Stromnetze in städtischen Gebieten nicht für den steigenden Strombedarf gerüstet

Durch die Modernisierung der Heiztechnik und die Verwendung von Elektrofahrzeugen steigt der Bedarf an Strom. Für den entsprechenden Strombedarf sind jedoch die Stromnetze in städtischen Gebieten gar nicht ausgelegt (FAZ: 29.03.23).


Bundesnetzagentur warnt vor Überlastung: Diskussion um Abschaltung von Wärmepumpen und Ladepunkten

Im Bundeskanzleramt haben die Ampelparteien bei einer anstrengenden Sitzung diskutiert, ob die Koalition den Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen sofort verbieten soll, um den Übergang zur bevorzugten Heiztechnik der Wärmepumpen zu beschleunigen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen befürwortet diesen Schritt. Allerdings hat Klaus Müller, Leiter der Bundesnetzagentur, kürzlich darauf hingewiesen, dass die Stromnetze in städtischen Gebieten in den nächsten Jahren nicht für die vielen neuen Stromabnehmer ausgelegt sind. Dazu kämen auch noch Tausende von Ladesäulen, die es für den Umstieg auf Elektromobilität zu berücksichtigen gilt.

In einem Interview mit der F.A.Z. hat Müller erklärt, dass es zu Phasen der Überlastung und lokalen Stromausfällen kommen könnte. Deshalb müsse die Regierung den Paragraph 14a des Energiewirtschaftsgesetzes ändern, um den Versorgern das Recht zu geben, in Spitzenzeiten die Versorgung von Wärmepumpen, Stromspeichern und Ladepunkten zu drosseln oder abzuschalten. Müller bezeichnet dies als „netzorientierte Steuerung“ (Blackout-News: 06.11.22)

Stromversorgung im Wandel: Kann die Netzinfrastruktur dem schnellen Umstieg auf neue Technologien standhalten?

Ohne eine solche Regelung wäre es auch für die Stromversorger in der Rhein-Main-Region schwierig, eine durchgehend sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Die Aufrüstung der Stromnetze mit ihren millionenschweren Ausbauprogrammen kann nicht schnell genug vorangehen, um mit dem schnellen Umstieg auf die neuen Technologien Schritt zu halten.

Bundesnetzagentur warnt vor Überlastung bei steigendem Strombedarf. Netzausbau in städtischen Gebieten kann wachsendem Bedarf nicht folgen
Bundesnetzagentur warnt vor Überlastung bei steigendem Strombedarf. Netzausbau in städtischen Gebieten kann wachsendem Bedarf nicht folgen

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Umstieg auf Wärmepumpen für einzelne Haushalte am Energieversorger scheitert. Ein Sprecher des Netzbetreibers E-Netz Südhessen, der zum Darmstädter Versorger Entega gehört, versichert, dass die Netze derzeit über ausreichend Kapazität verfügen, um die Anfragen zeitnah zu bedienen. Dennoch hat niemand beim Bau der Leitungen vor Jahrzehnten den jetzt stark veränderten Strombedarf berücksichtigt und es bleibt schwierig, mit dem Ausbau dem Bedarf voraus zu sein. Es wird nicht immer möglich sein, genau vorherzusagen, an welchen Stellen im Versorgungsgebiet der Hochlauf der Technologien wie schnell und wie steil verlaufen wird, selbst wenn die bestmögliche Vorbereitung getroffen wird.


Netzausbau in der Rhein-Main-Region: Investitionen von 700 Millionen Euro, aber Hindernisse bei Umsetzung

In Darmstadt hofft man darauf, dass die Gesetzesnovelle, welche den Energieversorgern das Recht einräumt, Verbraucher temporär vom Netz zu nehmen, in Kraft tritt. Die Ausbaupläne der Netzbetreiber, wie die Mainova-Tochter Netzdienste Rhein-Main oder Energienetze Offenbach, sollen mit Investitionen in Höhe von 700 Millionen Euro bis 2027 bzw. 250 Millionen Euro die Netzkapazität verdoppeln. Auch Syna von der Süwag-Gruppe hat ihre Investitionen verdoppelt und plant, jährlich 150 Millionen Euro in die Verteilnetze für Strom und Gas zu investieren. Allerdings gibt es laut einer Süwag-Sprecherin neben Geldmangel auch andere Hindernisse wie mangelnde Material- und Dienstleisterverfügbarkeit, Fachkräftemangel und langwierige Genehmigungsverfahren. Die Gesetzesnovelle soll nur als Übergangslösung dienen, bis die Ausbaupläne umgesetzt sind.

Mainova plant den größten Netzausbau in einer deutschen Großstadt, um bis 2035 die heutige Leistungsfähigkeit zu verdoppeln. Dieser Ausbau ist jedoch vor allem für die Umstellung auf eine dezentralere Stromerzeugung, den steigenden Bedarf der Rechenzentren und die Elektromobilität vorgesehen. Der Betrieb von Wärmepumpen spielt dabei eine kleinere Rolle. Mainova-Vorstand Peter Arnold betonte kürzlich, dass dieser Netzausbau notwendig sei, um den steigenden Strombedarf in der Stadt decken zu können.

In Frankfurt setzt man für die Wärmeversorgung weniger auf Strom als auf Fernwärme und grüne Gase wie Wasserstoff. Der Vorstand der Mainova, Peter Arnold, hält eine komplett elektrifizierte Wärmeversorgung für keinen guten Plan. Zum einen sei das kaum zu finanzieren, zum anderen müsste man die benötigten Strommengen erst einmal nach Frankfurt bringen. Damit kritisiert er die Herausforderungen, die für die Hochspannungsnetzbetreiber beim Netzausbau anstehen. Ein Beispiel für den Umfang der Arbeiten sind die 430 Tonnen schweren Transformatoren, deren Transport nachts mit Schwerlastkraftwagen in die Region erfolgt.


Netzausbau bis 2045: Tennet plant Umrüstungen und Neubauten in der Rhein-Main-Region

Das Projekt des Betreibers Tennet, den Ausbau der Kapazitäten von fünf bestehenden Umspannwerken voranzutreiben, dient dazu, genügend Strom nach Hessen und Frankfurt zu bringen. Auch wenn die Energieproduktion in Hessen laut den Szenarien der Bundesnetzagentur erheblich steigen wird, bleibt das Land ein Energieimporteur. Deshalb plant Tennet neben den geplanten Überlandtrassen auch Umrüstungen und Neubauten in der Region. Die anderen drei in Deutschland tätigen Hochspannungsnetzbetreiber haben zusammen mit Tennet eine Liste mit den notwendigen Maßnahmen für die nächste Phase der Netzentwicklungsplanung erstellt. Die Stromverteilung in der gesamten Republik erfolgt seit den dreißiger Jahren nach dem Verfahren von Oskar von Miller. Erstmals reichen die Szenarien für Stromverbrauch, Einspeisung und Verteilung bis zum Jahr 2045. Das Ziel ist, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral ist und dafür müsste der Ausbau bis 2037 größtenteils abgeschlossen sein.

Laut dem Entwicklungsplan fehlen allein in der Rhein-Main-Region für den zukünftigen Strombedarf rund 350 Kilometer an neuen oder erweiterten Übertragungsleitungen. Zusätzlich sind zahlreiche neue Umspannwerke geplant, um die Netze in Zukunft flexibler steuern zu können.

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