Solarwatt in Schwierigkeiten: Wie Chinas Dominanz Europas Solarbranche bedroht

Das Fotovoltaikgeschäft wächst rasant, dennoch ist Solarwatt in Schwierigkeiten. Europäische Firmen fühlen sich vom Markt abgehängt. Der Preiskampf und Überkapazitäten aus China erschweren die wirtschaftliche Fertigung und lähmen die Modulproduktion vor Ort.

Ungeachtet des Solarbooms sind die Aussichten für die Solarmodulproduktion in Europa düster. Fachleute und Industrievertreter argumentieren, dass ein konkreter Plan und industriepolitische Unterstützung notwendig sind, um die Produktion wiederzubeleben. „Zum aktuellen Zeitpunkt ist hier ein wirtschaftlicher Betrieb einer Modulproduktion aufgrund der aktuellen Preissituation und der Überkapazitäten aus China nicht möglich“, erklärt das Dresdner Unternehmen Solarwatt, das seine deutsche Fertigung in diesem Sommer schließt. Ohne schnelle Maßnahmen könnte es bald keine europäischen Modulproduktionen mehr geben. (Spiegel,18.06.2024)


Solaranlagen-Boom in Deutschland: Warum europäische Hersteller trotzdem aufgeben müssen

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) erwartet in diesem Jahr in Deutschland ein kräftiges Wachstum der installierten Fotovoltaikleistung im unteren zweistelligen Prozentbereich, so Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Die Messe Intersolar, Europas bedeutendster Branchentreff, beginnt Mitte Juni in München.

Gesunkene Kosten haben die Nachfrage bei privaten Immobilieneigentümern in den letzten fünf Jahren verzehnfacht. Firmen statten verstärkt ihre Dächer mit Solaranlagen aus. „Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren von preiswerten Solarmodulen, aber auch große Teile der heimischen Solarbranche.“, betont Körnig.

Vergangenes Jahr wurden in Deutschland neue Solaranlagen mit 14,1 Gigawatt Leistung installiert, fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Dennoch kommen Krisenbotschaften von europäischen Modulherstellern. Neben Solarwatt schließt auch der Schweizer Produzent Meyer Burger sein deutsches Werk. Der Grund dafür ist der Verdrängungswettbewerb aus China, wo große Modulhersteller dominieren. „Ungefähr 94 Prozent der PV-Module kommen aus Asien-Pazifik. Weitere drei Prozent werden von US-Unternehmen produziert, und dann kommt Europa“, sagt Eva Poglitsch von Strategy&, einer Tochtergesellschaft der PwC. Europas Produktionskapazität beträgt etwa zehn bis zwölf Gigawatt pro Jahr.

Solarwatt in Schwierigkeiten - Produktion nach Asien verlagert - Warum europäische Solarmodulhersteller trotz Solarboom aufgeben müssen
Solarwatt in Schwierigkeiten – Produktion nach Asien verlagert – Warum europäische Solarmodulhersteller trotz Solarboom aufgeben müssen

Chinas Solarindustrie auf Rekordkurs: Warum der Preisdruck weltweit steigt

Die chinesischen Hersteller erhöhten ihre Produktion im letzten Jahr um 69 Prozent und fertigten Module mit einer Leistung von insgesamt 499 Gigawatt. In China wurden 2023 knapp 217 Gigawatt installiert, berichtet der große Hersteller Tongwei. Der Rest der Produktion muss auf dem Weltmarkt verkauft werden, doch die USA haben den Import chinesischer Solarmodule eingeschränkt, was den Preisdruck erhöht. Laut pvXchange haben sich die Preise für Standardmodule seit Mai 2023 etwa halbiert. Auch chinesische Produzenten kämpfen mit niedrigen Gewinnspannen und teilweise Verlusten.

Ein großer Projektentwickler, die Münchner Baywa, erwartet keine baldige Trendwende. „Nach der volatilen Marktsituation in den letzten Monaten hat sich der Preis aktuell auf einem niedrigeren Niveau als noch Anfang 2023 eingependelt und wird in absehbarer Zeit nicht stark steigen“, sagt Unternehmenschef Matthias Taft. Niedrige Gewinnspannen bleiben eine Herausforderung, und trotz weltweit steigender Nachfrage bleibt das Überangebot an Modulen bestehen. Günstigere Finanzierungskosten könnten jedoch die Nachfrage nach Modulen ankurbeln, meint Taft.

Wichtigster Rohstoff für Solarzellen ist Polysilizium, und der Weltmarktführer sitzt in China. Das Unternehmen Tongwei will die Kapazität seiner Polysiliziumproduktion von 450.000 auf 850.000 Tonnen pro Jahr nahezu verdoppeln.


Solarwatt zieht nach Asien: Bleibt die europäische Solarindustrie auf der Strecke?

Auch Solarwatt verlagert seine Produktion nach Asien, während die deutsche Fabrik schließt. Die Module bleiben jedoch vollständig Solarwatt-Produkte, betont der Unternehmenssprecher. Forschung und Entwicklung bleiben in Dresden, und der Heimatstandort wird vorerst nicht zurückgebaut. Sollte sich die Marktsituation bessern, könnte Solarwatt die deutsche Fertigung wieder aufnehmen.

Die europäische Politik spielt eine entscheidende Rolle. Der „Net Zero Industry Act“ der EU soll sicherstellen, dass für den Klimaschutz bedeutende Industrien in Europa bleiben. Eva Poglitsch weist darauf hin, dass Europas Abhängigkeit von asiatischen Solarmodulen größer ist als ehemals bei russischem Gas. Beim Gas gab es Alternativen wie LNG-Gas, beim Markt für Solarmodule jedoch nicht.

Der Net Zero Industry Act bietet eine Chance für europäische Hersteller. „Trotz des schwierigen Markts spielen europäische Hersteller bei Innovationen im Bereich Fotovoltaik sehr weit vorn mit.“, erklärt Poglitsch. Es sind jedoch Anreizmechanismen und Regularien erforderlich. Solarwatt begrüßt den Net Zero Industry Act, doch die Solarbranche in Europa braucht endlich einen konkreten Plan, wie 40 Prozent des Fotovoltaik-Zubaus aus europäischen Fertigungen kommen sollen. Erst klare Rahmenbedingungen können die Bereitschaft zur Investition in den Standort Europa erhöhen.

Laut dem Bundesverband Solarwirtschaft zeigen aktuelle Umfragen eine hohe Investitionsbereitschaft in Fotovoltaik und Batteriespeicher bei Unternehmen und privaten Immobilieneigentümern. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die heimische Produktion trotz des Solarbooms wirtschaftlich zu gestalten.

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