Nachdem die europäischen Regierungen letzte Woche beschlossen haben, Kohlekäufe aus Russland einzustellen, werden sie diese Woche eine Debatte über ein ehrgeizigeres Ziel beginnen. Die Abkehr von russischem Öl. Abgeordnete der Europäischen Union in Brüssel versuchen, ein Öl-Embargo in den Mittelpunkt der nächsten wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Russland wegen seiner Invasion in die Ukraine zu rücken.
Die Debatte wird jedoch wahrscheinlich nicht bald gelöst werden. Deutschland widersetzt sich weiterhin der Idee eines Ölverbots. Außerdem sich die EU-Abgeordneten momentan noch eher vorsichtig, da die Regierung in Frankreich momentan neu gewählt wird.
Außenminister der EU-Länder diskutieren über Ölsanktionen
Der EU-Außenbeauftragter Josep Borrell sagte bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew, dass er die Ölsanktionen auf die Tagesordnung setzen wird.
„Die Sanktionen, auf die wir uns geeinigt haben, … verursachen einen großen Schaden für die russische Wirtschaft, aber es müssen weitere folgen“, sagte Herr Borrell in Kiew.
Doch schnelle Entscheidungen über Ölsanktionen stehen vor großen politischen Hindernissen. Da die EU-Mitgliedstaaten in dieser Frage gespalten sind, sagen Brüsseler Abgeordnete, dass es keine Entscheidungen geben wird. Die Vorlage konkreter Vorschläge könnte noch weitere Wochen.
Deutschland stellt sich gegen ein Öl-Embargo
Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, führt die Opposition gegen die Sanktionierung von Importen von russischem Öl oder Gas an. Damit hat sich Deutschland bisher Forderungen osteuropäischer Länder wie Polen nach einem Öl-Embargo widersetzt.
EU-Abgeordnete prüfen Ideen, wie ein schrittweises Öl-Embargo auswirken könnte. Diskutiert wird ein Zoll auf russische Ölimporte zur Reduzierung der Nachfrage. Aber auch die Zwangseinzahlung eines Teils der Ölzahlungen auf ein Treuhandkonto.
Die EU hat bereits Pläne angekündigt, ihre russischen Energieimporte im Laufe der Zeit zu reduzieren. Der Druck für schnellere Energiesanktionen steigt, da ukrainische Beamte die russischen Streitkräfte der Gräueltaten beschuldigen. Dazu steigt die Zahl der zivilen Todesopfer durch die russische Invasion täglich.
Importstopp für russische Kohle bereits entschieden
Die EU hat erst vor kurzem ihre fünfte Reihe von Wirtschaftssanktionen gegen Russland vorgestellt. Das jüngste Paket beinhaltet ein vollständiges Auslaufen der EU-Käufe von russischer Kohle bis August.
Ein großer Teil der EU will jedoch noch Sanktionen gegen die beiden größten Handelsgeschäfte mit Russland verhängen. Den Kauf von Öl und Gas. Diese Exporte haben die Auswirkungen anderer Sanktionen auf die russische Wirtschaft abgefedert. Öl und Gas stellen eine wichtige Einnahmequelle für den Haushalt der russischen Regierung dar, einschließlich ihrer Militärausgaben.
Laut Ben McWilliams, Analyst beim in Brüssel ansässigen Think Tank Bruegel, importierte die EU im November täglich für rund 800 Millionen Euro Energie aus Russland. Und zwar 400 Millionen Euro für Gas, 380 Millionen Euro für Öl und 20 Millionen Euro für Kohle. Im November kaufte die EU 2,7 Millionen Barrel pro Tag russisches Rohöl. Dazu kommen 1,1 Millionen Barrel pro Tag an anderen Ölprodukten.
Russland, der drittgrößte Ölproduzent der Welt, lieferte laut der Statistikbehörde der EU im ersten Halbjahr 2021 etwa ein Viertel der Ölimporte der EU. Das machte etwa die Hälfte der Ölexporte Russlands aus.
Viele EU-Staaten, darunter Deutschland und Italien, sind noch stärker auf russisches Gas angewiesen. Deshalb sehen sie Sanktionen gegen Öl als praktikabler an.
Deutschland bei Öl-Enbrgo besonders zögerlich
Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, war trotz zunehmender internationaler Kritik an Berlins Haltung besonders zögerlich. Dabei geht es Deutschland darum, keinen Schaden für seine Industrien durch Sanktionen für russisches Öl oder Gas zu riskieren. Deutschland, hat angekündigt, dass es seine russischen Ölimporte bis zu diesem Sommer halbieren könnte. Für einen vollständigen Importstopp würde man allerdings noch bis Ende dieses Jahres brauchen. Die französischen Präsidentschaftswahlen könnten alle detaillierten Pläne bis nach der letzten Runde am 24. April verzögern. Präsident Emmanuel Macron hat seine Unterstützung für ein Ölembargo zum Ausdruck gebracht. Sein Finanzminister Lemaire hat gesagt, dass es mehrere Wochen dauern könnte, sich innerhalb der EU über das weitere Vorgehen zu einigen.
Ungarns neu wiedergewählter Premierminister Viktor Orban hat wiederholt erklärt, seine Regierung werde sich gegen Sanktionen stellen, die die Energiesicherheit des Landes untergraben. Ein hochrangiger europäischer Abgeordneter sagte, Budapest habe seine Ablehnung von Energiesanktionen seit den Wahlen am 3. April offenbar „untergraben“. Auch Österreich zögere deutlich, strengere Energiesanktionen zu verhängen.
Laut einigen Diplomaten zögern auch einige südeuropäische Länder die Öl- und Gasembargos zu unterstützen. Und das, obwohl sie signalisiert haben, dass sie die Maßnahmen nicht blockieren würden, wenn sich ein Konsens herausbilden würde.
Polen und die baltischen Staaten stehen im entgegengesetzten Lager. Litauen gab letzte Woche bekannt, dass es trotz seiner traditionell starken Abhängigkeit von russischen Energielieferungen alle Öl- und Gaskäufe aus Russland eingestellt habe.
Der Widerstand gegen ein Ölembargo spiegelt zum Teil die Angst der Regierungen vor einer Gegenreaktion der Wähler auf die hohen Energiepreise wider. Die Preise für Treibstoff und Strom stiegen bereits vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine.
EU sucht Ersatzlieferanten für Gas
Die EU hat sich verpflichtet, die Produktion erneuerbarer Energien zu steigern, um die russischen Energieimporte auslaufen zu lassen. Es hat in den letzten Wochen auch mit Öl- und Gasproduzenten im Nahen Osten sowie asiatischen Energiekäufern gesprochen, um die Energielieferungen nach Europa zu erhöhen und umzuleiten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reiste Ende März nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate, um sich um neue Gaslieferungen zu bemühen.
Die USA haben außerdem versprochen, die Lieferungen von verflüssigtem Erdgas nach Europa zu erhöhen, um die Energieknappheit zu verringern, und streben an, in den kommenden Jahren jährlich 50 Milliarden Kubikmeter LNG nach Europa zu liefern, was etwa einem Drittel des Gases der EU entspricht erhält aus Russland.