Der Untersuchungsausschuss zur Kernenergiepolitik bringt ans Licht, wie das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck den Atomausstieg schönrechnen wollte. Interne Dokumente zeigen, dass das Ministerium massiv Einfluss auf die Ergebnisse eines Stresstests der Stromnetzbetreiber nahm, um das politisch gewünschte Ergebnis zu sichern. Diese Eingriffe werfen schwerwiegende Fragen zur Unabhängigkeit der beteiligten Institutionen auf (Cicero: 04.12.24).
E-Mails enthüllen politische Zielsetzungen
Im Fokus stehen E-Mails der Bundesnetzagentur, die ursprünglich eine neutrale Regulierungsbehörde sein sollte. Unter der Leitung von Klaus Müller, einem Grünen-Politiker, wurde diese Rolle offenbar verändert. Die Behörde arbeitete eng mit dem Wirtschaftsministerium zusammen, um die Vorgaben für den Stresstest politisch zu gestalten. Laut einer E-Mail des Netzagentur-Mitarbeiters Achim Zerres wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Analyse „politischen Zwecken dient“. Fachliche Parameter sollten so angepasst werden, dass das Schönrechnen des Atomausstiegs sichergestellt wird.
Diese Vorgaben kamen zu einem Zeitpunkt, als Deutschland mit einer drohenden Energiekrise konfrontiert war. Neben einem Gasproblem zeichnete sich ein potenzielles Stromdefizit für den Winter 2022/2023 ab. Doch die öffentliche Kommunikation des Ministeriums beschränkte sich darauf, das Problem herunterzuspielen.
Schönrechnen des Stresstests als Strategie
Im Sommer 2022 erstellten die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) eine zweite Sonderanalyse zur Stromversorgung. Die erste Analyse hatte auf optimistischen Annahmen basiert, die sich durch die sich zuspitzende Energiekrise nicht mehr halten ließen. In vertraulichen Gesprächen zwischen Staatssekretär Patrick Graichen und den ÜNB wurden die Parameter für die zweite Analyse verhandelt. Graichen machte dabei unmissverständlich klar, dass das Ziel des Stresstests ein politisches sei. Die Ergebnisse sollten den Atomausstieg untermauern, auch wenn die Netzbetreiber davor warnten, dass die Versorgungssicherheit gefährdet sein könnte.
Eine weitere E-Mail aus der Bundesnetzagentur verdeutlicht, wie das Schönrechnen vorangetrieben wurde. Es hieß dort, man solle „nicht an den Vorgaben von Habeck etwas ändern“. Ziel war, den Atomausstieg trotz aller Risiken durchzusetzen und den Kernkraftwerken bestenfalls einen befristeten Weiterbetrieb im Streckbetrieb zuzugestehen.
Netzbetreiber trotzen politischem Druck
Die Übertragungsnetzbetreiber konnten sich letztlich gegen die Einflussnahme behaupten. In ihrer finalen Analyse sprachen sich alle vier ÜNB – Tennet, TransnetBW, Amprion und 50Hertz – für den Weiterbetrieb der verbliebenen drei Kernkraftwerke aus. Sie argumentierten, dass ohne diesen Schritt die Gefahr von Stromausfällen im Winter erheblich steigen würde. Trotz des Versuchs, die Ergebnisse zu schönen, ließ sich die Realität der Energiesituation nicht vollständig ignorieren.
Am Ende war ein Machtwort des Bundeskanzlers nötig, um den Weiterbetrieb der Kraftwerke durchzusetzen. Das zeigt, wie stark politische und parteiinterne Interessen die Entscheidungsprozesse beeinflussten.
Ein Skandal um Manipulation und Glaubwürdigkeit
Die Enthüllungen werfen ein scharfes Licht auf die Glaubwürdigkeit des Wirtschaftsministeriums und seiner Führung. Robert Habeck hatte der Öffentlichkeit eine ergebnisoffene Prüfung versprochen. Doch die dokumentierte Einflussnahme zeigt, dass hinter den Kulissen gezielt versucht wurde, den Stresstest und damit die öffentliche Wahrnehmung zu schönen.
Frank Schäffler von der FDP kritisiert deutlich: „Es ist offensichtlich, dass Robert Habeck eine objektive Prüfung verhindert hat. Damit hat er die Öffentlichkeit getäuscht.“ Besonders problematisch erscheint, dass diese Versuche nicht nur die Glaubwürdigkeit des Ministers beschädigen, sondern auch die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur und der Netzbetreiber untergraben haben.
Patrick Graichen, der maßgeblich in die Manipulationen verwickelt war, hat mittlerweile eine neue Position im Aufsichtsrat des ukrainischen Netzbetreibers Ukrenerho übernommen. Doch der Schaden, der durch das Schönrechnen des Atomausstiegs entstanden ist, bleibt eine politische Hypothek.
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