Im bayerischen Staatswald soll bei Altötting der größte Windpark des Freistaats entstehen. Es sind 40 Windräder mit einer Höhe von 200 Metern geplant. Dies sorgt für Proteste bei den Anwohnern, die es als „Anordnungspolitik“ empfinden. Selbst die Grünen betrachten das Projekt als „Abzocke“ (Welt: 11.06.23).
Pilgerwege um Altötting bald von 200 Meter hohen Windrädern begleitet
Die Pilgerwege um Altötting, die zu einem Wallfahrtsort führen, sollen bald von 200 Meter hohen Windrädern begleitet werden. Das französisch-deutsche Unternehmen Qair wird das Projekt planen, bauen und betreiben. Das erste Windrad könnte sich in viereinhalb Jahren drehen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bezeichnete dies als „ein frischer Wind für den Wind“. Bayern war bisher im Vergleich zu anderen Bundesländern bei der Windkraftentwicklung zurückgeblieben, hauptsächlich aufgrund ungünstiger Bedingungen und mangelndem politischen Willen, so die Kritiker.
Der Ausbau der Windkraft in Bayern war bisher schwer oder sogar unmöglich, hauptsächlich wegen des vorgeschriebenen Mindestabstands zu Wohngebieten. Im letzten Jahr wurden in ganz Bayern nur 14 neue Windkraftanlagen errichtet, während bundesweit 551 Anlagen gebaut wurden. Im Jahr 2021 wurden sogar nur sechs Anlagen genehmigt.
Jedoch hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Druck auf die Bundesländer erhöht, um den Windkraftausbau voranzutreiben. In Bayern wurde seit Mitte November eine entschärfte Version der 10H-Abstandsregel eingeführt. Laut Ministerpräsident Söder sind zwischen 300 und 340 Anlagen in Planung, um neuen Schwung in den Windkraftausbau in Bayern zu bringen.
Altötting’s Windpark: Grüne Energie für das Chemiedreieck und Besorgnis über schnelle Entwicklung
Das Projekt in Altötting ist von besonderer Bedeutung, da es einen Teil des nahegelegenen „Chemiedreiecks“ mit grünem Strom versorgen soll. In diesem Industriestandort im Südosten Bayerns verbrauchen Unternehmen wie Wacker und Linde etwa 0,5 Prozent der gesamten deutschen Strommenge und sorgen für Arbeitsplätze und Wohlstand in der Region. Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine gibt es jedoch immer wieder Bedenken, dass steigende Strompreise und eine gefährdete Energieversorgung dazu führen könnten, dass Unternehmen abwandern. Der Windpark soll diese Sorgen mildern.
Gleichzeitig gibt es neue Bedenken im Zusammenhang mit den Plänen. Einige in der Umgebung von Altötting empfinden die Entwicklung als zu schnell.
Kritik am geplanten Windpark: Bürgermeister zweifelt an Motiven und fordert mehr Bürgerbeteiligung
„Es entsteht der Eindruck, dass hier Windräder nur gebaut werden, um eine Quote zu erfüllen“, sagt Stefan Kammergruber, parteiloser Bürgermeister von Emmerting, einer der neun angrenzenden Kommunen des geplanten Windparks.
Stefan Kammergruber betont, dass er erneuerbare Energien für wichtig hält, aber Zweifel daran hat, ob 200 Meter hohe Anlagen im Wald der richtige Weg sind. Er fühlt sich unzureichend über das Vorhaben von den Staatsforsten und der Staatsregierung informiert und sieht darin einen Hauch von Anordnungspolitik. Da der Staatsforst Gemeingut ist, sollten die Bürger besser einbezogen werden.
Zumindest nach den Ankündigungen sind die Bayerischen Staatsforsten bestrebt, bürgernah zu agieren. Begriffe wie „kommunalfreundlich“ und „Akzeptanz der Bürger“ tauchen in den Unterlagen zum Vorhaben immer wieder auf. Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag, ist jedoch der Ansicht, dass das Projekt nicht wirklich bürgerfreundlich ist. Obwohl er und seine Partei den Ausbau der Windkraft und auch den geplanten Windpark unterstützen, kritisiert er die Umsetzung.
Kontroverser Zuschlag für Windpark-Projekt: Abzocke der Bürger und Kritik an fehlender Bürgerbeteiligung
Der Konzern Qair erhielt den Zuschlag für das Projekt, aber viele Menschen betrachten dies als Abzocke, da die Bürger nicht ausreichend davon profitieren. Die Kommunen sollen lediglich 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde erhalten, was laut Stümpfig als Mindeststandard angesehen wird. Dies wird von ihm als fehlende echte Bürgerbeteiligung kritisiert. Stümpfig bezeichnet die vorherige Ausschreibung als sehr schlecht. Anstatt sich auf Bürgernähe oder den Schutz der Natur zu konzentrieren, wurde bei der Ausschreibung hauptsächlich auf den besten Preis geachtet. Dadurch hatten kleinere regionale Unternehmen kaum eine Chance, den Zuschlag zu erhalten.
Einige Bürger äußern ebenfalls Kritik und bezweifeln den Sinn des Projekts. Eine Protestgruppe namens „Gegenwind Altötting“ wurde gebildet, die Infostände organisiert und Flyer verteilt. Die Mitglieder dieser Gruppe befürchten eine maximale Zerstörung des Waldes bei minimaler Stromerzeugung und betrachten das Projekt als sinnlosen Aktionismus. Experten aus der Branche bezeichnen den Standort im Staatsforst als durchschnittlich ertragreich. Aus diesem Grund sehen die Gegner des Projekts den geplanten Eingriff in die Natur als ungerechtfertigt an.
Bürgerbegehren könnten Standortwahl beeinflussen
Sieben der neun betroffenen Gemeinden haben sich mittlerweile für das Projekt ausgesprochen. „Ich bin nicht dafür, den Wald abzuholzen“, teilte Altöttings Bürgermeister Stephan Antwerpen (CSU) in einer Erklärung mit (Blackout-News: 08.02.23). Es sei allerdings notwendig „Nutzen und Chancen abzuwägen“. Und im Staatsforst seien die Chancen größer, weil es dort keine Ansiedlungen und Grundbesitzer gebe, die den Windkraftausbau blockieren.
Die Bayerischen Staatsforsten betonen, dass Windräder nur an Stellen geplant würden, an denen die anliegende Gemeinde auch zugestimmt habe. Die Protestgruppe „Gegenwind“ hat zwei Bürgerbegehren gegen den Windpark angekündigt. Sollten die Proteste Erfolg haben, dürfte das also die genaue Standortwahl beeinflussen – aber nicht den Windpark als Ganzes.