Beispiel ist die Verlegung von Glasfaser- und Fernwärmeleitungen parallel zu einem Straßenbau.


Studie verweist auf langfristig hohe Stromkosten

Im Jahr 2024 führte Veronika Grimm gemeinsam mit Wissenschaftlern der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg eine Studie durch, die zu einer Prognose der Strompreisentwicklung in Deutschland führte. Das Handelsblatt veröffentlichte die wesentlichen Ergebnisse. Demnach schätzen die Forscher ein, dass die deutschen Stromkosten langfristig auf einem viel zu hohen Niveau verharren dürften. Daran ändere auch die Energiewende mit den erneuerbaren Energien nichts. Zwar ließen Windkraft und Fotovoltaik wahrscheinlich im Jahr 2040 einen direkten Preis von 3 ct/kWh erwarten. Da diese Energieformen aber nur unregelmäßig zur Verfügung stehen, müssen immer wieder Gaskraftwerke einspringen. Der realistische Strompreis dürfte daher in rund 15 Jahren eher bei 7 bis 8 ct/kWh liegen. Dieses Niveau wird auch schon gegenwärtig erreicht. Trotz des Ausbaus von erneuerbaren Energien sinken also die Stromkosten nicht.

Fazit

Deutschland muss strukturelle Faktoren verbessern, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Die ökologische Energiewende allein führt wenig bis nicht zu Preissenkungen beim Strom.

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