Deutschlands neue Kraftwerksstrategie verspricht Versorgungssicherheit, doch der Umfang bleibt deutlich hinter den Anforderungen zurück. Laut Bundesnetzagentur ist ein Zubau steuerbarer Kapazitäten von bis zu 22,4 Gigawatt im Zielszenario und bis zu 35,5 Gigawatt im Szenario „verzögerte Energiewende“ notwendig. Die Bundesregierung plant den Ausbau steuerbarer Anlagen – jedoch mit nur zehn Gigawatt fällt das geplante Konzept weit kürzer. Dabei stellt sich angesichts drohender Engpässe in der Gasversorgung, ungeklärter Subventionen und wachsender Abhängigkeit von Gaskraftwerken eine einfache Frage: Reicht diese Strategie, um Deutschland durch Dunkelflauten und volatile Energiephasen zu bringen?
Konzept bleibt hinter der Realität zurück
Statt der ursprünglich diskutierten 20 Gigawatt stehen nun acht Gigawatt für neue Gaskraftwerke und zwei Gigawatt für technologieoffene Projekte auf dem Plan. Die Anlagen sollen steuerbar und „H2‑Ready“ sein, also später auf Wasserstoff umrüstbar. Zusätzlich erlaubt die Ausschreibung auch Batteriespeicher. Trotz dieser Maßnahmen zeigt sich ein grundlegendes Problem: Das Konzept deckt nur einen Bruchteil des tatsächlichen Bedarfs ab.

Die Bundesnetzagentur verweist darauf, dass Deutschland auf bis zu 35,5 Gigawatt flexible Leistung angewiesen ist – falls der Ausbau der Erneuerbaren nicht wie geplant gelingt. Im optimistischen Szenario reichen 22,4 Gigawatt nicht aus. Damit liegt das neue Verfahren der Bundesregierung deutlich unter den Anforderungen.
Fehlende Energiesicherheit durch begrenzte Kapazitäten
Die Versorgungssicherheit hängt entscheidend davon ab, dass ausreichend steuerbare Kapazitäten zur Verfügung stehen, wenn Wind‑ und Sonnenenergie ausfallen. Hier spielen Gaskraftwerke eine zentrale Rolle. Allerdings ist deren wirtschaftlicher Betrieb ohne erhebliche Subventionen kaum darstellbar. Die Regierung plant daher Fördermittel in Milliardenhöhe. Zugleich bleibt offen, ob alle Anlagen wie gefordert zu Beginn auf Wasserstoff umrüstbar und langfristig dekarbonisierbar sind über Technologien wie CO₂‑Abscheidung.
Darüber hinaus existiert ein regionales Problem: Neue Anlagen sollen bevorzugt im Süden Deutschlands errichtet werden, wo frühere Kernkraftwerke stillgelegt sind und die Netzlast hoch. Ob diese Verlagerung mit dem aktuellen Konzept gelingt, bleibt offen.
Subventionen nötig, Finanzierung unklar
Weil reine Reservekraftwerke kaum wirtschaftlich betrieben werden können, heißt das Stichwort: Subventionen. Die Regierung verweist auf Betriebsunterstützung und Ausschreibungsboni, doch die konkrete Finanzierungsgrundlage fehlt. Zudem gelten staatliche Zuschüsse als Beihilfen im EU‑Recht und bedürfen einer Genehmigung durch die Kommission.
Die damals verhandelte Ausweitung auf 12,5 Gigawatt durch Reiches Vorgänger zeigt, wie groß die Abweichung jetzt ist – man bleibt weit unter der benötigten Kapazität. Der reduzierte Umfang zeigt ein Konzept, das vor allem auf politische Machbarkeit und EU‑Zulassung abzielt, nicht auf notwendige Energiesicherheit.
Gasversorgung als weitere Schwachstelle
Parallel zur elektrischen Kapazitätsfrage steht die Gasversorgung unter Druck. Zwar gelten die Füllstände aktuell als ausreichend, doch Winterkälte, hohe Industrienutzung oder geopolitische Störungen können die Erdgasversorgung rasch belasten. Wenn Gas fehlen sollte, lassen sich Gas‑Kraftanlagen als Sicherheitsreserve kaum einsetzen – solange das Konzept auf diese Technologie setzt.
Ein verbindlicher und wirtschaftlich abgesicherter Kraftwerksausbau allein genügt nicht – Flexibilität, Speicher und alternative Reserven müssten stärker in den Fokus rücken.
Kurzum: Eine Strategie ist da – ob sie Strom bringt oder nur Schlagzeilen, wird sich noch erweisen. (KOB)
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