Die Schweiz steht vor der Herausforderung, ihre Energiewende erfolgreich umzusetzen. Dabei gilt es einige gängige Vorstellungen zu überdenken. Berechnungen von Axpo zeigen, dass alternative Energiequellen wie Windkraft und Kernenergie kosteneffizienter sein können als Photovoltaik. Dies wirft einen Blick auf die Zukunft des Energiemarktes des Landes (NZZ: 21.11.23).
Axpo revolutioniert die Energiewende in der Schweiz mit ‚Power-Switcher‘
Axpo, einer der größten Energiekonzerne der Schweiz, spielt eine entscheidende Rolle in der Förderung der Energiewende. Das Unternehmen hat eine innovative Website namens „Power-Switcher“ entwickelt. Diese ermöglicht es, Politikvorschläge und Empfehlungen zur Dekarbonisierung zu bewerten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Kosten, Subventionen und Importen, um die Energieversorgung des Landes sicherzustellen.
Die versteckten Kosten der Solarenergie: Warum Solaranlagen teurer sind als sie scheinen
Solaranlagen auf Gebäudedächern und Fassaden sind in vielen Strategien zur Energiewende vorgesehen. Sie gelten oft als kosteneffiziente Option für Einzelpersonen und Hausbesitzer. Wenn Betreiber den erzeugten Strom vor Ort nutzen, können sogar Abgaben und Steuern eingespart werden, und es gibt staatliche Subventionen für Investitionen. Trotz dieser Vorteile sind die Gesamtkosten der Solarenergie hoch. Die Notwendigkeit, das Stromnetz zu erweitern und gelegentlich die Einspeisung zu stoppen, um Überlastungen zu verhindern, treibt die sozialen Kosten in die Höhe. Zudem ist der Marktwert von Solarstrom aufgrund der saisonalen Verfügbarkeit gering, da er hauptsächlich im Sommer produziert wird. Die gesellschaftlichen Kosten übersteigen daher die privaten Kosten erheblich, was hohe staatliche Subventionen erfordert, um Solarmodule in großem Umfang zu installieren.
Solar in den Alpen: Warum sich der Traum als teurer als gedacht herausstellt
Alpine Solaranlagen galten lange Zeit als vielversprechende Lösung für die Energiewende. Allerdings sind die meisten alpinen Solaranlagen laut Axpo-Berechnungen unwirtschaftlicher als Solarmodule auf Gebäudedächern. Die Installation und Wartung von Solaranlagen in den Bergen ist kostspielig, der Anschluss ans Stromnetz und der Transport in tiefere Lagen stellen große Herausforderungen dar. Obwohl alpine Anlagen im Winter mehr Strom produzieren und dadurch höhere Erlöse erzielen, gleichen diese Gewinne die höheren Baukosten nicht aus. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber hohe Subventionen von bis zu 60 Prozent für Investitionskosten für alpine Solaranlagen festgelegt.
Windenergie: Die unterschätzte Kraft für die Energiewende – Axpos neuste Erkenntnisse
In den Berechnungen von Axpo wird deutlich, dass die Windenergie im Vergleich zur Solarenergie unterschätzt wird. Kernkraftwerke und Wasserkraft sind zwar kostengünstige Stromerzeugungsquellen, aber die Windenergie schneidet bereits gut ab, ohne auf Subventionen angewiesen zu sein. Windturbinen produzieren den Großteil ihres Stroms im Winter, wenn die Nachfrage am höchsten ist. In Europa gibt es bereits 100.000 Windturbinen, was die Reife dieser Technologie zeigt. Axpo plant in ihrem Szenario, das bis 2050 vollständig auf erneuerbare Energien setzt, die Installation von 1.200 Windturbinen in der Schweiz, was ein Drittel des Potenzials ausnutzen würde. Der Weg dorthin wird jedoch als herausfordernd angesehen, da derzeit nur 47 Windturbinen in Betrieb sind.
Erneuerbare Energien benötigen Gaskraftwerke als Sicherheitsnetz
In Zeiten von Dunkelflauten, in denen weder Wind weht noch die Sonne scheint, werden Gaskraftwerke zu einer wichtigen Reserve, insbesondere wenn bis 2050 keine Kernkraftwerke mehr zur Verfügung stehen. Diese Gaskraftwerke würden jedoch nicht mit herkömmlichem Erdgas betrieben, sondern mit grünem Methan, das aus Wasserstoff und CO₂ gewonnen wird. Der Wasserstoff wird mithilfe von Elektrolyse erzeugt und nutzt den Strom aus Solaranlagen. Dies löst zwar das Problem der Stromimporte aus Nachbarländern, erfordert jedoch große Mengen grünen Methans, die möglicherweise aus Ländern wie den Maghrebstaaten oder dem Nahen Osten importiert werden müssen.
Warum Landschaftsschutz die Energiewende blockiert: Die Hürden für Wind- und Solarenergieprojekte
Besonders die Windkraft stößt häufig auf starken lokalen Widerstand, wodurch Projekte oft über viele Jahre verzögert werden oder sogar ganz scheitern. Wenn der Schutz der Landschaft absolute Priorität hat, sind auch große Solaranlagen im Gebirge oder im Flachland keine Option. Dies führt zu einer starken Abhängigkeit von teuren Dachanlagen für die Solarenergie.
Überraschende Erkenntnis: Kernkraft günstiger als Solarstrom für die Schweiz
Wenn die Schweiz dennoch eine zuverlässige Stromversorgung ohne hohe Importe von Strom oder Wasserstoff gewährleisten möchte, führt kein Weg an neuen Kernkraftwerken vorbei. Überraschenderweise zeigen die Berechnungen von Axpo, dass neue Kernkraftwerke kostengünstiger sind als Solarstrom von Dachanlagen oder aus den Alpen, wenn man die sozialen Kosten berücksichtigt.
Kernenergie liefert kontinuierlich Strom, insbesondere im Winter. Die Baukosten für neue Kernkraftwerke liegen bei etwa 8100 Euro pro Kilowatt Leistung, basierend auf Erfahrungen aus Projekten in Frankreich und Großbritannien. Beim finnischen AKW in Olkiluoto, das seit April Strom liefert, betrugen die Kosten knapp 7000 Euro pro Kilowatt. Wenn die Schweiz bis 2050 zwei neue Kernkraftwerke in der Größe von Leibstadt hätte, könnte sie ihren Winterbedarf weitgehend selbst decken, ohne auf Reservekraftwerke angewiesen zu sein.
Die Planung und Umsetzung neuer Atomkraftwerke erfordert jedoch eine langfristige Perspektive, da es ein bis zwei Jahrzehnte dauern kann, bis sie in Betrieb gehen. Aktuell sind Neubauten aufgrund der geltenden Gesetze verboten.
Die Herausforderungen, vor denen die Schweiz steht, lassen sich leicht verdeutlichen. Ein großes neues Kernkraftwerk liefert 10 Terawattstunden Strom pro Jahr. Um die gleiche Menge Strom zu erzeugen, bräuchte man erstaunliche 625 alpine Solarkraftwerke in der Größe von Gondosolar. Dabei handelt es sich bei Gondosolar um das derzeit fortschrittlichste Projekt dieser Art in den Walliser Bergen.
Die Berechnungen von Axpo zeigen somit, dass es nicht ratsam ist, eine umfassende Dekarbonisierung mit einem Verbot bestimmter Technologien anzustreben. Zudem setzt die Schweiz bei erneuerbaren Energien ausgerechnet auf Arten von Solarenergie, die volkswirtschaftlich teuer sind.
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