Die Energiekrise und der damit wirtschaftliche Niedergang des Landes erzeugen massiven Druck. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzende Markus Söder nutzt genau diesen Moment für seinen Vorstoß zum Bau von Mini-Akws (welt: 15.11.25). Diese Mini-AKWs besitzen zweifellos technisches Potential und könnten die Energienot spürbar entschärfen, doch ihr Einsatz ist unter der aktuellen Regierung schlicht nicht umsetzbar. Gleichzeitig trägt Söder die widersprüchlichsten Positionen in sich: Er drängte 2011 auf den Atomausstieg, drohte sogar mit Rücktritt falls dieser nicht umgesetzt werde, unterstützte später zentrale Elemente der Energiewende und präsentiert sich heute als Vorkämpfer für den gegenteiligen Weg. Dieses ständige Schwenken passt zu seinem Ruf, die politische Fahne in jede Richtung zu drehen, sobald neue Umfragen Druck erzeugen – insbesondere, seit die AfD an Zustimmung gewinnt.
Söder setzt auf kompakte Reaktorkonzepte
Söder beschreibt Mini-AKW als moderne Technologie, die ein Kleinreaktor-Format nutzt und dadurch mehr Flexibilität bietet. Gleichzeitig irritiert sein abrupter Übergang vom leidenschaftlichen Ausstiegsbefürworter zum Kernkraft-Rückkehrer. Dieses Muster prägt seine Strompolitik seit Jahren: erst Struktur bestimmen, später Distanz schaffen, wenn der Wind dreht. Genau dadurch verliert sein Einsatz für Energieschutz und Versorgungssicherheit an Glaubwürdigkeit.

Der Blick nach Kanada soll seine Argumentation stützen, doch die Beispiele dort ersetzen keine klare Linie. Die Technik überzeugt, aber Söders wechselnde Haltung überdeckt ihre Stärken. Seine Position wirkt weniger wie ein langfristiges Konzept, sondern eher wie ein politischer Reflex auf die Energienot und den größeren Druck durch wachsende AfD-Werte.
Energiekrise verändert ökonomische Prioritäten
Die Energiekrise trifft Haushalte und Betriebe hart, und Söder nutzt diese Lage, um eine neue Rolle zu besetzen. Dass er jedoch jahrelang an jenen politischen Leitlinien mitarbeitete, die viele der heutigen Probleme geschaffen haben, bleibt dabei meist unerwähnt. Nun prangert er Subventionen an, obwohl er deren System selbst mitgestaltet hat. Diese Gegensätze erzeugen den Eindruck reiner Selbstkorrektur aus taktischen Gründen.
Hohe Importpreise verstärken die Lage, und die Versorgungssicherheit steht weiterhin unter Druck. Söders neue Linie steht in deutlichem Widerspruch zu seiner früheren Unterstützung für die Energiewende. Die Öffentlichkeit erkennt diese Brüche, und seine aktuelle Strompolitik wirkt dadurch sprunghaft und schwer einschätzbar.
Nationale Ressourcen als zweite Säule
Heimische Gasvorkommen gelten plötzlich als zentrale Stütze seines Modells. Studien zeigen große Reserven, die den Energieschutz erhöhen und eine Alternative zu Importen bieten. Doch Söder war Teil jener politischen Kräfte, die den Importkurs lange bevorzugten. Nun präsentiert er nationale Ressourcen als Schlüssel, obwohl diese Option seit Jahren bekannt ist. Dieser erneute Wechsel bestätigt sein Muster: erst ignorieren, dann plötzlich fordern.
Auch die Idee, Seltene Erden im Inland zu fördern, fügt sich in dieses Bild. Er nutzt das Thema als Beleg für technologische Souveränität, obwohl er es zuvor kaum verfolgte. Seine Energiepolitik wirkt dadurch weniger wie eine konsistente Strategie als vielmehr wie ein fortlaufender Versuch, neue Stimmungen einzufangen.
Neue Energiepolitik für ein robusteres System
Mini-AKW, nationale Rohstoffe und ein intelligenter Mix aus modernen Technologien besitzen echtes Potential. Doch die politische Wirksamkeit hängt stark von der Glaubwürdigkeit des Absenders ab. Und genau an diesem Punkt entsteht das größte Problem: Söder fordert heute radikale Reformen, obwohl er gestern selbst die gegenteilige Linie geprägt hat. Die Diskrepanz zwischen Verantwortung und Rhetorik ist enorm.
Hinzu kommt: Er weiß genau, dass seine Forderung unter der aktuellen Bundesregierung keine Chance hat. Trotzdem stellt er sie öffentlich heraus – ein Zeichen dafür, dass seine Energiepolitik weniger auf Realpolitik, sondern stärker auf Stimmenmaximierung ausgerichtet ist. Die Energienot dient ihm als Bühne, und die Strompolitik wird so Teil einer strategischen Bewegung, die vor allem von der Angst vor weiterem AfD-Zuwachs geprägt ist. (KOB)
