Wasserstoff in der Energiewende – ein überschätzter Hoffnungsträger

Wasserstoff gilt seit Jahren als Schlüsselelement der Energiewende. Politik und Industrie setzen große Hoffnungen auf den unsichtbaren Energieträger. Doch ein kürzlich in Nature Reviews Clean Technology veröffentlichter Bericht zeichnet ein ernüchterndes Bild. Der Beitrag zeigt, dass Wasserstoff zwar vielseitig einsetzbar ist, sein praktisches Potenzial jedoch deutlich geringer ausfällt als häufig behauptet (nature: 22.04.25).


Aktuelle Nutzung bleibt begrenzt

Tatsächlich wird Wasserstoff bislang nur in wenigen Bereichen in großem Maßstab eingesetzt. Hauptsächlich dient er in Raffinerien zur Entschwefelung von Kraftstoffen oder als Ausgangsstoff in der Düngemittelproduktion. Der angestrebte Durchbruch in weiteren Sektoren, etwa im Verkehr oder bei der Raumwärme, bleibt aus – nicht zuletzt aufgrund der hohen Kosten und technischen Hürden.

Realistischer Blick auf Wasserstoff: Warum der Energieträger nicht die erhoffte Schlüsselrolle in der Energiewende spielt
Realistischer Blick auf Wasserstoff: Warum der Energieträger nicht die erhoffte Schlüsselrolle in der Energiewende spielt

Die Herstellung von klimaneutralem Wasserstoff ist teuer. Studien zeigen eine enorme Bandbreite der Kosten – mit bis zu einem Faktor fünf Unterschied zwischen optimistischen und realistischen Annahmen. Auch die Ökobilanz ist nicht eindeutig: Während Elektrolyse „grünen“ Wasserstoff erzeugen kann, ist dieser Prozess extrem energieintensiv. Andere Verfahren wie die Dampfreformierung von Erdgas mit CO₂-Abscheidung sind bislang nur begrenzt skalierbar.

Klare Nachteile gegenüber elektrischen Alternativen

In vielen Anwendungen zeigt Wasserstoff gegenüber elektrischen Lösungen erhebliche Nachteile. Besonders im Pkw-Bereich haben batterieelektrische Fahrzeuge längst die Führung übernommen. Auch bei der Raumheizung sind Wärmepumpen effizienter und kostengünstiger.

Hinzu kommen infrastrukturelle Herausforderungen: Die Speicherung und der Transport von Wasserstoff sind technisch komplex und teuer. Seine geringe Energiedichte und hohe Flüchtigkeit erfordern spezielle Sicherheitsmaßnahmen und neue Leitungsnetze, die erst noch aufgebaut werden müssen.

Chancen in Industrie und Schwerlastverkehr

Dennoch sehen die Autoren des Artikels realistische Einsatzmöglichkeiten. In der Industrie – etwa in der Stahl- oder Chemieproduktion – könnte Wasserstoff eine wichtige Rolle übernehmen, da hier keine elektrischen Alternativen bestehen. Auch im Schwerlastverkehr und bei der saisonalen Energiespeicherung bietet er Potenzial.

Entscheidend sei jedoch ein gezielter, sinnvoller Einsatz. Wasserstoff sollte nur dort eingesetzt werden, wo er klare ökologische und ökonomische Vorteile bietet. Gleichzeitig müsse Infrastruktur, Nachfrage und Produktion abgestimmt vorangetrieben werden, um Skaleneffekte zu erzielen.


Konzentration auf Nischen statt flächendeckender Einsatz

Die Hoffnung, Wasserstoff könne in allen Sektoren fossile Brennstoffe ersetzen, erweist sich als überzogen. Vielmehr sollte sich die Strategie auf die wenigen Bereiche konzentrieren, in denen Wasserstoff anderen Technologien überlegen ist. Andernfalls droht die Gefahr, Ressourcen zu vergeuden – mit geringen Klimaeffekten.

Die Autoren des Artikels fordern daher einen realistischen, pragmatischen Blick auf die Rolle von Wasserstoff. Statt auf Wunschdenken zu setzen, brauche es eine faktenbasierte Priorisierung. Nur so kann der Energieträger dort wirksam werden, wo er tatsächlich gebraucht wird.

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