Umweltministerin Lemke, Mitglied der Grünen, sorgt für Aufsehen, indem sie sich für den Abriss kleiner Wasserkraftwerke ausspricht und dabei Robert Habeck düpiert. Dies verdeutlicht erneut den oft vorhandenen Widerspruch zwischen Klimaschutz und Artenschutz, der sich insbesondere am Beispiel der Wasserkraft zeigt. Die Auseinandersetzungen in den Kommunen sind intensiv, und auch innerhalb der Grünen herrscht Uneinigkeit zu diesem Thema (Focus: 25.04.23).
Streit um geplantes Wasserkraftwerk im Rappenalptal: Kontroverse Meinungen und gespaltene Grüne
Im idyllischen Rappenalptal in Oberstdorf ist ein Streit entbrannt. Die Meinungen zum geplanten Wasserkraftwerk sind mehr als gespalten. Es geht dabei nicht nur um die Kosten von 13 Millionen Euro für das Projekt, sondern vor allem um die Ausleitung von Wasser aus dem Rappenalpbach in die Stillach (Blackout-News: 18.02.23).
Die Befürworter argumentieren, dass die Wasserkraft für Oberstdorf unerlässlich sei auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Gegner hingegen verweisen darauf, dass das Rappenalptal ein mehrfach geschütztes Naturschutzgebiet ist und daher die Umsetzung des Projekts problematisch sei. Der Konflikt hat auch die Grünen gespalten, und Umweltministerin Lemke hat nun Robert Habeck brüskiert.
Um eine Lösung zu finden, soll nun ein Gutachten Klarheit schaffen. Die Diskussion um Wasserkraft und Umweltschutz bleibt weiterhin kontrovers und zeigt auf, wie schwierig es sein kann, Klimaschutz und Artenschutz in Einklang zu bringen.
Zwiespältige Ansichten zur Wasserkraft in Deutschland: Zuverlässige Energiequelle oder umstrittenes Thema?
Wie es bei der Wasserkraft in Deutschland vielerorts aussieht, zeigt ein typischer Fall. Man denkt an plätschernde Bäche, malerische Wasserfälle und klare Bergseen – romantische Bilder von Energiegewinnung. Wasserkraftwerke produzieren zuverlässig Strom über Jahrzehnte hinweg, im Gegensatz zu Windkraftanlagen, deren Lebensdauer etwa 25 Jahre beträgt. Länder wie Österreich und Norwegen erzeugen einen Großteil ihres Stroms aus Wasserkraft, doch in Deutschland sind Proteste gegen Wasserkraftwerke bekannt.
Vor allem massive Staudämme, wie sie in China, Afrika oder Südamerika zu finden sind, führen zu Empörung bei den Anwohnern. Tausende Menschen müssen oft umgesiedelt werden, und wertvolle Naturreservate werden überflutet – kein Wunder, dass es dagegen Proteste gibt.
Umweltschützer gegen Wasserkraft: Kritik an Pumpenspeicherwerken in Deutschland
In Deutschland ätzen nun auch immer mehr Umweltschützer überraschenderweise gegen die vermeintlich nachhaltige Methode der Wasserkraft zur Stromerzeugung. Besonders im Fokus stehen dabei die im Bau befindlichen oder geplanten Pumpenspeicherwerke. Bei diesen Anlagen handelt es sich um künstliche oder natürliche Seen in bergigen Regionen. In diese Seen wird immer dann Wasser gepumpt, wenn überschüssiger Strom vorhanden ist, beispielsweise bei starkem Wind. Das Wasser kann dann bei Bedarf wieder heruntergelassen werden, um Turbinen anzutreiben. Der Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass Windkraftanlagen seltener abgeschaltet werden müssen, wenn der Strom nicht direkt verbraucht werden kann.
Was kann man gegen diese Pumpenspeicherwerke haben? Viele der 8300 Anlagen in Deutschland sind relativ klein, mit 90 Prozent von ihnen, die weniger als eine Megawattstunde Strom produzieren. Anders ausgedrückt: Ein Großteil, nämlich 85 Prozent, des aus Wasserkraft gewonnenen Stroms stammt von wenigen großen Anlagen.
Kritiker argumentieren daher, dass die installierte Leistung kleiner Wasserkraftwerke den Schaden, den sie bei Bau und Betrieb verursachen, kaum rechtfertigt. Biologen weisen auf die Gefahr für wandernde Fische hin.
Biologen gegen Subventionen für kleine Wasserkraftanlagen: Streit um Artenschutz und Klimaschutz
Der Streit ist nicht neu und folgt dem Motto „Tierschutz versus Klimaschutz“. Es ist ähnlich wie bei Kühen: Für die Tiere ist es besser, auf der grünen Wiese zu stehen und Gras zu fressen, jedoch stoßen sie dort auch mehr Treibhausgase aus als im Stall. Artenschutz ist oft schlecht für die CO₂-Bilanz und umgekehrt.
Seit Jahren fordern Biologen, dass die Bundespolitik den Bau von kleinen Wasserkraftanlagen nicht länger subventioniert. Tatsächlich hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einem Jahr die Einspeisevergütung für Kleinkraftwerke mit einer Leistung von weniger als 0,5 Megawatt gestrichen. Allerdings nahm er diese Entscheidung nach massiven Protesten der Wasserkraft-Lobby aus den besonders betroffenen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, wo 80 Prozent der deutschen Anlagen stehen, wieder zurück.#
Bundesumweltministerin Steffie Lemke setzt sich für Rückbau von kleinen Wasserkraftanlagen ein
Nun zeigt Bundesumweltministerin Steffie Lemke jedoch mehr Durchsetzungskraft. Obwohl sie mit Habeck nicht immer einer Meinung ist, verfolgt sie hier einen anderen Kurs: Lemke hat die „Nationale Wasserstrategie“ im Kabinett durchgesetzt, in der unter anderem steht: „Die Vielzahl kleinerer Wasserkraftanlagen ist problematisch.“ Sie plant die Einleitung von „Schritten für den Rückbau“ in einem Aktionsprogramm.
Im Papier des Bundesumweltministeriums wird betont, dass die Energiegewinnung aus Wasserkraft an einem Drittel der Fließstrecke eine „signifikante Belastung“ darstellt. Es wird festgestellt, dass das Verhältnis zwischen den Kosten für gewässerökologische Entwicklungsmaßnahmen und dem Ertrag der Anlage umso ungünstiger ist, je geringer der Stromertrag einer Wasserkraftanlage ist.
Es wird jedoch betont, dass dies mit Augenmaß geschehen soll, da regionale Bedingungen eine kleine Wasserkraftanlage auch für die lokale Stromproduktion wichtig machen können. Dennoch ist die Tendenz klar: Beim Klimaschutz und dem Ausbau erneuerbarer Energien wird nicht länger jedes Opfer im Tier- und Artenschutz in Kauf genommen.