Deutschlands Stromproduktion leidet unter einem außergewöhnlichen Rückgang der Windgeschwindigkeit. Seit Monaten liefert Windkraft deutlich weniger Energie als gewohnt. Der Deutsche Wetterdienst meldet für das erste Quartal 2025 Durchschnittswerte von unter 5,5 Metern pro Sekunde – ein Tiefstand, wie er zuletzt in den 1970er-Jahren gemessen wurde. Die Folge: massive Ertragseinbußen bei Windparkbetreibern und neue Belastungen für die Stromnetze (welt: 13.05.25).
Windgeschwindigkeit bricht ein – Wirtschaft unter Druck
Die Schwäche zeigt sich in allen Regionen. Gemessen in 100 Metern Höhe, also auf Nabenhöhe moderner Windkraftanlagen, lagen die Windgeschwindigkeiten weit unter dem langjährigen Schnitt. Normalerweise schwanken die Werte zwischen 6 und 7,5 Metern pro Sekunde. Ein Abfall unter 5,5 ist extrem selten. Beim Cuxhavener Windparkbetreiber PNE fiel der Umsatz im ersten Quartal von 31,4 auf 27,9 Millionen Euro. Noch dramatischer der Absturz beim operativen Ergebnis: minus 7,1 Millionen Euro statt eines leichten Gewinns im Vorjahr.

Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schrumpfte die Stromproduktion aus Wind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 31 Prozent. Dennoch betont PNE-Vorstand Heiko Wuttke: „Bereinigt um das außerordentlich geringe Windaufkommen, hätte unser Ergebnis mindestens auf Vorjahresniveau gelegen.“ Seine Hoffnung: Die ungewöhnlich niedrige Windgeschwindigkeit bleibt eine Ausnahme und entwickelt sich nicht zum langfristigen Trend.
Keine Hinweise auf dauerhafte Veränderung
Frank Kaspar vom Deutschen Wetterdienst sieht keinen Beleg für einen anhaltenden Rückgang. Zwar war das erste Quartal schwach, doch Frühjahre wie 2022 und 2024 zeigten überdurchschnittliche Windwerte. Auch die Datenreihe seit 1950 offenbart keine klare Tendenz nach unten. Vereinzelte windarme Monate traten immer wieder auf, ohne dass sich daraus eine systematische Entwicklung ableiten lässt.
Trotzdem steht fest: Wetterabhängige Energiequellen wie Windkraft reagieren empfindlich auf Schwankungen. In den letzten Wintermonaten hatten mehrere Tage mit Flaute – sogenannte Dunkelflauten – die Strompreise explodieren lassen. Konventionelle Kraftwerke und Stromimporte blieben in dieser Phase unverzichtbar.
Gaskraftwerke sollen Versorgung sichern
Die Bundesregierung setzt zur Stabilisierung auf neue Reservekraftwerke. Rund 40 moderne Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt sollen entstehen, um Ausfälle bei Wind und Sonne auszugleichen. Langfristig ist deren Umrüstung auf Wasserstoff geplant. Doch klare Investitionszusagen fehlen bisher, da die künftige Wasserstoffverfügbarkeit ungewiss bleibt. Katherina Reiche, Nachfolgerin von Robert Habeck, hat den Bau dieser Anlagen zur obersten Priorität erklärt.
Speicherlösungen wie Batteriesysteme reichen nur für wenige Stunden. Längere Flauten oder eine zweite Hellflaute – also wenig Wind bei gleichzeitig hoher Solarproduktion – bringen die Netze erneut an ihre Grenzen. Netzbetreiber müssen daher immer häufiger auf Notmaßnahmen zurückgreifen.
Windgeschwindigkeit beeinflusst Netzstabilität massiv
Insbesondere an sonnigen Feiertagen drohen Überlastungen, wenn Solarstrom im Überfluss vorhanden ist, aber keine ausreichende Windenergie den Abend deckt. Während viele Windkraftanlagen regelbar sind, fehlt diese Möglichkeit bei einem Großteil der Solarsysteme. Die alte Bundesregierung hatte noch ein Gesetz zur Begrenzung von Solarstromspitzen verabschiedet, um Überproduktionen künftig besser zu steuern.
Im Frühjahr 2025 trat erstmals ein neues Szenario auf: die sogenannte Hellflaute – viel Sonne, kaum Wind. Die schwache Windgeschwindigkeit führte dazu, dass nach Sonnenuntergang fast vollständig auf konventionelle Kraftwerke zurückgegriffen werden musste. Ohne flexible Reserve bleibt das Stromnetz in solchen Situationen extrem verwundbar.
Wind bleibt zentrale Säule – trotz Schwächen
Trotz der Einbrüche bleibt Windenergie die wichtigste Stromquelle des Landes. Mit 31,5 Prozent Anteil lag sie 2024 noch vor Kohlekraftwerken, die 22,5 Prozent beitrugen. Dennoch zeigt die aktuelle Entwicklung, wie abhängig das Stromsystem von der Windgeschwindigkeit ist. Eine nachhaltige Energiewende braucht daher mehr als Sonne und Wind – sie erfordert steuerbare Kapazitäten, belastbare Speicherlösungen und eine vorausschauende Netzplanung. Nur so lässt sich Versorgungssicherheit auch in Zukunft garantieren.
Lesen Sie auch:
- Windgeschwindigkeiten und ihre Auswirkungen auf die Stromerzeugung
- Drohender Windmangel – Klimawandel lässt Ertrag von Windkraftanlagen schwinden
- Dämpfer für die Energiewende: Ørsted stoppt Mega-Windpark Hornsea 4 vor Großbritannien
- Große Energiekonzerne stellen Ausbau der Offshore-Windkraft infrage