Lithium ist das Rohöl der Energiewende – droht jetzt ein Kartell wie bei der OPEC?

Eine erfolgreiche Energiewende ist von bezahlbaren Speichertechnologien abhängig, und das Leichtmetall Lithium gilt als der wichtigste Rohstoff für leistungsstarke Batterien. Derzeit erlebt die Lithium-Industrie eine regelrechte Rally, nachdem die Preise zwischenzeitlich stark gesunken waren. Im März 2022 lag der Preis für Lithiumkarbonat bei 75.400 bis 77.500 US-Dollar pro Tonne und für Lithiumhydroxid bei 64.000 bis 73.300 US-Dollar pro Tonne.


Lithium-Exportländer streben nach eigener Industrie

Es ist beunruhigend für Politik und Märkte, dass wichtige Lithium-Exportländer wie Argentinien, Bolivien und Chile zunehmend ihre Politiken aufeinander abstimmen. Es wurde sogar schon von einer „Lithium-Opec“ gesprochen, ähnlich wie der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC). Tatsächlich sind über zwei Drittel der weltweiten Lithiumreserven in den drei lateinamerikanischen Staaten gelagert. Mexiko und Brasilien besitzen ebenfalls bedeutende Vorkommen und unterhalten gute Kontakte zu Argentinien, Bolivien und Chile.

Lateinamerikanische Lithium-Exportländer koordinieren Politik. Lithium-Knappheit bis 2030 möglich - Druck für globale Koordination steigt
Lateinamerikanische Lithium-Exportländer koordinieren Politik. Knappheit bis 2030 möglich – Druck für globale Koordination steigt
Bild: TomTooM03, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die Verhandlungen zwischen den beteiligten Nationen zielen nicht primär auf die Kontrolle der Exportpreise ab, sondern haben eine viel ehrgeizigere Zielsetzung: Sie streben danach, eigene Industrien zur Lithiumverarbeitung aufzubauen, um nicht länger nur als Rohstoffexporteure tätig zu sein. Allerdings gibt es noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer abgestimmten Industriepolitik zwischen den lateinamerikanischen Gesprächspartnern, wie Beobachter berichten. In den Dera-Rohstoffinformationen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vom Januar 2023 wird das Thema nicht erwähnt. Stattdessen werden die Lithium-Produktionsländer einzeln nach Risiken bewertet, die auf den „Worldwide Governance Indicators“ der Weltbank basieren.

Lateinamerikanische Lithium-Exportländer koordinieren Politik

Es gibt jedoch auch hier Potential für Überraschungen. Chile galt bisher als sichere Quelle für Lithium, aber die kürzlich angekündigte Verstaatlichung der Lithium-Vorkommen in dem Andenland im April könnte dies ändern (Ntv: 21.04.23). Die Dera-Rohstoffinformationen warnen auch in Bezug auf Mexiko. Im April 2022 wurde das Bergbaugesetz in Mexiko reformiert und ein staatliches Lithiumunternehmen gegründet, das die gesamte Produktion und Vermarktung von Lithium übernehmen wird. Gleiches gilt für die großen Potentiale in Bolivien, wo die Regierung derzeit einen alternativen Ansatz zur Entwicklung einer Lithium-Industrie verfolgt.

Gemäß Berichterstattung des Lateinamerika-Portals amerika21 plant Argentinien neue Strategien bezüglich der Lithium-Gewinnung: In Zukunft sollen Vorschriften festgelegt werden, die vorschreiben, wie viel der geförderten Rohstoffe im Inland verarbeitet werden müssen. Darüber hinaus sollen Bergbauunternehmen gezwungen werden, einen Teil ihrer Produktion zu günstigen Preisen im Inland zu verkaufen und die Lizenzgebühren für den Bergbau sollen angehoben werden (amerika21. 20.03.23). Ziel ist die Schaffung einer wettbewerbsfähigen Lithium-verarbeitenden Industrie in Argentinien.


Chinesisches Unternehmen bietet zehn Milliarden US-Dollar für exklusiven Lithiumabbau in Afghanistan

Die westlichen Bergbaukonzerne haben starke Konkurrenz: Vor Kurzem wurde berichtet, dass das chinesische Unternehmen Gochin zehn Milliarden US-Dollar geboten hat, um exklusiv Lithium in Afghanistan ausbeuten zu dürfen. Der afghanische Minister für Bergbau und Erdöl, Shahabuddin Delawar, erhofft sich dadurch 120.000 Arbeitsplätze für sein vom Krieg zerstörtes Land. Gochin hat zugesichert, das Leichtmetall in Afghanistan zu verarbeiten.

Es ist unklar, wie viel Lithium in Afghanistan abgebaut werden kann, da die westlichen Länder es offensichtlich übersehen haben. Dennoch profitieren alle Initiativen von der knappen Lithiumversorgung auf den Weltmärkten, da die Nachfrage nach diesem Leichtmetall weiterhin rasant steigt. Die BGR prognostiziert einen Anstieg der Nachfrage auf mindestens 316.000 bis über 550.000 Tonnen pro Jahr.

Lithium-Knappheit bis 2030 möglich – Druck für globale Koordination steigt

Im schlechtesten Fall könnten bis 2030 jährlich 300.000 Tonnen Lithium fehlen, im besten Fall wären es immer noch 90.000 Tonnen. Im Vergleich dazu wurden 2020 weltweit etwa 105.000 Tonnen produziert, 55.000 davon in Australien.

In der aktuellen Phase des schnellen Wachstums von Lithiummärkten und -industrien besteht noch kein großer ökonomischer Druck, um ein Kartell zu gründen. Dennoch könnte die weitere Entwicklung dieser Märkte ein Indikator für den Fortschritt auf dem Weg zu einer multipolaren Welt sein. Je mehr Vorkommen weltweit ausgebeutet werden und je höher der Anteil des Recyclings an der Produktion ist, desto wichtiger wird für die großen Exportländer die Koordination untereinander. Auch ein Quantensprung in der Batterietechnologie könnte die Marktlage noch grundlegend verändern.

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