Ein einfacher Hackerangriff auf Solarmodule könnte das gesamte europäische Stromnetz destabilisieren. Der Cybersicherheitsberater Vangelis Stykas hat dies von seinem Haus in Thessaloniki aus demonstriert. Mit einem Laptop und einem Smartphone gelang es ihm, Firewalls von Solarmodulen weltweit zu umgehen. So verschaffte er sich Zugang zu mehr Strom, als durch das deutsche Netz fließt (bloomberg: 12.12.24).
Die wachsende Gefahr durch vernetzte Solaranlagen
Stykas gilt als sogenannter „White-Hat-Hacker“. Seine Aufgabe besteht darin, Sicherheitslücken zu finden, damit Unternehmen diese beheben können. Während eines Tests drang er tief in die Systeme ein. Dadurch hätte er Solarpanele deaktivieren und das Gleichgewicht zwischen Stromangebot und -nachfrage erheblich stören können. Ein solches Ungleichgewicht könnte dazu führen, dass sich das Netz als Schutzmaßnahme selbst abschaltet.
Millionen von Solaranlagen auf Hausdächern bilden potenzielle Angriffspunkte. Dies bereitet Versorgern und Regierungen Sorgen. Ein flächendeckender Stromausfall in Europa hätte katastrophale Folgen. Laut Stykas besteht das Problem darin, dass „diese Geräte zwar zur kritischen Infrastruktur zählen, aber nicht ausreichend gesichert sind“.
Steigende Anzahl von Cyberangriffen auf Energieversorger
In den letzten zwei Jahren hat sich die Anzahl wöchentlicher Cyberangriffe auf Versorgungsunternehmen weltweit verdoppelt. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) zählen die EU-Staaten mittlerweile mehr als 200 Angriffe pro Jahr auf ihre Energieinfrastruktur. Erst kürzlich meldete der rumänische Energieversorger Electrica einen erfolgreichen Hackerangriff.
Harry Krejsa vom Carnegie Mellon Institute kritisierte in einem Podcast die allgemeine Unterschätzung dieser Bedrohung. Die Dringlichkeit einer besseren Absicherung sei höher, als viele wahrhaben wollen.
Vielfältige Motive der Hacker
Die Angreifer verfolgen unterschiedliche Ziele: Von Erpressung und Marktmanipulation über ideologisch motivierte „Hacktivisten“ bis hin zu staatlich gelenkten Angriffen. In Japan nutzen Hacker Schwachstellen in Solargeräten, um Bankkonten zu plündern. In Schweden führte die NATO angesichts geopolitischer Spannungen Übungen zur Sicherung von Solar-, Wind- und Wasserkraftsystemen durch.
Freddy Jonsson Hanberg von der NATO betonte, dass „die Bedrohungen für erneuerbare Energiesysteme deutlich komplexer sind als früher“. Die NATO-Übung verdeutlicht, wie angreifbar moderne Stromnetze geworden sind.
Herausforderungen bei der Cybersicherheit
Die schnelle Expansion der Solarenergie verschärft das Problem. Allein in Deutschland wurden letztes Jahr über eine Million neue Solarmodule installiert. Die IEA prognostiziert bis 2030 weltweit 100 Millionen Solaranlagen auf Dächern. Doch das Wachstum erfolgt häufig auf Kosten der Sicherheit.
Viele Hersteller fokussieren sich auf günstige Preise, statt in ausgereifte Sicherheitssoftware zu investieren. Laut Analyst Dick O’Brien von Symantec bedeutet die rasante Entwicklung, „dass Unternehmen oft nicht genug in Risikomanagement investieren“.
Schwachstellen in Wechselrichtern und Cloud-Verbindungen
Stykas konzentrierte sich in seinen Tests auf vernetzte Wechselrichter. Hacker können diese Geräte deaktivieren, mit Viren infizieren oder für spätere Angriffe präparieren. Obwohl er die Hersteller informierte, schlossen nur wenige die Sicherheitslücken. Besonders Deutschland, als größte Volkswirtschaft Europas, bleibt ein attraktives Ziel.
Die Bundesnetzagentur betonte, dass „Solar-Schwachstellen Anlass zur Sorge geben“. RWE sieht die Cybersicherheit als zentrale Priorität. Konkrete Maßnahmen nannten die Verantwortlichen jedoch nicht.
Gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit
Die EU hat in den letzten Jahren zahlreiche Gesetze erlassen, um die Cybersicherheit zu verbessern. Zusätzliche Vorschriften speziell für Solaranlagen sind in Arbeit. Ein aktueller Bericht der EU-Kommission listet die Energieinfrastruktur als eines der Hauptziele für Hackerangriffe.
Nathan Morelli von SA Power Networks in Australien warnt: Ohne konsequente Sicherheitsmaßnahmen droht der Vertrauensverlust in das Stromnetz. Dies könnte die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien langfristig behindern.
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