Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der damit verbundenen Versorgungsunsicherheit beim Gas sind sich Politiker, Versorger und die meisten Experten einig: Wir müssen weg vom Erdgas. Das wäre nebenher auch ein deutlicher Beitrag zum Klimaschutz. Inzwischen diskutiert man, inwieweit Wasserstoff auch zum Heizen geeignet wäre. Bei diesem Punkt warnen Fachleute: Wasserstoff kann keinesfalls unkompliziert das bisherige Erdgas ersetzen.
Wasserstoff als Hoffnungsträger
Wasserstoff gilt als großer Hoffnungsträger. Dafür sorgen auch Lobby- und Interessenverbände, so der BDEW (Bund deutsche Energiewirtschaft). Er befürwortet schon lange mit großem Engagement den Ausbau erneuerbarer Energien und nun auch den schnellen Hochlauf von Wasserstoff. Gleichzeitig verweist er vollkommen zu Recht darauf, dass es sich um grünen Wasserstoff handeln müsse, dessen hoher Strombedarf aus erneuerbaren Energien stammt. Das ist alles prinzipiell richtig und geschieht auch schon, denn ein wenig Wasserstoff ist bereits in unseren Gasnetzen. Technisch sind nicht mehr als 10 % Beimischung möglich. Dieser Grenzwert ist bislang aber noch nicht erreicht. Er könnte sogar mit technischen Anpassungen nach oben geschoben werden, sodass dann Wasserstoff wie Erdgas verbrannt würde. Es entsteht dabei sehr umweltfreundlich nur Wasserdampf, wodurch der Wasserstoff gegenüber Erdgas gleichzeitig ökologische und politische Vorteile brächte. Dass Wasserstoff ein probater Energieträger ist, beweist er bereits in Brennstoffzellen, die seine Energie in elektrischen Strom umwandeln.
Umstrittener Einsatz von Wasserstoff für die Gebäudewärme
Fachleute sind allerdings davon überzeugt, dass Wasserstoff im Gebäudewärmesektor technisch nur schwer einsetzbar ist und es darüber hinaus heute effizientere Alternativen zum Heizen gibt. Ein Kurzdossier zum Thema stammt vom Kopernikus-Projekt Ariadne, an dem sich sechs Forschungsinstitute beteiligen. Das Fazit lautet: Die Hoffnung, mit Wasserstoff Erdgas ersetzen zu können, ist wohl übertrieben. Auch S4F, ein überinstitutioneller Zusammenschluss von Wissenschaftlern, hält den Wasserstoffeinsatz für die dezentrale Gebäudeheizung für wenig praktikabel. Er sei zu knapp, damit zu teuer und gleichzeitig wärmetechnisch zu ineffizient.
Gesamtwirkungsgrad bei Wasserstoff schlechter als Wärmepumpe
Wärmepumpen und sogar Direktstromheizungen würden deutlich mehr Wärme aus der zugeführten Energie erzeugen. Projektentwickler stimmen diesen Aussagen zu. Das Entwicklungsunternehmen Drees & Sommer etwa gestaltet Gebäude mit Zukunftstechnologien inklusive einer umweltfreundlichen Energieverwertung. Die Entwickler zeichnen unter anderem für das Rathaus Stühlinger in Freiburg verantwortlich, das 2017 fertiggestellt wurde und weltweit das erste öffentliche Netto-Plus-Energiegebäude war. Der Teamleiter von Drees & Sommer Leonardo Estrada verwies gegenüber Journalisten darauf, dass Wasserstoffstrategien teuer seien und man für ihren massenhaften Einsatz noch einen langen Weg vor sich habe. Selbst nach den enormen Gaspreissteigerungen seit dem Frühjahr 2022 ist grüner Wasserstoff pro Kilowattstunde immer noch mehr als doppelt so teuer wie Gas. Man erwartet zwar Kostensenkungen durch technologische Entwicklungen, allerdings erst auf Jahrzehnte.
Viele technische Probleme bei Wasserstoff noch nicht gelöst
Fachleute wie Estrada rechnen im Jahr 2050 mit moderaten Preisen. Dazu müssten auch die erneuerbaren Energien noch deutlich mehr ausgebaut werden, denn die technische Erzeugung von Wasserstoff benötigt enorm viel Strom. Hinzu kommen weitere technische Probleme. So gelten bislang Leckagen in Wasserstofftanks, -akkus und -netzen als enorme Herausforderung. Dies ist nicht nur ein Sicherheitsproblem. Der in die Atmosphäre einströmende Wasserstoff interagiert dort mit Sauerstoff, Chlor und weiteren Gasen, wobei enorm viel Wärme entsteht, wie eine neue britische Studie belegt. Der Effekt übersteigt sogar den durch die Erwärmung infolge von CO₂-Emissionen um den Faktor 11. Das bedeutet: Wenn die Leckagen bei der Wasserstoffverwertung nicht behoben werden, wäre dieser ein noch viel gefährlicherer Klimakiller als CO₂.