Bis Ende Januar 2023 werden 138 örtliche Stromversorger den Strompreis um durchschnittlich 53 % erhöht haben. Dies berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (faz, 16.11.2022).
Exorbitante Preisentwicklung schon im abgelaufenen Jahr
Wie das Vergleichsportal Verivox anhand seiner sehr umfassenden Daten ermitteln konnte, ist der Strompreis zwischen November 2021 und November 2022 schon durchschnittlich von 34 auf 48 ct/kWh gestiegen. Wie sich die kommende Preiserhöhung darstellt, wird nach Ansicht der Experten vom Stromanbieter und vom Bundesland abhängen. Indes steuert die Bundesregierung mit ihrer geplanten Strompreisbremse gegen. Sie soll den Preis für 80 % des Verbrauchs von Privathaushalten und KMU bei 40 ct/kWh deckeln. Als Vergleichswert gilt für jeden einzelnen Verbraucher sein eigener Strombezug des Vorjahres, der anhand der Abschlagszahlung für September 2022 ermittelt wird. Die angekündigten Preiserhöhungen von 138 Versorgern konnte Verivox sicher ermitteln. Aus diesen Daten ergibt sich der Durchschnittswert von 53 % bei den Preisanstiegen. Es ist nicht auszuschließen, sondern eher wahrscheinlich, dass sich noch weitere Versorger anschließen.
Spitzenwert beim Strompreis im Jahr 2022
Laut Verivox wurde in Deutschland noch nie so viel für Strom bezahlt wie im Jahr 2022. Doch damit ist das Ende der Preisspirale noch längst nicht erreicht. Bei einzelnen Versorgern gibt es zudem extreme Ausschläge, die allerdings auch darauf beruhen, dass sich diese in den letzten Monaten mit Preiserhöhungen noch zurückgehalten hatten. So wird Hamburg Energie den Preis von derzeit noch 31 auf 50 ct/kWh erhöhen, bei den Stadtwerken Schwerin wird der Strom sogar mehr als doppelt so teuer: Der Preis steigt von gegenwärtig 26 auf 54 ct/kWh. Die Anhebungen sollen zum 1. Januar wirksam werden. Da die Stromanbieter gesetzlich verpflichtet sind, diese spätestens sechs Wochen vorher anzukündigen, dürften die Kunden einen Brief mit dem neuen, teureren Preis am 20. November im Briefkasten haben.
Verbrauchsabhängige Mehrkosten
Die Mehrkosten können einzelne Kunden über ihren Verbrauch steuern. Wenn sie diesen auf 80 % des Vorjahres senken könnten, wäre ihr Preis bei 40 ct/kWh limitiert, doch das ist in den meisten Fällen unrealistisch. Die FAZ hat nachgerechnet: Wenn ein Versorger den Preis um 20 ct/kWh erhöht, wird der Single-Haushalt bei realistischen 1.500 kWh/Jahr jährlich 300 Euro mehr für den Strom bezahlen. Bei einer Familie mit 5.000 kWh/Jahr dürften der Mehrpreis bei bis zu 1.000 Euro liegen.
Kritik an der Strompreisbremse
An der Konstruktion der Strompreisbremse gibt es auch Kritik. Folgende Punkte werden bemängelt:
- Die technische Umsetzung durch die Versorger ist komplex. Es sind Pannen und damit möglicherweise Gerichtsprozesse vorprogrammiert.
- Die Konstruktion belohnt Verbraucher, die im vergangenen Jahr keinen Strom gespart haben und daher ein höheres „80 % Kontingent“ haben als die sparsamen Stromkunden, die ihren Verbrauch kaum noch weiter senken können. Dies gilt als fatales Signal in die falsche Richtung.
- Es gibt auch Versorger, die aktuell die 40 ct/kWh noch längst nicht überschreiten und dies auch für die kommenden Monate nicht planen. Focus online zitiert als Beispiel die Stadtwerke Dreieich, die aktuell 37,50 ct/kWh verlangen. Hier läuft die Strompreisbremse ins Leere. Diejenigen Versorger jedoch, die ihre Preis exorbitant und weit über den Deckel von 40 ct/kWh hinaus erhöhen, können dann kräftige Gewinne abschöpfen. Das nennt der Chef der Stadtwerke Dreieich Steffen Arta „Abzocke“. Er hat seine Einschätzung in einem Brief dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) mitgeteilt.
Wie sich die Strompreise weiter entwickeln, bleibt abzuwarten. Es hängt vom Ukraine-Krieg, den weltweit verfügbaren Energieressourcen und politischen Entwicklungen hierzulande ab. Möglicherweise gibt es bald ein neues, anders konstruiertes Entlastungspaket – oder die Strompreise sinken sogar wieder. Auszuschließen ist das nicht.
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