Milliarden-Schulden für Infrastruktur – doch es ist trotzdem kein Geld dafür da

Deutschland steht vor einem Paradox: Obwohl die Bundesregierung einen gigantischen Schuldentopf von 500 Milliarden Euro geschaffen hat, bleiben Infrastruktur und Verkehrssystem marode. Straßen, Brücken und Bahnstrecken zerfallen seit Jahren. Viele Bürger spüren die Folgen täglich, sei es durch endlose Baustellen, gesperrte Brücken oder verspätete Züge. Trotz der Schulden reicht der Bundeshaushalt nicht aus, um den Verkehrsetat so zu stärken, dass eine nachhaltige Modernisierung gelingt. Stattdessen fließt ein erheblicher Teil des Geldes in Sozialausgaben (cicero: 24.09.25).


Schulden ohne spürbare Wirkung

Die Bundesregierung bezeichnet die Summe als „Sondervermögen“. Allein die Höhe entspricht dem gesamten Bundeshaushalt. Dennoch reicht das Geld nicht für neue Verkehrsprojekte. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder sprach von einer Finanzierungslücke von rund 17,4 Milliarden Euro bis 2029. Sein Verweis auf fehlende Mittel löste Streit mit Finanzminister Lars Klingbeil aus.

Schulden treiben Bundeshaushalt und Sozialausgaben nach oben, während die Infrastruktur weiter verfällt, fehlt das Geld im Verkehrsetat
Schulden treiben Bundeshaushalt und Sozialausgaben nach oben, während die Infrastruktur weiter verfällt, fehlt das Geld im Verkehrsetat

Dieser entgegnete, dass 166 Milliarden Euro in die Infrastruktur fließen sollen – mehr als in jedem anderen Ressort. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die Investitionen nicht zielgerichtet genug sind. Steuerzahler verstehen kaum, warum eine Rekordverschuldung nicht ausreicht, um zentrale Aufgaben wie den Ausbau von Straßen und Schienen zu sichern.

Milliarden im Sondervermögen zweckgebunden

Ein genauer Blick auf die Struktur des Schuldentopfes zeigt das Problem. Von den 500 Milliarden Euro gehen jeweils 100 Milliarden an die Länder und in den Klima- und Transformationsfonds. Die restlichen 300 Milliarden dürfen nur für Sanierungen genutzt werden, nicht für Neubauten. Brücken oder Bahnstrecken können somit nur erhalten, aber nicht erweitert werden.

Neubauprojekte müssen aus dem Kernhaushalt finanziert werden. Da dieser jedoch drastisch schrumpfen soll, entstehen gefährliche Lücken. Die Einschränkungen bedeuten, dass die Infrastruktur zwar repariert, aber nicht zukunftsfähig ausgebaut werden kann.

Kernhaushalt schrumpft – Infrastruktur stagniert

Nach aktuellen Planungen sinkt der Verkehrsetat von 38,3 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf unter 28 Milliarden Euro im Jahr 2026. Bis 2029 bleibt er auf diesem Niveau. Die Gesamtausgaben verändern sich kaum, doch die Finanzierung verschiebt sich massiv ins Sondervermögen.

Offiziell bleibt die Summe gleich, in der Realität fehlen jedoch Gelder für neue Projekte. Damit bricht die Regierung ihr eigenes Versprechen, die Infrastruktur zu stärken. Langfristig droht Stillstand statt Modernisierung.

Geld für Soziales statt für Straßen

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln deckte die Ursache auf. Nach seinen Berechnungen verschiebt die Bundesregierung rund zehn Milliarden Euro jährlich aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen. Damit entsteht im Kernetat Platz für höhere Sozialausgaben.

Anstatt neue Brücken zu bauen, finanziert der Bund ausgerechnet die Mütterrente mit Kreditmitteln. „Das ist ein schweres Foulspiel“, urteilen die Studienautoren. So zeigt sich, dass Schulden nicht primär für den Ausbau der Infrastruktur genutzt werden, sondern für politische Versprechen.


Undurchsichtige Haushaltsführung

Experten kritisieren, dass das volle Ausmaß der Verschiebungen kaum nachvollziehbar ist. Zwischen Kernhaushalt, Sondervermögen und Klimafonds verschwimmen die Grenzen. Das Münchner Ifo-Institut bestätigt diese Einschätzung.

Forscherin Emilie Höslinger stellte klar: „Ursprünglich war vorgesehen, dass Ausgaben aus dem Sondervermögen zusätzlich erfolgen. Das passiert aber nicht.“ Stattdessen stiegen die Sozialausgaben im Kernhaushalt um mehr als elf Milliarden Euro gegenüber den früheren Planungen.

Bundesrechnungshof warnt vor Schuldenspirale

Der Bundesrechnungshof geht noch weiter und erkennt eine gefährliche Dynamik. Deutschland lebe über seine Verhältnisse. Nahezu jeder dritte Euro stamme aus Schulden. Im Gutachten heißt es, die Finanzierung der Kernaufgaben sei ohne Kredite nicht mehr gesichert.

Besonders im Verkehrsbereich zeigt sich die Schieflage. Der Verkehrsetat schrumpft bis 2029 um fast 30 Prozent. Um danach wieder das Niveau von 2025 zu erreichen, wäre eine massive Steigerung nötig – ein Kraftakt, der kaum realistisch erscheint.

Politische Zukunft ungewiss

Ob der Kurs korrigiert wird, entscheidet sich Ende November. Der Haushaltsentwurf liegt vor und muss drei Runden im Bundestag bestehen. Nach Beratungen im Ausschuss soll am 28. November die Schlussabstimmung stattfinden.

Erst dann zeigt sich, ob die Koalition bereit ist, ihre Prioritäten zu ändern. Klar ist jedoch schon jetzt: Ohne Reformen im Sozialsystem droht die Infrastruktur endgültig ins Hintertreffen zu geraten – trotz historisch hoher Schulden und eines aufgeblähten Bundeshaushalts.

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