Wasserstoffprojekt in Bayern unrentabel: Größte Elektrolyseanlage in Wunsiedel steht still

Ministerpräsident Söder hat die größte bayrische Elektrolyseanlage in Wunsiedel bei deren medienwirksamen Inbetriebnahme als „Herzschrittmacher Bayerns“ bezeichnet. Mittlerweile steht die Anlage weitgehend still (Sueddeutsche: 15.02.23).


Strompreisbremse bringt Wasserstoffprojekt in Bayern zum Stillstand

Bayerns größte Elektrolyseanlage in Wunsiedel hätte eigentlich ein Vorbildprojekt für die Energiewende sein sollen und Philipp Matthes, einer der Geschäftsführer, hatte gedacht, mit seinem innovativen Projekt voranzuschreiten. Die Anlage sollte Wasserstoff für die Region aus erneuerbaren Energien liefern und als Vorbild für die aufkommende Wasserstoffwirtschaft dienen, die hauptsächlich dazu beitragen soll, die Energiesorgen der Industrie zu lindern. Allerdings befinden sich Matthes und seine Anlage derzeit in einer Warteposition, wie er es nennt. Die Produktion ist vorerst gestoppt und falls die Anlage doch produziert, dann nur in geringen Mengen.

Das Vorzeigeprojekt im Fichtelgebirge ist weitgehend stillgelegt. Die Hauptursache dafür liegt in der Strompreisbremse, die in diesen schwierigen Zeiten eigentlich dazu dienen sollte, günstige Energie zu gewährleisten, sich aber stattdessen ins Gegenteil verkehrt hat. Dadurch droht die Zukunft des Wasserstoffprojekts in Wunsiedel zum Stillstand zu kommen, noch bevor es richtig in Gang gekommen ist.

Wasserstoffprojekt in Wunsiedel aufgrund hoher Strompreise unrentabel. Weiterer Ausbau der Wasserstoffherstellung auf Eis gelegt
Wasserstoffprojekt in Wunsiedel aufgrund hoher Strompreise unrentabel. Weiterer Ausbau der Wasserstoffherstellung auf Eis gelegt
Bild: Hanno Böck, CC0, via Wikimedia Commons

Bundesland Bayern als Wasserstoff-Vorreiter

Dabei verlief der Start verheißungsvoll. Zur Eröffnung der Anlage namens WUN H2 im vergangenen September reisten Politik- und Medienvertreter aus dem ganzen Land an. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kam, sprach vom „Herzschrittmacher Bayerns“ und wie großartig Wunsiedel sei: „Was hier passiert, ist Champions League.“ Der Elektrolyseur mit einer Leistung von 8,75 Megawatt ist Teil des „Wunsiedler Wegs“, den die Region eingeschlagen hat. Mithilfe von Wind- und Sonnenkraft zerlegt die Anlage Wasser in Sauer- und Wasserstoff. Letzterer fließt in die Industriehallen von Autozulieferern und Metallverarbeitern oder wird rückverstromt. Die Uni Bayreuth forscht mit, auch eine Wasserstofftankstelle ist geplant für mehr grüne Mobilität. Betrieben wird das Ganze gemeinsam von den Stadtwerken, dem Elektrolyseur-Hersteller Siemens und der Firma Rießner-Gase. Tragen soll es sich eigenwirtschaftlich. Ein anspruchsvolles Vorhaben: Nur wenn die Produktion von Wasserstoff rentabel und konkurrenzfähig ist, wird sie Nachahmer finden, sind Fachleute überzeugt. Nicht einfacher macht die Sache, dass man bei der Elektrolyse mehr Energie hineinsteckt, als umgewandelt herauskommt.


Wasserstoffprojekt in Wunsiedel aufgrund hoher Strompreise unrentabel

Die WUN H2-Anlage ist von großer Bedeutung, aber derzeit von Unsicherheiten umgeben. Die Gründe dafür sind kompliziert und selbst die Kurzfassung erfordert drei Seiten, die Ende November von Wunsiedels Bürgermeister als offener Brief an das Bundeswirtschaftsministerium geschickt wurden. Der Betrieb des Elektrolyseurs ist demnach „unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten akut gefährdet“.

Mit dem neuen Gesetz zur Strompreisbremse will der Bund Überrenditen an der Strombörse abschöpfen. Für die Betreiber von Wind- und Solaranlagen hat sich die Stromproduktion nicht verteuert, sodass sie ihre Energie günstig verkaufen könnten. Dies hilft den Wunsiedlern jedoch nicht: Sie konnten bisher keinen direkten Vertrag mit einem lokalen Stromversorger abschließen und müssen weiterhin zu einem sehr hohen Preis an der Strombörse einkaufen. Die Kosten sind so hoch, dass sich die Produktion von Wasserstoff nicht lohnt. Es erscheint auch unrealistisch, den geplanten Vertrag mit einem lokalen Windenergieanbieter abzuschließen, da dieser aufgrund der Differenz zwischen Börse- und Direktvermarktung selbst Geld verlieren würde, wenn er ihn billiger zur Wasserstoffherstellung verkaufen würde.

Wunsiedels Wasserstoffanlage in Gefahr: Unsicherheiten um die weitere Entwicklung trotz Strompreisbremse

Die weitere Entwicklung in bleibt unsicher. Die Strompreisbremse beinhaltet theoretisch einige Klauseln für solche Situationen. Ob sie jedoch in der Praxis einen Ausweg aus dem Dilemma bieten, ist umstritten. In Wunsiedel ist man der Meinung, dass die Vorgaben nicht auf sie zutreffen. Das Bundeswirtschaftsministerium teilt jedoch auf Anfrage mit, dass die Elektrolyseanlage durchaus profitieren könne. Trotzdem sei man bei der Ausgestaltung der Strompreisbremse an die europäischen Vorschriften gebunden. Die EU-Notfallverordnung schreibt vor, welche Technologien in die Abschöpfung einbezogen werden müssen. Außerdem ist ein Stichtag erforderlich, bis zu dem die sogenannten PPA-Verträge zwischen den Erzeugern und Abnehmern erneuerbarer Energien abgeschlossen sein müssen, um berücksichtigt zu werden. Andernfalls würde die Abschöpfung der Übergewinne „praktisch leerlaufen“.


Weiterer Ausbau der Wasserstoffherstellung in Wunsiedel auf Eis gelegt

Im Fichtelgebirge sorgen solche Aussagen eher für Verunsicherung als für Entlastung. Der festgelegte Stichtag Anfang November 2022 ist längst vergangen und das Auslaufen der Strompreisbremse ist erst für Ende April 2024 geplant. Matthes und Krasser hoffen jedoch darauf, dass die Regeln angepasst werden. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen sei es unmöglich, den Elektrolyseur wie geplant zu betreiben. „Es ist schwierig, einem Kunden in drei Monaten zu sagen, zu welchem Preis er Wasserstoff kaufen kann“, erklärt Matthes. Der weitere Ausbau der Anlage, die ein Vorzeigeprojekt sein soll, wurde ebenfalls auf Eis gelegt. Ursprünglich hatte Siemens vor, die Kapazitäten zu verdoppeln.

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