Das geplante Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist vorerst gestoppt. Wegen Vorbehalten in erster Linie von Ländern mit CDU/CSU-Regierungsbeteiligung wurde im Bundesrat am Freitag die Mehrheit für die erforderliche Zustimmung verfehlt. SPD und Grüne erwägen nun, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, der nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf (Handelsblatt 10.02.23)
Bundestag beschließt Schutz für Hinweisgeber: Kritik an Bundesrats-Entscheidung
Bei dem Gesetzentwurf zu hinweisgebenden Personen, der im Dezember vom Bundestag beschlossen wurde, geht es um deren Schutz vor Repressalien, aber auch um Vorgaben zum Aufbau interner und externer Meldekanäle durch Unternehmen und Institutionen. Der Schutz soll der Vorlage zufolge für alle Menschen gelten, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben.
Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency Deutschland kritisierte die Bundesrats-Entscheidung als „Trauerspiel“. Damit müssten Menschen „die auf Missstände hinweisen und damit Zivilcourage beweisen, weiter auf einen verlässlichen Schutzschirm warten“. Die von der Union dabei vorgebrachten Argumente seien „fachlich fragwürdig“ und teils „schlicht unrichtig“. „Die CDU schützt durch die Blockade im Bundesrat Finanzkriminelle statt Hinweisgeber“, kritisierte auch die Bewegung Finanzwende, die vor dem Bundesratsgebäude für das Gesetz demonstriert hatte.
SPD droht mit erneuter Einbringung von Whistleblower-Gesetz: Union kritisiert Vorhaben
Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler warf der Union vor, ihre Kritik an dem Vorhaben sei „an den Haaren herbeigezogen“. Er sehe hier keinen Raum für Verhandlungen, sagte Fiedler dem „Handelsblatt“. „Denkbar wäre daher, dass wir den Gesetzentwurf inhaltsgleich so schnell wie möglich in einer nicht zustimmungspflichtigen Form erneut in den Bundestag einbringen.“
„Wer Whistleblower nicht schützt, schützt Missbrauch, Korruption und Mauschelei“, kritisierte auch Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic auf Twitter das Vorgehen der Union. Sie kündigte an, die Ampel-Koalition werde an dem Gesetzesvorhaben festhalten, die Vorlage aber so verändern, dass die Zustimmung des Bundesrats nicht mehr erforderlich ist.
Das übliche Vorgehen bei Widerstand des Bundesrats gegen ein Gesetzesvorhaben wäre ein Vermittlungsverfahren. Dieses müsste von Bundesregierung oder Bundestag beantragt werden, da der Bundesrat dies nicht getan hat.
Union blockiert Whistleblower-Gesetz wegen Kosten und Bürokratie: Regierung geht über EU-Vorgaben hinaus
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) begründete das Nein der Union zu dem Vorhaben mit „hohen Kosten und zusätzlicher Bürokratie“ für Unternehmen. Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) wandte sich zudem gegen die geplante Vorschrift, auch einen anonymisierten Meldekanal für Hinweisgeber einzurichten. Damit gehe die Regierung über die Vorgaben der zugrundeliegenden EU-Verordnung hinaus.
Dagegen sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), im Bundesrat, interne Hinweise seien auch im Interesse der Unternehmen und Behörden, die so Haftungsansprüche oder Reputationsverluste vermeiden könnten. „Niemandem ist damit gedient, Probleme unter den Teppich zu kehren“, sagte der FDP-Politiker. Es gehe hier nicht in erster Linie um Bürokratiebelastung, „sondern um eine moderne Fehlerkultur in Unternehmen“, argumentierte auch Thüringens Bundesratsminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke).
„Das ist ein trauriger Tag für all diejenigen, die den Mut aufbringen, Missstände wie mangelnden Arbeitsschutz oder den Verkauf von gesundheitsschädlichen Produkten zu melden“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Das geplante Gesetz sei nicht zu weitgehend, sondern im Gegenteil „müsste es noch mehr Bereiche klarer regeln, um Hinweisgeber wirklich zu schützen“.
Schutz für Whistleblower: Regierung will EU-Vorgaben umsetzen, trotz Widerstand der Union
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Firmen ab 50 Mitarbeitenden sowie Behörden spezielle Meldestellen einrichten müssen. Wer diese nutzt, soll keine beruflichen Nachteile erleiden dürfen. Zudem soll es externe Meldewege geben, entweder zentral beim Bundesamt für Justiz oder auch auf Landesebene. Die Schutzregelungen für Hinweisgebende sollen in bestimmten Fällen auch dann greifen, wenn diese sich an die Öffentlichkeit wenden. Erleiden sie dennoch Repressalien, haben sie Anspruch auf Schadenersatz.
Mit der Regelung soll eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, womit Deutschland bereits mehr als ein Jahr im Rückstand ist. Dieser dürfte sich nun weiter zu vergrößern, was Strafzahlungen nach sich zieht. Das Gesetz war bereits in der vergangenen Wahlperiode am Widerstand der CDU/CSU gescheitert.
AFP / Blackout News